Die Risiken einer Aufspaltung

Schwächt der Chrome-Zwangsverkauf unsere Cybersicherheit?

Google - Bildquelle: JHVEPhoto / Shutterstock.com
Bildquelle: JHVEPhoto / Shutterstock.com

Mit der Forderung des US-Justizministeriums nach einem Zwangsverkauf von Google Chrome könnte eine neue Dimension in der Cybersicherheitsdebatte eröffnet worden sein.

Vor Gericht ist die Argumentation klar: Googles Dominanz bei der Suche, verstärkt durch die Allgegenwart von Chrome, schadet dem Wettbewerb. Doch eine Frage bleibt weitgehend unbeachtet – was geschieht eigentlich mit der digitalen Sicherheit, wenn ein zentraler Pfeiler des Internets aufgespalten wird?

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Chrome als Sicherheitsplattform: Mehr als nur ein Browser

Es geht um mehr als bloße Marktanteile, denn Chrome ist nicht einfach nur ein Browser. Es ist eine aktive, anpassungsfähige Sicherheitsplattform. Allein 2024 hat Google nach eigenen Angaben über fünf Milliarden schädliche Anzeigen blockiert und fast 40 Millionen Werbekonten wegen Betrugs gesperrt. Die Verbindung mit Android und Gmail schafft ein mehrschichtiges Verteidigungssystem – nicht nur zum Vorteil von Google, sondern für das gesamte öffentliche Internet. Wird Chrome abgespalten und an einen neuen Eigentümer übertragen, könnte dieser Zusammenhalt bröckeln.

Einerseits könnte eine Zerschlagung von Google das Ökosystem vielfältiger machen – was durchaus bedeutsam ist. Monokulturen sind anfällig. Ein wettbewerbsintensiverer Browser-Markt könnte die Innovation bei datenschutzfreundlicheren Suchmaschinen und Browsern beschleunigen und einzelne Fehlerquellen reduzieren. Momentan beherrscht Chrome mit 66,16% den globalen Browser-Markt und schafft damit eine übermäßig große Angriffsfläche. In der Cybersicherheit kann Dezentralisierung ein Vorteil sein.

Konkrete Risiken einer Aufspaltung für die digitale Sicherheit

Doch die Risiken sind konkret. Eine Trennung von Chrome und Google könnte die Reaktionsfähigkeit der Plattform auf schnell fortschreitende Cyberbedrohungen beeinträchtigen. Der Austausch von Bedrohungsinformationen über Googles Produktpalette funktioniert gerade deshalb so reibungslos, weil das Unternehmen vertikal integriert ist. Diese Strukturen aufzulösen könnte bedeuten, neue Sicherheitswege von Grund auf neu schaffen zu müssen – vermutlich langsamer und schwächer. Und gerät Chrome in die Hände von Private-Equity oder unter-finanzierten Betreibern, könnten wichtige Sicherheitsupdates verzögert werden. Chrome ist eine dynamische, ständig gesicherte Infrastruktur, kein austauschbares Produkt.

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Noch problematischer: Googles Fähigkeit, seine KI-gestützten Sicherheitssysteme – auch jene zum Schutz vor Zero-Day-Exploits – zu versorgen, basiert auf riesigen Such- und Browsing-Datenmengen. Chrome abzutrennen könnte diesen Datenstrom schwächen und damit Googles maschinelle Lernverteidigung beeinträchtigen, die bereits viele eigenständige Cybersicherheitsanbieter übertrifft.

Es gibt zudem eine geopolitische Komponente. Sollte der Verkauf von Chrome zu Fragmentierung oder uneinheitlichen Standards führen, könnten feindliche Akteure – staatlich oder nicht – diese Verwirrung ausnutzen. Es könnte gefährlich sein, einen der stärksten digitalen Verteidiger des Westens ohne nationalen Sicherheitsplan zu zerschlagen.

Natürlich sollten Monopole sich nicht hinter Sicherheitsbedenken verstecken dürfen. Aber Regierungen sollten auch nicht so tun, als wäre technologische Infrastruktur beliebig austauschbar.

Die Frage bleibt also: Können wir Googles Macht regulieren, ohne unbeabsichtigt das Cybersicherheitsgerüst zu schwächen, das es aufgebaut hat? In dem Wissen, dass Vertrauen immer zerbrechlich und Bedrohungen sich ständig weiterentwickeln, könnte dies die wichtigste Frage sein, mit der sich Richter Mehta – und wir alle – auseinandersetzen müssen.

Vincent Baubonis

Vincentas

Baubonis

Head of Security Research

Cybernews

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