Alles nervt. Die Stimme der Navigationsassistentin im Auto. Und erst recht die Stimme so mancher Kollegen. Die Zeit vor, während und nach Corona. Und noch mehr die dazugehörigen Auf-und-Ab-Kurven, die täglich über den Fernsehbildschirm flimmern.
Bei schönem Wetter nerven die Nachbarn, die qualm-voll den Grill anwerfen. Bei schlechter Witterung der Hund, der die Regentropfen aus seinen Zotteln schüttelt – direkt auf den frisch gebohnerten Parkettboden. Dabei ist es so einfach – denn ich bin Teil der Lösung. Sich in Reframing zu üben, ist hilfreich. Mehr noch die Erkenntnis, dass es oft genug ausreicht, bei sich selbst zu beginnen, um ein Problem zu lösen.
Lebenserfahrene Menschen wissen, dass jede Veränderung irgendwo beim „Ich“ beginnt. Der erste Schritt ist immer bei mir. Es kommt immer auf einen selbst an, wie ich in ein Gespräch steige, wie man Konflikte angeht, wie man Reorganisationen versucht aufzugleisen. Man ist sich auch weitgehend einig, dass die Lebensweisheit „Ich ernte, was ich säe“ durchaus für sehr viele Bereiche gilt. Es beginnt immer bei mir. Ich habe mich ertappt, dass mich mein Navigationssystem im Auto nervt, wenn alle paar Minute ein „Bitte wenden!“ kommt, vor allem dann, wenn ich nicht wenden kann. Ja, es nervt. Aber warum? Kann die Stimme etwas dafür? Natürlich nicht, das wissen wir alle. Es Ist auch immer der gleiche Tonfall und unter der Motorhaube zwischen Spritzwand und Armaturenträger sitzt auch keine Dame, die mir den Weg erklärt. Ist ohnehin alles digital. Aber nerven tue ich mich trotzdem.
Reale Menschen lassen sich nicht einfach abschalten
Das Verdikt ist klar: Es kann nur etwas mit mir, meiner Haltung zu tun haben. Und das heißt im Umkehrschluss: Wenn ich etwas ändern will, kann ich die Navi-Stimme ausschalten (geht leider bei realen Menschen nicht grad so einfach) oder ich versuch doch einfach wieder mich in Reframing – einer Umdeutung – zu üben. Ich kann schon feststellen, dass nicht SIE mich nervt, sondern es etwas mit mir zu tun hat. Die Erkenntnis, dass ich Teil der Lösung bin und bei mir beginnen muss, reicht schon oft genug aus, das Problem zu lösen.
In Workshops fragt man gerne am Schluss in die Runde – und es ist und bleibt der Klassiker aller Seminar-Abschlüsse: „Was nehmen Sie mit aus dem heutigen Tag?“ Ok, ich finde das eine gute Sache, in meinen Veranstaltungen hantiere ich damit auch oft genug. Aber im Anschluss folgt meine absolute Lieblingsfrage: „Was tun Sie konkret, damit Sie das, was Sie eben gesagt haben, auch wirklich tun?“ Da wird nun schon etwas mehr verlangt. Kein einfaches „Was mache ich?“ mehr, sondern ein tiefgründiges „Was tue ich, dass ich es tue?“ wird verlangt. Das ist Selbstreflexion und nicht nur Schlussrundengedöns. Es beginnt immer bei mir.
Selbstreflexion mit der Handformel
Auch bei der erfolgreichen, weiteren Umsetzung ist ein ständiges Reflektieren der eigentliche Erfolgsfaktor des Transfergelingens. Es gibt viele Arten, zu reflektieren. Man kann es immer noch tiefer tun, das braucht es auch manchmal. Hie und da oder sehr oft reicht aber die „Handformel“. Diese wurde vom Wirtschaftswissenschaftler Lothar Seiwert entwickelt. Und die geht so: Jeder Finger an der Hand steht für eine Reflexionsfrage.
- Daumen = Denken = Was habe ich dazu gelernt?
- Zeigefinger = Zielerreichung = Wo bin ich meinen Zielen nähergekommen?
- Mittelfinger = Mentalität = Wie habe ich mich gefühlt?
- Ringfinger = Ratgeber = Wie habe ich anderen geholfen?
- Kleiner Finger = Körper = Was habe ich für mich getan?
Diese Methode eignet sich zum Beispiel, um einen Arbeitstag abzuschließen. Schließlich ist jeder Arbeitstag eine Möglichkeit, besser zu werden. Nach dem Motto: „Ich habe heute alles gegeben, und ich weiß, dass ich morgen besser kann, weil ich etwas dazu gelernt habe.“ Das gleiche gilt auch bei Reorganisation, Umstrukturierungen, Neuausrichtigungen. Selbstverständlich ist wichtig, dass die anderen auch mitziehen und das die vor- und nachgelagerten Prozesse stimmen. Und trotzdem: Es beginnt immer bei mir. Was kann meine Abteilung dazu beitragen, damit dieses oder jenes passiert, sich dieses oder jenes verändert?
Die große Wirkung ungeschriebener Gesetze
So landen wir gleich beim nächsten Erfolgsfaktor gelungener Reorganisationen: der Vorbildfunktion. Nichts ist so wirksam, wie ein gutes Vorbild. Das kennen alle, die in der Führung tätig sind. Wer Pünktlichkeit an Meetings verlangt, hat es bedeutend einfacher, diese durchzusetzen, wenn er/sie tatsächlich auch immer pünktlich am Meeting erscheint und es – nota bene – auch pünktlich wieder abschließt. Dann ist es Teil einer vorgelebten Kultur und braucht irgendwann nicht mehr niedergeschrieben zu werden. Und weil ungeschriebene Gesetze häufig die größere Wirkung haben, als geschriebene, wären wir wieder am Punkt: Es beginnt immer bei mir.
Fazit
- Wer etwas verändern will, muss immer bei sich beginnen.
- Das kann eine Haltung oder eine Handlung sein.
- ICH bin Teil der Lösung – und war wohl auch Teil des Problems.
- Selbstreflexionsfragen (Handformel) stützen den Veränderungsprozess
- Vorbild sein – das schafft die eigentliche Kultur.