Was fast Jahrzehnte der Erfolgsgarant für moderne Unternehmen war, wird zunehmend zum Buzzword: Agilität oder agiles Arbeiten. Woher dieser Abgesang kommt und warum wir uns in der agilen Transformation noch nicht einmal vom Bodensatz entfernt haben, soll dieser Artikel aufklären. Und warum es dennoch keinen Weg zurück geben kann.
Was ist eigentlich agiles Arbeiten?
Agilität steht für Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und wirksame Kundenbeziehungen. Nicht mehr und nicht weniger. Dabei geht es darum, Unternehmenswelten zu schaffen, die der wachsenden Komplexität etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen haben. Und nur im Komplexen. Denn Agil bedeutet: Hypothese – Ausprobieren – Validieren und Iterieren. Und uneingeschränkte Flexibilität der gesamten Organisation.
Dafür bietet das agile Universum ein Set an Tools und Methoden an, welches einzig und allein den Zweck verfolgen soll, dringend benötigte Kommunikationsstrukturen aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Innerhalb des Unternehmens, zu Netzwerkpartnern und insbesondere zum wichtigsten Faktor: Der zahlenden Kundschaft, die den Wirtschaftserfolg erst möglich macht.
Woher kommt der Abgesang auf agile Arbeitsweisen?
Wird agiles Arbeiten in Organisationen eingeführt, sind meist wirtschaftliche Erwägungen, oftmals resultierend aus dem Unvermögen, wirksame Lösungen zu finden, der Grund dafür. Meist geht es darum, schneller, effizienter und ergebnisreicher zu sein.
Dem gegenüber stehen Glaubenssätze und Überzeugungen, die den wahren Geist der Agilität untergraben wollen.
Glaubenssatz Nummer 1: Noch ein Tool wird uns schon retten.
Das Angebot agiler Tools, Methoden und Frameworks wächst stetig. Und alle versprechen das gleiche: Verbesserung der Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens und mit dem Kunden; kürzere und effizientere Kommunikationswege; Erhöhung der Flexibilität.
Und da eine einzige Methode keinen wirklichen Mehrwert dahingehend zu schaffen scheint und nichts oder nicht viel bewirkt, bleibt es nicht bei dieser. Wo man hinschaut werden mehr und mehr Tools ergänzend, oder schlimmer noch kannibalisierend, eingesetzt. Nach dem Motto: „Viel hilft viel“
Das Ergebnis: Ticketfluten statt Kommunikation; uneindeutige Prioritäten; Überforderung.
Glaubenssatz Nummer 2: Agilität ist führungslose Kompetenz
Dass Agilität ohne Führung auskommt, ist ein vielverbreiteter Irrtum. Gerade agile Teams brauchen Orientierung. Also werden Rollen ausgebildet, die die traditionelle Führungskraft ablösen sollen. Und davon darf es auch nicht wenige geben.
Diese sind dann wiederum in der Organisation neben ihrer agilen Rolle zusätzlich operativ tätig. Was nicht selten zu konfliktären Verantwortlichkeiten führt.
Hinzu kommt, dass agile Rollen, wenn überhaupt, nur rudimentär ausgebildet werden. Es fehlt an Zeit, Erfahrungen und notwendigen Kompetenzen.
Glaubenssatz Nummer 3: Agilität braucht moderne Büroflächen
Open Space, Flex-Work, Innovation Hub oder Kickertisch. Agiles Arbeiten kommt nicht ohne Veränderung der Arbeitsflächen einher. Diese sind dazu gedacht, für Teams Kommunikationsräume zu schaffen. Und nicht dazu, Mitarbeiter:innen den Weg zurück ins Büro reizvoller zu gestalten.
Was viel wichtiger ist, ist zu verstehen, dass es um den gemeinsamen Austausch geht. Um die Schaffung von Lösungen im komplexen Raum. Dafür braucht es in erster Linie Kommunikation.
