Indem sie die Handlungs- und Reaktionsfähigkeit in Zeiten des dynamischen Wandels nicht nur erhält, sondern maßgeblich steigert, empfiehlt sich Agilität insbesondere für die Herausforderungen der VUKA-Welt als methodischer Ansatz. Jedoch nicht für alle Projektformen stellt Agilität die optimale Lösung dar.
Damit die Auswahl eines erfolgversprechenden Piloten und das agile Vorhaben gelingen, sollten Unternehmen die Erfolgsfaktoren kennen und systematisch vorgehen.
IBM, Google und Spotify setzen agile Arbeitsweisen ein – und immer mehr Unternehmen interessieren sich für entsprechende Ansätze, die Schnelligkeit und Flexibilität versprechen. Denn agile Elemente und Methoden erlauben es, zeitnah auf Marktveränderungen zu reagieren und innovative, kundenzentrierte Lösungen zu entwickeln – innerhalb der definierten Prinzipien, die einen Rahmen für strukturierte und selbstorganisierte Arbeit schaffen.
Notwendig wird das durch die VUKA-Welt, die sich namentlich eben durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz auszeichnet. Der Wandel bringt Dynamik mit, Unternehmen sind gezwungen, sich zu verändern, Geschäftsmodelle anzupassen – und dabei vermehrt die Kundenwünsche in den Fokus zu nehmen. Agile Methoden können dabei helfen, in einem solchen Setting handlungsfähig zu bleiben, doch nicht immer sind sie die richtige Wahl. Unternehmen müssen sich darüber im Klaren sein, dass Agilität kein bloßes Tool oder ein einmal eingeführter Prozess ist, sondern ein Wertesystem, das fortan kontinuierlich gelebt und gepflegt werden muss. Es benötigt daher mehr als nur die Umsetzung einer Implementierung – sondern auch die Bereitschaft zu einem grundlegenden Kulturwandel im Unternehmen.
Agile Projektarbeit versus klassische Projektarbeit
Die meisten Projekte laufen in Unternehmen klassisch nach der Wasserfall-Methode ab: in einem geplanten Entwicklungsprozess, der feste Phasen und klare Ziele umfasst. Eine Anpassung an sich ändernde Anforderungen ist hier zumeist unnötig und wenn dann schwierig umzusetzen aufgrund der Starrheit des Verfahrens. Ein agiles Vorgehen setzt dagegen auf einen inkrementellen Ansatz mit sich wiederholenden Schritten. Das Projekt entwickelt sich Stück für Stück, bis es den Zielzustand erreicht, der durch den Kunden definiert ist. Veränderte Anforderungen können schnell und flexibel umgesetzt werden.
Das klassische Vorgehen bietet sich für Themen und Entwicklungen der Standardisierung an, etwa um Arbeitsschritte effektiver zu gestalten. Herrscht zu Projektbeginn aber Unklarheit über Zielzustand, Anforderungen sowie über den Umsetzungsweg liegt also ein komplexes Projekt vor, bietet sich ein agiler Ansatz an.
Ein agiler Ansatz legt den Fokus auf Selbstorganisation, regelmäßige Feedbackschleifen mit den Stakeholdern bzw. Kunden des Projekts und Netzwerkorientierung. Oft kommt die Methode Scrum zum Einsatz. Die Anwendung von Scrum beinhaltet eine neue Denkweise – sie besagt, dass Veränderungen konstant sind und zum Nutzen der Organisation eingesetzt werden können. Dazu gehört stets eine Kultur des Lernens und Ausprobierens. Fehler werden nicht „verteufelt“, sondern werden ganz im Gegenteil als wichtig erachtet, da sie den Prozess unterstützen und eine wichtige Informationsquelle darstellen. Zentral ist darüber hinaus die absolute Kundenzentriertheit.
Erfolgsfaktoren für agile Projekte
Agile Projekte können nur dann erfolgreich sein, wenn die Organisation diese neuen Ansätze zulässt und die Teams die Haltung dahinter verinnerlichen: Es ist wichtig, über die Projektarbeit hinweg an der agilen Denkweise und ihren Prinzipien festzuhalten.
Unternehmen, die sich für agiles Arbeiten interessieren, sollten sich zunächst einen Überblick über den Status Quo verschaffen. Dafür bietet sich eine Selbstanalyse, etwa eine Mitarbeiterbefragung oder ein Workshop an – am besten in Zusammenarbeit mit einem agilen Coach oder einem Scrum Master, der Arbeits- und Vorgehensweisen, Prozesse und Strukturen reflektiert, um mögliche Potenziale für die agile Arbeit zu definieren und später auch die Umsetzung begleitet.
