Es wird aufgrund von Themen wie Cyber-Security, Datenschutz und neuen Software-Lösungen immer wichtiger, gute IT-Experten für sein Unternehmen zu gewinnen und langfristig an sich zu binden. Doch wie macht man sich für IT-Fachkräfte attraktiv und was muss man ihnen bieten, um sie im Unternehmen zu halten?
Recruiting-Experte Georg Soller unterstützt insbesondere mittelständische Unternehmen bei der Personalgewinnung von geeigneten IT-Fachkräften. Er ist sicher, dass das Ausbleiben von Bewerbungen unter anderem an der fehlenden Sichtbarkeit von Unternehmen liegt. In diesem Interview spricht er darüber, wie Unternehmen an ihre IT-Wunschkandidaten kommen und sich richtig am Markt positionieren.
Wie würden Sie die aktuelle Situation der Unternehmen und der IT-Fachkräfte beschreiben?
Georg Soller: Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass die Behauptung, es gäbe keine IT-Fachkräfte, so nicht stimmt. In der Tat gibt es viele sehr gut ausgebildete und kompetente ITler, die allerdings bereits eine feste Stelle haben. Daher sind sie nicht aktiv auf der Suche nach einer neuen Stelle, vielmehr bleiben sie in ihrem Job, bis sie wirklich eine Alternative haben und der neue Vertrag bereits unterschrieben ist.
Außerdem kennen gut ausgebildete IT-Fachkräfte ihren Marktwert und werden sich nicht unter diesem verkaufen. Daher gilt heutzutage, dass sich die Fachkräfte nicht bei Unternehmen bewerben, vielmehr bewerben sich Unternehmen bei Fachkräften. Deshalb müssen sich Betriebe kontinuierlich um Fachkräfte bemühen und für sie sichtbar werden.
Zudem läuft Recruiting immer und nicht nur dann, wenn eine Stelle frei ist – das kostet Geld: Der Recruiter will monatlich gezahlt werden und in den meisten Fällen muss ein ganz neuer Recruiting-Prozess aufgebaut werden. Damit sind Arbeitszeit und Kosten verbunden. Dessen sind sich aber nur die wenigsten Unternehmen wirklich bewusst. Auch um Fachkräfte am Verlassen des Unternehmens zu hindern, muss Geld in die Hand genommen werden. Fachkräfte, die ein Unternehmen halten kann, müssen nicht neu gewonnen und eingearbeitet werden – das ist also eine Investition, die sich wirklich auszahlt.
Wie bringt man die Fachkräfte also dazu zu wechseln?
Georg Soller: Viele IT-Fachkräfte sind im aktuellen Job unzufrieden. Diese Fachkräfte kann man zum Wechsel animieren, indem man ihnen genau das bietet, was sie beim alten Arbeitgeber nicht haben. Befragungen, warum IT-Fachkräfte unzufrieden sind und gerne das Unternehmen wechseln wollen, sagen Folgendes: Überstunden, mangelnde Wertschätzung und wenig Anerkennung von besonderen Leistungen gehören zu den häufigsten Beschwerden. Will man also das Interesse von IT-Fachkräften gewinnen, nimmt man zu genau diesen Punkten Stellung.
Und wie schaffen es Arbeitgeber, ihre eigenen IT-Fachkräfte langfristig an sich zu binden?
Georg Soller: Bereits unter Vertrag genommene Fachkräfte zu binden funktioniert nur über Mitarbeiterpflege. Denn Wertschätzung und Respekt gehören ganz selbstverständlich zu einer guten Atmosphäre am Arbeitsplatz. Das dürfen Unternehmen jedoch nicht nur mit einem Schulterklopfen bei der Weihnachtsfeier zeigen, es muss täglich im Umgang miteinander spürbar sein. Menschen verbringen täglich bis zu zehn Stunden mit ihrem Job, in heißen Phasen sogar mehr – da muss das Klima einfach stimmen. Außerdem muss klar sein, dass man sich im Team gegenseitig den Rücken freihält. Von Obst und Frühstückspause über freie Tage und flexible Urlaubsplanung bis hin zu einem individuellen Arbeitsplatz kommuniziert alles den Respekt innerhalb eines Unternehmens.
Mitarbeiter pflegen und weiterentwickeln bedeutet zudem, dass die berufliche Entwicklung im Unternehmen gemeinsam angegangen wird. Fortbildungen und Weiterentwicklungen sollten so organisiert sein, dass sie nicht nur dem Unternehmen nutzen. Fachkräfte sind dann zufrieden, wenn sie auch ihre persönlichen Ziele erreichen und das wiederum tut dem Unternehmen gut, denn zufriedene Mitarbeiter bleiben langfristig.
Sie haben die Sichtbarkeit von Unternehmen kurz angesprochen. Wie machen sich Unternehmen denn für qualifiziertes Fachpersonal sichtbar und interessant?
Georg Soller: Dafür müssen Fragen beantwortet werden wie: Wofür steht ein Unternehmen eigentlich? Geht es nur um die Gewinne für das nächste Quartal oder um die Kundschaft? Unternehmen sind dann erfolgreich, wenn sie als hervorragender Arbeitgeber gelten. Ein angenehmes Unternehmensklima, gute Umgangsformen und Teams, die sich bei der Arbeit gegenseitig unterstützen, darf man auch genau so darstellen.
Es reicht allerdings nicht aus, in Stellenausschreibungen die tolle Unternehmenskultur zu preisen und mit Tischkicker, Obstkorb und Ticket für das Fitnessstudio nebenan zu werben. Die Unternehmenskultur muss aktiv gelebt werden. Fachkräfte sind heutzutage hervorragend miteinander vernetzt: Wer sich für ein Unternehmen interessiert, stellt über die entsprechenden Netzwerke Kontakt zu Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen her. So werden Informationen aus erster Hand eingeholt. Eine klare Positionierung bedeutet in diesem Fall, dass aktiv Mitarbeiterpflege betrieben wird – von Anfang an und konsequent.
Wie würden Sie den Prozess der Rekrutierung beschreiben?
Georg Soller: Das Wort Prozess beschreibt es sehr gut. Denn Rekrutierung findet nicht punktuell dann statt, wenn gerade ein Arbeitnehmer gekündigt hat. Der Aufbau eines tollen Teams ist vielmehr ein kontinuierlicher Prozess, in dem auch Recruiter eine wichtige Rolle spielen. Zu diesem Prozess kann beispielsweise der Aufbau einer Karriereseite gehören, das komplette Umstellen des Bewerbungsprozesses oder das Erstellen eines Skriptes mit dem Betrieb. Unternehmen müssen verstehen, dass Projekte und Arbeitsaufträge kommen und gehen – im Idealfall bleiben die Fachkräfte. Trotzdem muss hier und dort immer wieder etwas überarbeitet werden – es ist also ein dauerhaftes Anpassen vonseiten des Unternehmens.