Die Corona-Einschränkungen werden gelockert. Mit ihr auch die Homeoffice-Pflicht. Diese fällt weg und je nach Führungsstil wird mehr oder weniger dafür gesorgt, dass Mitarbeitende wieder in den Büros erscheinen – dürfen, sollen, müssen, gefälligst zu sein haben oder es doch lieber sein lassen sollen… Das erlebt auch Hannes.
Der 49-jährige studierte Betriebswirt ist Produktionsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung eines internationalen Industriekonzerns. Er gewährt einen Einblick, was auf der Management-Etage eigentlich so gedacht und getan wird. Übrigens: Ein Schmunzeln aufgrund dieser Business-Satire ist hier durchaus erlaubt…
Hannes ist damit beauftragt worden, für die Nach-Corona-Zeit ein Konzept auszuarbeiten. Es ist ja nicht so, dass es einfach einen Zustand „wie vorher“ gibt. Das Unternehmen hat sich für die im Grundsatz gescheite Variante von Splitting-Office entschieden. Demnach wird differenziert: Die einen, die müssen, die anderen, die dürfen. Bei wiederum anderen überlässt man es den Angestellten, wer daheim und wer im Büro sein möchte. Und bei einer vierten Gruppe lautet die Regelung: teils im Betrieb, teils zu Hause arbeiten.
Da sind einmal mehr kleine Elemente des Alltags, in denen sich sichtbar etwas verändert hat. Hannes sinniert über diese Zeit zwischen März 2020 und Spätsommer 2021. Es haben sich viele Blickwinkel verändert. Noch im Jahr 2013 wurde der Begriff „systemrelevant“ zum Unwort des Jahres erkoren. Im Jahr 2020 ist er zum „Wort des Jahres“ aufgestiegen. Umgekehrt ging es dem Begriff „Querdenker“: Einst ein Attribut für besonders findige Zeitgenossen, die gescheit waren und immer die richtigen Fragen stellten, kippte der Begriff auf die andere Seite der Skala. Ob „Querdenker“ heute noch richtig clever sind und wirklich die passenden Antworten parat haben? Auch ein Wort wie „Stoßlüften“ ist inzwischen frei von Verruch im Subtext und jeder weiß inzwischen auch, dass „Maskensünder“ keine Karnevalsverkleidung ist.
Zeitgeist-taugliches Space-Concept4future
Inmitten dieser Gedankengänge kommt Hannes wieder bei seinem „Splitting-Office“ an. Weiß der Geier, was damit früher gemeint war. Heute ist es kompliziert geworden. Sein Auftrag lautet folglich „Space-Concept4future“. In wenigen Wochen gilt wieder das Antreten im Büro, aber eben nicht für alle und schon gar nicht gleichzeitig oder gar im gleichen Ausmaß. Denn nach außen will man dokumentieren, dass man den Zeitgeist begriffen hat, dass eine Ansage wie „alle ins Büro zurück ordern“ so was von out ist. Mitarbeitende dürfen selbstverständlich auch weiterhin teilweise zu Hause arbeiten.
Nach innen sind die Vorgabe des Controllings aber klar: Kosten runter, in dem die Bürofläche verkleinert wird. Das funktioniert momentan im gleichen Atemzug und lässt sich gerade so wunderbar artikulieren – zumindest so lange, bis man den Homeoffice-Arbeitenden keine Entschädigung ausbezahlen muss, weil sie die Infrastruktur sich selbst zur Verfügung stellen.
Und immer schön auf den Koeffizienten achten
Aber wie sieht ein gerechtes System aus? Jemand, der im Außendienst oder auf Montage oder bei ähnlichen Tätigkeiten auswärts unterwegs ist, erhält keinen Arbeitsplatz mehr. Hier gilt der Koeffizient: mindestens vier Tage pro Woche draußen ergibt einen Anspruch von einem Drittel Büroarbeitsplatz (ist gleich: drei Personen teilen sich Tisch, Stuhl und Bildschirm). Wer weniger draußen ist, soll dazu noch einen Tag im Homeoffice einplanen, so bleibt der Koeffizient identisch. Das gilt aber nur für jene, die ein Pensum von 80 bis 100 Prozent erfüllen. Sonst sieht man die Leute ja nie. Im logischen Umkehrschluss bedeutet das dann: Wer 40 Prozent arbeitet, von diesen aber 80 Prozent nicht im Betrieb anwesend ist, erhält dann gar Ein-Drittel-Arbeitsplatz. Sonst geht es nicht auf, dass man diesen Mitarbeitenden einmal in der Woche wirklich sieht.
Alle Festangestellten ohne Außendienstfunktion erhalten ein Split von 50 Prozent. Das heißt also: Sie teilen sich zu zweit einen Arbeitsplatz. Da es aber Tage geben wird, da alle im Unternehmen sein müssen, hat die Außendienst-Mitarbeiter-
3 x 3 Meter für Interims-Projektmitarbeitende
Hannes zerbricht sich jetzt den Kopf darüber, was geschieht, wenn einer kurzfristig in Teilzeit oder in den Außendienst geht. Und was, wenn derjenige gleichzeitig auch noch ein Projekt leiten muss? Hier löst der Konzern das Problem über Projekt-Arbeitsplätze. Diese werden mobil geplant, was bedeutet: Klapptische und Klappstühle stehen im Keller und können jederzeit irgendwo aufgestellt werden. Der Bedarf an Bürofläche für Interims-Projektmitarbeitende wurde schon vor längere Zeit auf neun Quadratmeter definiert. Diese 3 x 3 Meter finden sich irgendwie schon – und sogar fast überall. Da kann man notfalls etwas zusammenrücken…
Hannes ist glücklich, wie alles nun gelöst ist. Nun geht er daran, sich einen Dienst-Mini-Bus zu ordern, um in der nahegelegenen IKEA-Filiale die Klapptische zu besorgen. Das nennt man dann wohl eine konkret praktische Umsetzung!