Die Management- und IT-Beratung MHP hat am vergangenen Freitag im hauseigenen „MHPLab“ in Ludwigsburg über den aktuellen Fachkräftemangel in der IT-Branche zu einer Diskussionsrunde mit der IHK Stuttgart, der Hochschule Reutlingen und ihrer Weiterbildungsstiftung – der Knowledge Foundation – geladen.
Dabei ging es vor allem um die Frage, ob es sich bei der aktuellen Situation um eine generelle Mangelware an Fachkräften handelt oder ob Managementfehler dazu führen, dass weniger Fachkräfte zur Verfügung stehen.
Dr. Ralf Hofmann, Mitgründer, Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung von MHP: „Keine Frage, der Bedarf an IT-Fachkräften ist enorm – sowohl auf Unternehmens-IT- als auch auf Produkt-IT-Seite. Dabei sind die Ansprüche heute ganz andere, Stichwort: Produkt-Differenzierung über Software. Wir finden nicht alle Fachkräfte hier in Deutschland – im Großraum Stuttgart schon gar nicht. Wir müssen lernen, anders zu liefern, um Bedarfe zu minimieren. Unternehmen brauchen Dienstleister wie uns – und wir brauchen Near- und Off-Shore. Nur damit können wir die Kapazitätsengpässe ausgleichen.“
ITler dringend gesucht: 137.00 freie Stellen in Deutschland
Besonders deutlich wird der Bedarf an fähigen Mitarbeitenden in der IT: 137.000 freie IT-Stellen – alleine so viele werden laut einer aktuellen Bitkom-Studie in Deutschland benötigt. Das ist ein neuer Spitzenwert. Im Schnitt müssen Unternehmen sieben Monate warten, bis sie eine neu ausgeschriebene Stelle besetzen können. Dabei ist dieser Mangel an IT-Fachkräften ein durchaus präsentes Risiko für Unternehmen. Denn ganz konkret betrifft dieses Problem Zukunftsthemen, wie beispielsweise die Digitalisierung der Unternehmen.
Julian Pflugfelder, Präsident der IHK-Bezirkskammer Ludwigsburg unterstreicht: „So müssten wir im Jahr 2028 beispielsweise 2.100 studierte Informatikerinnen und Informatiker nur in der Region Stuttgart nachschieben, um dem Fachkräftemangel in der IT-Branche gerecht zu werden. Das ist eine große Herausforderung. Der Bedarf an beruflich Qualifizierten im IT-Bereich liegt sogar noch höher. Hier wären es 2.600 Stellen, die dann nicht besetzt werden können. Und der Bedarf wird weiter zunehmen.“
Diesen Umstand zeigt auch die aktuelle Studie „Industrie 4.0 Barometer 2023“ der Management- und IT-Beratung MHP auf: Es fehlt in der DACH-Region vor allem qualifiziertes Personal, um die digitale Transformation in den Unternehmen zu realisieren – die Digitalisierungslücke zu China, UK und den USA wird größer.
Prof. Dr. Alexander Rossmann, Professor für Digital Business an der Hochschule Reutlingen: „Unternehmen müssen sich daran gewöhnen, mit diesem Mangel umzugehen. Es dauert eben einfach vieles länger, wie beispielsweise Digital-Projekte oder auch Bewerbungsprozesse.“ Er führt jedoch weiter aus und nennt Lösungsansätze: „Lösungen für den Fachkräftemangel im IT-Bereich sind beispielsweise die Professionalisierung der HR, Qualifizierung der eigenen Mitarbeitenden in die notwendigen und für die notwendigen Bereiche – auch mittels sogenannten Reskilling-Maßnahmen – oder auch Internationalisierung. Letzteres bedeutet, dass man entweder ein Wertschöpfungssystem ins Ausland verlagert oder die Attraktivität für Fachkräfte aus dem Ausland steigert.“ Über allem stünden aber, Professor Rossmann zufolge, „Leute, die in die Zukunft denken und solche Mängel frühzeitig zu erkennen.“
Dr. Ralf Hofmann ergänzt: „Die Attraktivität der IT-Stellen muss weiter gesteigert werden. Stichwort: Remote. Das ist heute Voraussetzung. Das fängt schon beim Recruiting-Prozess an – einer unserer Kernprozesse. Das muss schnell und verlässlich gehen. Wer wartet denn heute noch auf eine Antwort nach zwei Monaten?!“
Vor allem berufsqualifizierte Fachkräfte fehlen
Der Bedarf alleine in Baden-Württemberg, eines der wichtigsten Industriestandorte in Deutschland, hat die IHK Stuttgart berechnet: Demnach werden der Wirtschaft zwischen 2022 und 2035 durchschnittlich pro Jahr über 397.000 Fachkräfte fehlen. Für die Berufsgruppe der Informatiker prognostiziert die IHK einen Engpass von 9.000 Fachkräften, der sich aus Angebot (164.000) und Nachfrage (173.000) ergibt.