Keine Lust auf noch mehr Agilität
Was daraus resultiert: Die Motivation agil zu arbeiten sinkt. Deutlich. Da der Mehrwert nicht klar wird. Und die Erfolge ausbleiben. Denn Agilität der Agilität wegen zu nutzen und alles nur erdenklich einzuführen hat bislang zu keiner Erleichterung geführt. Im Gegenteil.
Ãœber die Notwendigkeit der agilen Transformation
Dass die deutsche Wirtschaft unter massivem Druck steht, ist unbestritten. Auf Hilfe einer angeschlagenen Bundesregierung oder eine Konjunkturwende zu hoffen wird nicht der Rettungsanker sein. Unternehmen müssen aus eigener Kraft Lösungen entwickeln, um den Herausforderungen aus Digitalisierung, Fachkräftemangel und Reglementierung begegnen zu können.
Agiles Arbeiten ist der einzige, uns aktuell bekannte Weg, der entsprechende Lösungsszenarien ermöglicht.
Wie kann der Weg in die Agilität geschafft werden?
Das ein Agilitäts-Change kein leichtes Unterfangen ist, haben wir inzwischen alle am eigenen Leib zu spüren bekommen. Genauso, wie die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um den schnellen und radikalen Wandel handelt, der unmittelbar alle Wehwehchen heilen kann. Die Frage ist nur, wie kann es gelingen?
1. Schaffung einer Kommunikations- anstelle einer Tool-Kultur
Das Maß aller Dinge im Agilen ist Kommunikation. Und die findet nun mal auf Augenhöhe statt. Menschen müssen in den gemeinsamen Austausch investieren, um schnelle und möglichst einfache Lösungen zu schaffen.
2. Empowerment von Rollenbildern
Egal ob SCRUM-Master oder agile Coach. Die Rollen verlangen nach Kompetenz und Erfahrung. Dafür braucht es Zeit und Unterstützung. Wieder ein Faktor, bei dem Kommunikation unabdingbar ist.
3. Den Druck rausnehmen
Umsatz muss her, das ist Fakt. Aber Agilität als Umsatztreiber anzusehen und so zu leben, wird dem wahren Geist des agilen Denkens nicht gerecht. Im Gegenteil: Fokus auf Kundenzentrierung und einfachen Lösungen wird nicht unmittelbar zum wirtschaftlichen Erfolg führen, sondern erst im Nachgang. Und das geht nur im Austausch untereinander und mit den Kund:innen.
4. Den Menschen in den Mittelpunkt stellen
Der Mensch hat Schaffenskraft und Lösungsorientierung. Diese will gefördert werden. Und dazu braucht es zielführende Kommunikationsstrukturen, die dafür sorgen, dass Lösungen überhaupt entstehen können.
Fazit und Ausblick in die Zukunft
Auch wenn mancherorts der Eindruck entstanden ist, dass Agilität bereits wieder auf dem absteigenden Ast ist, wir kommen daran nicht mehr vorbei. Tatsache ist, dass agile Arbeitsweisen, New-Work oder ähnliche Ansätze derzeit als das einzige Mittel im Umgang mit Komplexität Wirkung zeigen können und werden. Zumindest so lange, bis wir etwas anderes gefunden haben.
Und weiterhin ist deutlich erkennbar, dass wir uns, in unserer Wirtschaftswelt, noch nicht einmal im Ansatz dem wahren agilen Geist genähert haben. Wir befinden uns vielmehr erst am Anfang. Und um diese und die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können, kommen wir nicht umhin, der Agilität in den Grundfesten nicht nur eine zweite Chance zu geben, sondern zunächst einmal die wesentlichen Eckpunkte zu verinnerlichen:
- Kommunikation untereinander, mit Kund:innen und Mitstreitern. Und bitte nicht toolgesteuert sondern in Echtzeit.
- Kundenzentrierung statt Kundenzufriedenheitsmanagement. Fokus auf dem Nutzer.
- Vertrauen und Verantwortlichkeit. Alle können einen Beitrag leisten und wollen dies auch.
Die Zukunft ist agil. Daran führt kein Weg vorbei.