Outsourcing-Projekte haben eine große Fallhöhe: Unternehmen erwarten schnelle Ergebnisse mit relativ wenig Aufwand. Der Teufel aber steckt im Detail, und scheinbare Nebensächlichkeiten können das Sourcing in Schieflage bringen.
In der Praxis zeigt sich: Wer neben den technischen und kaufmännischen Grundlagen sechs Regeln beherzigt, kann die meisten Projekt-Flops verhindern.
Regel 1: Sourcing-Scope vor Ausschreibung festlegen
Wenn die Entscheidung für ein Sourcing gefallen ist, muss es in der Regel schnell gehen – sehr schnell. „Erst mal“ eine Ausschreibung starten, bevor der Scope festgelegt ist und die Sourcing-Strategie bzw. der angestrebte Sourcing-Schnitt steht, ist ein Versäumnis, das unterm Strich viel Zeit kostet. Das geschieht öfter, als man denkt: So kommt es vor, dass Services ausgeschrieben werden, die längst nicht mehr benötigt werden, aber noch im Service-Katalog stehen. Oder es werden Services ausgeschrieben, die aufgrund bestehender Verträge noch gar nicht an einen neuen Provider vergeben werden können.
Es gilt also: Nach der Rasenmäher-Methode „das ganze Rechenzentrum“ oder „alle Workplace-Services“ auszuschreiben, funktioniert selten. An erster Stelle steht ein ausgereifter Sourcing-Schnitt. Nur auf dieser Basis lassen sich dann passgenaue Angebote einholen, die den tatsächlichen Bedarf des Unternehmens treffen. Ergo: Zunächst das gewünschte strategische Zielbild zurechtlegen, und erst dann eine Service-Ausschreibung am Markt platzieren.
Regel 2: Sinnvolle organisatorische Einordnung des Projekts
Wer eine Ausschreibung von IT-Leistungen von Fachfremden durchführen lässt, darf sich nicht wundern, wenn die Leistungen später nicht den Anforderungen entsprechen. Konkret heißt das: Ein Sourcing-Projekt für IT-Infrastruktur muss im Providermanagement und/oder im IT-Betrieb angesiedelt werden. Der Hauptgrund dafür ist, dass die später im Betrieb für die Steuerung des Providers und der Anforderungen verantwortlichen Mitarbeiter und Unternehmenseinheiten sich entsprechend im Projekt engagieren und dabei auch ihre einschlägigen Erfahrungen und Fachkenntnisse einbringen (können). Wenn Projektverantwortliche im Rahmen eines Ausschreibungsprojektes Services quasi für Dritte beschaffen und verhandeln, sind Mängel vorprogrammiert. Fehler und Versäumnisse im Projekt müssen im späteren Betrieb andere „ausbaden“.
Regel 3: Projektleiter mit Fachkenntnissen auswählen
Ein Buchhalter als PR-Leiter? Vermutlich keine gute Idee. Ähnliches geschieht aber immer wieder in Sourcing-Projekten. Wenn der Projektleiter keine Erfahrungen mit Auslagerungen, Ausschreibungsverfahren respektive den auszulagernden Services mitbringt, werden fachliche Abstimmungen in der täglichen Projektarbeit sehr aufwendig. Ein Sourcing-erfahrener Projektleiter, der mindestens über grundsätzliche Kenntnisse der auszuschreibenden Services verfügt, kann Sachverhalte im Projekt sehr viel besser verstehen und einordnen und auf dieser Basis geeignete Maßnahmen ergreifen, um effizient und effektiv mit allen Beteiligten im Projekt zusammenzuarbeiten. Auch wenn – idealerweise – der für die Ausschreibung engagierte Sourcing-Berater die Projektleitung übernimmt, ist ein fachlich qualifizierter und erfahrener Entscheider als interner Auftraggeber bzw. Stakeholder des Projekts unerlässlich, um im Tagesgeschehen Sachverhalte und Vorgehen agiler besprechen und freigeben zu können.
Regel 4: Realistische Zeitplanung sichert gute Angebote
Hektik führt zu Zeitverlust, nicht -gewinn! Das gilt nicht nur für Regel 1, sondern auch für die Anforderungsaufnahme. Wer die Zeit bis zum Ausschreibungsversand verkürzt, indem die Anforderungen des Unternehmens nur „auf hoher Flughöhe“ erfasst und abgestimmt werden, produziert zwangsläufig Missverständnisse und offene Fragen. Die Konsequenz: Die Angebotspreise zum Request for Proposal (RFP) sind nicht belastbar, da in der nachfolgenden Due Diligence durch die Präzisierung der Anforderungen zusätzliche Betriebsleistungen angefordert werden, so dass vollständige Angebotspreise im schlechtesten Fall erst nach dem finalen Angebot (BAFO) vergleichbar werden. Ergo: Je präziser die Anforderungen in den Servicebeschreibungen im Vorhinein definiert sind, desto belastbarer sind bereits die ersten Angebote der Anbieter und desto passgenauer gelingt die Auswahl der Anbieter für die Due Diligence.
Regel 5: Ressourcen für organisatorische Tätigkeiten nicht unterschätzen
Ein Sourcing-Projekt braucht ein leistungsfähiges Project Management Office (PMO). Wer glaubt, die rein organisatorischen Arbeiten dem involvierten Sourcing-Berater zusätzlich aufbürden zu können, vergeudet wertvolle Arbeitszeit. Denn das schmälert zwangsläufig das Zeitbudget für die Tätigkeiten, bei denen Fachwissen und spezifische Sourcing-Erfahrung gefragt ist – zum Beispiel die Aufnahme und Abstimmung von Anforderungen und die Erstellung der Angebotsdokumente. Spätestens in der Auswertung der RFP-Angebote und der Vorbereitung der Due-Diligence-Verhandlungen rächt sich das durch Kompromisse bei der Qualität oder durch steigende Kosten. Und am Ende steht die Erkenntnis, dass das Auslagerungsprojekt mit PMO strukturierter und effizienter verlaufen wäre. Noch besser läuft es, wenn auch das PMO über Erfahrungen in Auslagerungs- und Ausschreibungsprojekten verfügt.
Regel 6: Ressourcen im Betrieb für Mitwirkung der Fachabteilung einplanen
Auch der beste Sourcing-Berater kann dem Kunden nicht alles abnehmen! So kann ein Berater zwar Ausschreibungsunterlagen vorbereiten – die darin enthaltenen Anforderungen müssen jedoch mit dem Kunden abgestimmt und die finalen Dokumente von ihm freigegeben werden. Diese Abstimmung von Anforderungen und Dokumenten ist eine der wichtigsten Aufgaben im Ausschreibungsprojekt und kann je nach Anzahl der Services nicht zu vernachlässigende Aufwände auf der Fachseite erzeugen – meist bei Spezialisten, die im täglichen Betrieb ohnehin genug zu tun haben.
Auch die Teilnahme an Workshops in der Due Diligence, meist mit mehreren Anbietern, sowie die Bewertung der Angebote und der Anbieter in der Due Diligence sollte vom Kunden mitgetragen werden. Hier bringt der Sourcing-Berater seine Methodik, Erfahrung und Moderation mit ein. Am Ende muss aber der Kunde hinter der Entscheidung für einen Anbieter stehen und diese auch mittragen. Die erforderlichen Betriebsspezialisten müssen daher entweder im Betrieb entlastet werden, oder für das Auslagerungsvorhaben muss entsprechend mehr Zeit eingeplant werden. Also: vorwarnen, einplanen, reservieren!
Ulrich Mauch, Senior Consultant, microfin Unternehmensberatung
www.microfin.de