Mit dem neuem Verteidigungsminister in die Zeitenwende? Boris Pistorius wird auch an seiner Strategie für Deutschlands Cyberabwehr gemessen werden. Ein Kommentar von Zac Warren, Chief Security Advisor, EMEA bei Tanium zum neuen Verteidigungsminister und die Aufgaben der Cyberabwehr, die auf ihn zukommen werden.
Spätestens seit Ende des Kalten Krieges ist das Amt des deutschen Verteidigungsministers zu einem Verwaltungsposten geworden. Die Friedensdividende hat es Deutschland ermöglicht, die Ausgaben und Truppenstruktur der Bundeswehr auf ein Minimum zu reduzieren.
Als Christine Lambrecht am 8. Dezember 2021 ihr Amt als Verteidigungsministerin angetreten war, übernahm sie eine finanziell und personell prekär aufgestellte Bundeswehr. Es fremdelte in beide Richtungen, was angesichts eines „Weiter so“ in einer vermeintlich stabilen geopolitischen Lage auch nicht weiter für Aufsehen gesorgt hätte. Doch dann kam bekanntermaßen alles anders. Von einem Tag auf den anderen musste eine Zeitenwende ungeahnten Ausmaßes umgesetzt werden, an der Frau Lambrecht letztendlich gescheitert ist.
Heute wird ihr Nachfolger und Parteikollege Boris Pistorius vereidigt und muss am Tag darauf direkt seine Feuertaufe in Form des Gipfels der Ukraine-Verbündeten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein bestehen.
Doch auch an anderer Front wird Pistorius gefordert werden: Er muss die deutsche Verteidigungsfähigkeit wiederherstellen. Die Mittel dafür hat er. Im Rahmen des Sondervermögens stehen Pistorius 100 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung, um eine Grundrenovierung herculanischen Ausmaßes zu vollziehen.
Pistorius ist ein gut vernetzter Politiker, der parteiübergreifenden Respekt und den Ruf eines Machers genießt, der politische Projekte in die Tat umzusetzen im Stande ist.
Der 62-jährige Verteidigungsminister bekommt keine Schonzeit und wird gnadenlos am Erfolg der Zeitenwende gemessen werden. Doch mit der Neuanschaffung von Kriegsgerät und einer Restrukturierung der Truppe ist seine Aufgabe noch nicht getan.
Cyberabwehr ist in Zeiten hybrider Kriegsführung ein zentraler Baustein der Verteidigungsstrategie
Das Gesicht des Krieges hat sich in den vergangenen Jahrzehnten fundamental verändert – das hat uns der Ukrainekrieg eindrücklich vor Augen geführt. Die heutige Kriegsführung wird durch Cyberattacken vorbereitet und permanent flankiert. Modernes Kriegsgerät und die digitalen Kommunikationssysteme der Armee sind auf eine funktionierende IT-Infrastruktur angewiesen. Die bemerkenswerte Widerstandskraft der Ukraine fußt nicht zuletzt auf ihrer vorbildlichen IT-Sicherheitsstrategie, der Expertise ihrer Cyberarmee und der tatkräftigen Unterstützung westlicher Sicherheitsspezialisten.
Auch Deutschland – als elementarer Bestandteil der Unterstützer-Koalition – befindet sich im Visier russischer Saboteure und Hacker. Doch auch in Friedenszeiten werden Cyberangriffe genutzt, um schwer nachweisbare Angriffe auf rivalisierende Staaten zu fahren. Mit zunehmender Digitalisierung von Politik, Wirtschaft und nicht zuletzt der Zivilgesellschaft werden die Auswirkungen solcher Angriffe an Durchschlagskraft, bis hin zu existenzbedrohenden Szenarien, weiter zunehmen.
Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich der neue Verteidigungsminister der Bedeutung einer durchdachten und effektiven Cyberabwehr für die Wehrhaftigkeit Deutschlands bewusst ist. Sie muss als einer der Grundsteine in die Zeitenwende implementiert werden, wenn wir uns in zukünftigen Konflikten bewähren und das eigene Land, sowie unsere Verbündeten schützen wollen.
Mit 62 Jahren ist Boris Pistorius zweifelsohne nicht der Kohorte der Digital Natives zuzurechnen. Doch ein versierter Politiker zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er sich von den richtigen Leuten beraten lässt, um eigene Wissenslücken zu kompensieren. Pistorius wird nachgesagt, diese politische Disziplin gut zu beherrschen. Es kann nicht stark genug betont werden, wie wichtig diese Eigenschaft für die Erfolgsaussichten seiner Amtszeit sein wird. Boris Pistorius wird auch an seiner Strategie für die Neuaufstellung der deutschen Cyberabwehr gemessen werden. Man kann ihm nur viel Erfolg und gute Berater wünschen – er wird sie brauchen.