Stolpersteine liegen oft in der Haltung der Mitarbeiter, aber auch in Kommunikations- und Entscheidungswegen. Auch die Führung muss mit im Boot sein, denn Veränderungen ihres Stils werden notwendig – agile Teams arbeiten eigenständig und sind ermächtigt, eigene Entscheidungen zu treffen sowie dafür die Ergebnisverantwortung zu tragen. Dafür sind Freiheiten und Grenzen von Teamentscheidungen zu definieren. Wichtig ist auch die Besetzung der Teams, um alle notwendigen Kompetenzen abzudecken. Oft sind sie crossfunktional mit Personen mit T-Profil besetzt, also Experten mit breitem Fachwissen sowie Interessen außerhalb ihres Gebietes. Wichtig ist außerdem, dass die Teammitglieder möglichst 100 Prozent ihrer Kapazitäten im agilen Projekt einsetzen – Splitterkapazitäten sorgen für Unruhe, hohe Rüstzeiten und ungerecht verteilte Arbeitslast.
Agilität beginnt stets im Kleinen mit einem Pilotprojekt, um die Ansätze zu testen und aus der Praxis zu lernen. Vor dem Beginn werden alle Beteiligten – Projektteam und Führungskräfte – professionell geschult.
Agiles Arbeiten mit Scrum
Zu Projektbeginn ist eine gemeinsame Vision wichtig, die Orientierung gibt – wo soll es für das Unternehmen mit Blick auf das Thema Agilität hingehen? Was ist das Ziel? Daneben benötigt das Team das Zielbild für die Projektarbeit, das aus Kundensicht formuliert wird. In der Praxis werden Kollaborations- und Kommunikationstools eingesetzt, auch ein gemeinsamer Raum hat sich bewährt.
Scrum arbeitet mit Events, um das Produkt in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, anzupassen und Transparenz zu schaffen. Wichtig ist hier ein stetes Tempo: Sprintzyklen und Termine bleiben gleich. So erfolgt die Planung in regelmäßigen Anpassungszyklen, den Sprints, mit dem Scrum-Team und den Stakeholdern.
Zu Beginn des Sprints werden Ziel und Aufgaben festgelegt. Im Daily Scrum bzw. Daily Standup wird der Arbeitsstand täglich überprüft und angepasst. Das Kurzmeeting – 15 Minuten – findet täglich zur gleichen Zeit am gleichen Ort statt, gern im Stehen. Jedes Teammitglied beantwortet dabei festgelegte Fragen, etwa: Woran habe ich gestern gearbeitet? Woran arbeite ich heute? Was behindert meine Arbeit?
Im Sprint Review wird das Ergebnis mit den wichtigsten Stakeholdern besprochen und Anpassungen vorgenommen.
Nützliche Tools
Das Sprint Board ist ein zentrales Tool: Auf ihm werden das Ziel, die Aufgabenpakete und ihr Status sowie der Plan zur Umsetzung festgehalten – es kann digital abgebildet werden oder als Metaplantafel mit Haftnotizen. Inhalte der Aufgaben und Verantwortliche werden benannt, ihre Komplexität und Bearbeitungszeit. Klassischerweise erfolgt die Visualisierung mit drei Spalten – zu erledigen, in Bearbeitung und erledigt. Das Sprint Board wird im Daily Standup gemeinsam betrachtet, aktuelle Änderungen werden besprochen und Aufgaben je nach Status verschoben oder priorisiert.
Der letzte Schritt ist die Sprint Retrospektive, in der das Team die Zusammenarbeit reflektiert und Verbesserungsmaßnahmen plant. Das Team priorisiert die Ideen für eine bessere Kollaboration und leitet daraus Maßnahmen ab. Sie können in einem Plan festgehalten werden – samt der nächsten Schritte, den Verantwortlichkeiten und dem Zeitrahmen. Der nächste Sprint beginnt dann wieder mit der Sprintplanung.
Die Zeit danach
Vor dem Ende des agilen Projekts sollte entschieden werden, wie es weitergeht: Kehren die Teammitglieder in ihre Linientätigkeiten zurück, entwickeln sie in einem neuen Team weiter oder begleiten sie neue agile Projekte? Die Lessons Learned des Piloten für die gesamte Organisation werden formuliert. Unternehmen sollten hier auch ihre strategische Vision hinterfragen, um zu entscheiden, ob der avisierte Weg noch derselbe ist.
Agile Transformation braucht Zeit, um sich vom Alten zu lösen und sich auf das Neue einzulassen. Daher sollte im Vorfeld eine Erfassung des Status Quo erfolgen bevor mit einer Schulung der Belegschaft begonnen wird und passende Projekte ausgewählt werden, um agile Methoden zu pilotieren.
Fazit
Die VUKA-Welt mit Digitalisierung und rasantem Wandel setzt Unternehmen unter Druck, schneller und flexibler zu handeln und sich und die eigenen Geschäftsmodelle stärker an den Kundenbedürfnissen auszurichten. Agile Methoden können helfen, handlungs- und wettbewerbsfähig zu bleiben – vorausgesetzt, sie werden strukturiert und zielgenau implementiert.
Claudia Gruhn M.A., Managerin Consulting und Transformation, PROTEMA Unternehmensberatung GmbH
www.protema.de