Als die Corona-Pandemie Rheinland-Pfalz erreichte, mussten zahlreiche Beschäftigte ins Homeoffice umziehen. Viele zögern vor einer Rückkehr ins Büro. Eine Expertin sieht die Zukunft in einem «gesunden Mix».
Die Arbeitswelt nach der Corona-Pandemie wird nach Einschätzung von Personalexpertin Jutta Rump nicht mehr die gleiche sein wie vor der Krise. «Ich glaube schon, dass wir einen Wandel haben und nicht zum Alten zurückkehren werden», sagte die Direktorin am Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) in Ludwigshafen. Allerdings gehe sie nicht davon aus, dass die Gesellschaft «von einen Extrem ins andere» gehen werde. «Wir werden Mischformen haben, und das wird sich durch alle Hierarchien ziehen.»
Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) haben sich die Anfragen zum Thema Homeoffice seit März 2020 pro Woche etwa verfünffacht. Oft seien dies Unternehmen aus der verwaltenden Tätigkeiten sowie der Informationsverarbeitung und der Beratung, sagte Marius Melzer, Referent für Umwelt und Existenzgründung bei der IHK in Ludwigshafen. «Unternehmer müssen wissen, dass die Koordination des Arbeitens in Teams erschwert wird», betonte er. Arbeitnehmer wiederum sollten bedenken, dass durch Corona kein Recht auf Arbeiten zu Hause bestehe.
BASF hat mit mobilem Arbeiten am Standort Ludwigshafen während der vergangenen Monate gute Erfahrungen gemacht, wie eine Sprecherin sagte. «Das lag auch daran, dass mobiles Arbeiten bei BASF schon vor der Pandemie möglich und in einigen Arbeitsbereichen verbreitet war.» Bereits seit 2012 existiere für Ludwigshafen eine entsprechende Betriebsvereinbarung. «Mobiles Arbeiten bedeutet für BASF mehr als Homeoffice», ergänzte die Sprecherin. «Es erfasst auch andere vom Mitarbeiter gewählte Arbeitsorte.» Grundsätzlich hätten alle Mitarbeiter großen Teamgeist und viel Flexibilität gezeigt.
Weniger Stress, mehr Zeit für die Familie und höhere Produktivität: Dass viele Arbeitnehmer wegen der Pandemie ins Homeoffice wechseln mussten, war für die meisten Betroffenen eine positive Erfahrung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Krankenkasse DAK, die vor wenigen Tagen vorgestellt wurde. Danach wollen 76,9 Prozent der Beschäftigten, die erst seit der Corona-Krise daheim arbeiten, diese Arbeitsform auch in Zukunft – zumindest teilweise – beibehalten.
Expertin Rump warnte vor voreiligen Lobeshymne auf das Homeoffice. «Wir erleben jetzt eine Ausnahmesituation. Da will jeder, dass es klappt – das ist ein starker Treiber. Das momentane Homeoffice ist aber nicht das normale Homeoffice.» Unter guten Rahmenbedingungen könne aber die Arbeit im Homeoffice ein Mehrwert sein. «Es gibt keine Wegezeiten, keine Unterbrechung und eine vertraute Umgebung. Das bringt Rückenwind.» Sie sehe die Lösung in einem gesunden Mix aus Präsenz und Homeoffice: «Das ist das Modell der Zukunft», sagte die Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre.
Videokonferenzen allein könnten kein Gemeinschaftsgefühl erzeugen, betonte Rump. «Die Zusammengehörigkeit eines Teams entsteht, wenn man zumindest ab und zu zusammen in einem Raum ist. Treffen sind wichtig für den Teamspirit, sonst haben Sie eine Truppe von Söldnern.» Das System funktioniere momentan auch deswegen so gut, weil die Menschen sich persönlich aus der Vor-Corona-Zeit kennen.
«Man muss in regelmäßigen Abständen zusammenkommen, und zwar in einem Raum. Und keinesfalls im operativen Tagesgeschäft, wo man oft mit Kleinteiligkeit Zeit verliert», unterstrich die Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Eine klassische Gefahr beim Homeoffice sei die Selbstausbeutung, sagte Rump. «Als Gegenmittel sollte man sich ein Regelwerk machen. Eine Agenda für den Tag und eine Meilenstein-Planung für die Woche. Und man sollte die Eintönigkeit bekämpfen – öfter mal den Raum wechseln und das Thema, an dem man arbeitet.» Das größere Interesse am Homeoffice bedeute nicht das generelle Aus für das Großraumbüro. Ein Großraumbüro müsse jedoch ein Raum sein, in dem sich Menschen wohlfühlen. «Sonst springt der Funke im Team und im Job nicht über», sagte Rump.
Wolfgang Jung, dpa