Julian Pflugfelder, Präsident der IHK-Bezirkskammer Ludwigsburg: „Bis 2035 wird sich der Fachkräftemangel, auch demografiebedingt, weiter verschärfen. Die Herausforderungen, dass wir als Region und als Unternehmen nicht abgehängt werden, werden erheblich sein.“
Aufgrund der in den nächsten Jahren in den Ruhestand eintretenden Erwerbstätigen aus den geburtenstarken Jahrgängen sinkt das Angebotspotenzial enorm. Im Jahr 2035 werden der Wirtschaft in Baden-Württemberg 863.000 Fachkräfte fehlen. Davon entfallen alleine 792.000 Personen auf berufsqualifizierte Fachkräfte.
Markus Klingspor, Gründer und Geschäftsführer der Thinking Objects GmbH und Vorsitzender des Ausschusses für Digitalisierung und IT-Wirtschaft der IHK Region Stuttgart: „Wir sind der Auffassung, dass es sich weniger um Managementfehler in der Vergangenheit handelt, sondern mehr um politische Fehler, die begangen worden sind. Die Rahmenbedingungen müssen angepasst werden. Dazu zählt vor allem die Verbesserung der schulischen Bildung und ein bedarfsgerechter Ausbau universitärer Kapazitäten.“
Dr. Ralf Hofmann fügt hinzu: „Managementfehler? Es ist auch ein Politikfehler: IT im Studium ist zu spät. Wir müssen schon in der Schule ansetzen und MINT-Fächer dorthin bringen.“
Recruiting 2.0: IT-Talente finden und bestehendes Personal schulen
Doch das wird alleine nicht ausreichen – und vor allem nicht so schnell gehen. Unternehmen können hier aber auch aktiver werden und der Mangelsituation gegensteuern. Das fängt beim Recruiting an und hört bei der Schulung des bestehenden Personals auf. „Wir sind der Überzeugung, dass es heute einen starken Purpose braucht. Heißt: Die Sinnhaftigkeit der Stelle wird hinterfragt – zurecht! Entscheidend sind Antworten auf Fragen wie ‚was bietet dir das Unternehmen?‘ Und ‚warum soll ich als Bewerberin und Bewerber genau diese Arbeit machen?‘“, so Dr. Ralf Hofmann.
Prof. Dr. Katrin Schein, Professorin für Digital Business an der Fakultät Informatik der Hochschule Reutlingen ergänzt: „Das Thema ‚Lifelong Learning‘, also lebenslanges Lernen wird noch unterschätzt. Wir sehen in ersten Untersuchungen, dass neben ‚Reskilling‘ auch ein kontinuierliches ‚Upskilling‘ insbesondere im IT-Bereich eine übergeordnete Rolle bei der langfristigen Bindung von Mitarbeitenden an ein Unternehmen spielt. Als Hochschule sehen wir uns als Partner für Unternehmen und unterstützen durch maßgeschneiderte Weiterbildungsprogramme.“
Eigene Erfahrungen hat die Management- und IT-Beratung selbst gemacht, wenn es darum geht, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuwerben. Noch gelingt es, den Bedarf zu decken. Langfristig gesehen, muss aber noch etwas anderes passieren, weiß Shahriar Kamali, Head of Talent Acquisition bei MHP: „Wir brauchen eine Learning Culture, ein Umfeld, das die kontinuierliche Entwicklung auf individueller Ebene und auf Ebene der Organisation fördert. Dazu gehört auch die Aneignung von technologischen Skills. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bietet das die Chance, dauerhaft einer erfüllenden Aufgabe nachzugehen. Für Unternehmen ist eine Learning Culture unverzichtbar, um sich dauerhaft im Innovations-Wettbewerb auch bei den Kunden behaupten zu können. Und sie trägt dazu bei, dem Fachkräftemangel zu begegnen.“
Die Teilnehmenden der Diskussionsrunde im MHPLab in Ludwigsburg
Durch die anschließende Diskussion im Panel führte Daniel Geigis, CEO der Knowledge Foundation. Gäste waren Prof. Dr. Katrin Schein, Professorin für Digital Business an der Fakultät Informatik der Hochschule Reutlingen, Julian Pflugfelder, Präsident der IHK-Bezirkskammer Ludwigsburg, Markus Klingspor, Gründer und Geschäftsführer der Thinking Objects GmbH und Vorsitzender des Ausschusses für Digitalisierung und IT-Wirtschaft der IHK Region Stuttgart, Shahriar Kamali, Head of Talent Acquisition bei MHP und Dr. Ralf Hofmann, Mitgründer, Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung von MHP.
Die Diskussion im Panel können Sie auf dem Youtube-Kanal der MHP nachschauen.
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