IT-Spezialist:innen sind aktuell gefragter denn je. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom gab es Ende 2020 rund 86.000 unbesetzte Stellen für IT-ler:innen. Diese Zahlen sind alarmierend. Und sie machen deutlich: der Fachkräftemangel ist gerade in dieser Branche besonders hoch.
Doch was hilft wirklich dagegen und welche Fehler gilt es bei der Suche nach passenden IT-Talenten zu vermeiden? Marc Irmisch-Petit, CEO der Networking-Plattform talentbay, klärt in seinem Gastbeitrag auf.
Deutschland belegt in diesem Jahr den vorletzten Platz im europäischen Digital-Ranking. Erschreckend, oder? Auch die Corona-Krise hat die Defizite in Sachen Digitalisierung noch einmal deutlich gemacht. Dabei sind Technologien inzwischen fester Bestandteil aller Wirtschaftszweige. Die Folge: jeder sucht händeringend nach IT-Spezialist:innen. Der deutschlandweite Fachkräftemangel macht vielen Unternehmen jedoch einen Strich durch die Rechnung. Doch wieso kommt es überhaupt so weit? Die Recruiting-Probleme sind zum Großteil hausgemacht – egal ob Konzern, Mittelständler, Digitalagentur oder Unternehmensberatung.
Drei Fehler sind hier kennzeichnend:
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Zu späte Ansprache
Die Unternehmen haben lange Zeit versäumt, sich frühzeitig mit den High Potentials zu vernetzen. Noch viel zu häufig erfolgt die Personalsuche erst dann, wenn der Bedarf wirklich akut ist. In Branchen, in denen ausreichend Bewerber:innen vorhanden sind, mag das durchaus effektiv sein. Im IT-Bereich ist das nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Denn im Durchschnitt dauert es aktuell knapp sechs Monate, eine offene IT-Stelle zu besetzen. Und trotzdem wird immer noch an den alten Recruitingprozessen festgehalten, anstatt frühzeitig ein Netzwerk an potenziellen neuen Mitarbeiter:innen aufzubauen.
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Die falschen Ansprechpartner:innen
Der IT-Stellenmarkt ist so spezialisiert, wie kaum ein anderer. Infrastruktur-Architekt, Java-Entwickler, SAP-Consultant: die wenigsten können sich hierunter etwas vorstellen. Und auch die Personaler:innen stoßen bei den notwendigen Qualifikationen der Bewerber:innen an ihre fachlichen Grenzen. Viele scheitern spätestens an den Detailfragen der Bewerber:innen zu den Prozessen, Methoden und Tools. Kaum verwunderlich, dass die jungen IT-ler:innen sich da nicht ernst genommen fühlen. Doch der erste Eindruck ist eben immer noch entscheidend.
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Die falschen Werkzeuge
Stellenanzeigen, Karrieremessen und Headhunter – all das kostet Geld und ist häufig auch noch ineffizient. Warum? Alle setzen auf die gleichen Tools, keiner hebt sich wirklich vom Einheitsbrei ab. Wechseln wir kurz die Perspektive: Was erwarten IT-ler:innen überhaupt von ihrem Arbeitgeber? Laut einer weltweiten Umfrage von Stack Overflow beurteilt mehr als die Hälfte der IT-ler:innen potenzielle Arbeitgeber:innen anhand ihrer Technologien, Frameworks und Programmiersprachen. Gut für Unternehmen also, hier richtig aufgestellt zu sein. Vielen IT-lern ist es zudem wichtig, ihr künftiges Arbeitsumfeld schon vorab kennenzulernen. Mit herkömmlichen Methoden ist das kaum realisierbar.
Positiv formuliert bedeutet das für Unternehmen: Was den Recruiting-Zeitpunkt der IT-ler:innen betrifft, gilt: je früher desto besser. Im Idealfall erfolgt das Talentscouting hier schon vom ersten Semester an – mit dem Ziel, die Studierenden ebenso schnell wie langfristig an das Unternehmen zu binden. Blockchain, Kryptoverschlüsselung oder Embedded Hardware: kaum eine Personalerin/ein Personaler ist hier fachlich sattelfest. Doch genau das wünschen sich die jungen IT-Talents: Fachsimpeln mit Gleichgesinnten. Bei der Auswahl ihres potenziellen Arbeitgebers nehmen die IT-Fachkräfte nicht nur die Kolleg:innen, sondern auch die Vorgesetzten genauer unter die Lupe. Denn sie bevorzugen Unternehmen, die aufgeschlossen für neue Technologien sind. Um sich also im War for Talents gegen die Konkurrenz durchsetzen zu können, müssen sich die Unternehmen von Grund auf anders präsentieren. Direkter Kontakt mit der Fachabteilung sowie den künftigen Teamkolleg:innen und Vorgesetzten: so geht die Ansprache von IT-Talenten heute. Und ganz nebenbei zahlt sich das auch aus: häufig sind IT-ler:innen von einer hohen intrinsischen Motivation getrieben. Das Thema und die Spezialisierung erfolgt nämlich aufgrund einer Leidenschaft oder zumindest eines großen Interesses. Das bedeutet auch: haben sie ihr passendes Umfeld erst einmal gefunden, bleiben sie ihrem Arbeitgeber überdurchschnittlich lange treu.