Was machen Unternehmen, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert? Sie reagieren. Allerdings trennt sich genau an dieser Stelle die Spreu vom Weizen.
Denn eine Reaktion kann entweder adhoc erfolgen oder das Unternehmen ist bereits im Voraus so gut vorbereitet, dass selbst aus überraschenden Ereignissen ein Vorteil gezogen werden kann. Diese positive Art der Reaktion kann nur dann funktionieren, wenn sich die Führungsspitze auf die Daten ihrer Finanzabteilung und des Controllings verlassen können. Noch besser ist es, wenn das F&A in der Lage ist, aufgrund von verlässlichen Prozessen, weitreichender Automation oder dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz ein Accounting zu betreiben, das den Kapitänen als Kompass dient.
Spätestens seit dem querliegenden Frachter im Suezkanal, der COVID-19-Pandemie oder den kriegerischen Handlungen in Europa ist klar, dass es nicht so weitergehen kann. Unternehmen kommen ins Schlingern und kämpfen nicht nur mit den veränderten Umständen, etwa Handelsembargos oder der Verlagerung der Mitarbeiter ins Homeoffice. Sie haben vor allem Schwierigkeiten damit, auf Basis von belastbarem Zahlenmaterial gezielt aus der Situation herauszufinden und einen Kurs einzuschlagen, der dem Unternehmen eine Zukunftsperspektive bietet. Allerdings können einige Unternehmen schadlos oder gar gestärkt aus den Krisenszenarien hervorgehen. Ein Blick in Studienergebnisse lässt vermuten, was diese richtiger machen haben als andere.
Navigieren im Nebel
Zu den Fakten: 2020 sah sich, einer BlackLine-Studie zufolge, ein Drittel der Unternehmen (33 Prozent) aufgrund der COVID-19-Pandemie unter erhöhtem Druck, ein exaktes Abbild der Unternehmensleistung zu liefern. Gründe dafür waren mangelnde Agilität und eine hohe Fehlerquote durch noch mehr Druck in der Finanzorganisation. Zu viele Datenquellen, zu wenig Automatisierung im F&A und vor allem zu viel manuelle Prozesse taten ihr Übriges.
Heute, mit den Erfahrungen der letzten turbulenten Jahre, sind die Unternehmen alarmiert. In der jüngsten BlackLine-Studie, die Censuswide Ende 2023 in sieben Märkten (USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Australien und Singapur) durchgeführt hat, wurden die C-Level Führungskräfte und Finanzprofis erneut befragt. Rund 30 Prozent der Befragten sehen eine potenzielle Gefahr, dass erneut einschneidende Ereignisse eintreten werden. 34 Prozent rechnen beispielsweise mit dem Risiko einer globalen Finanzkrise, 36 Prozent mit einer großen Cyber-Crime-Krise, 25 Prozent mit einer Pandemie oder 33 Prozent mit weitreichenden geopolitischen Komplikationen. Man könnte annehmen, dass sie aus der Vergangenheit gelernt und ihre Prozesse im F&A neu aufgestellt haben, um in Zukunft besser für Unvorhersehbares gewappnet zu sein.
Kaum dazu gelernt
Doch trotz dieser Erkenntnisse und der verstrichenen Zeit, sind vergleichsweise wenig Unternehmen gut vorbereitet. Auf die Frage, ob sich die Unternehmen strategisch für diverse Krisenszenarien aufgestellt haben, fühlten sich im Falle einer Finanzkrise nur 22 Prozent gut gerüstet, für geopolitische Situationen nur 25 Prozent, für eine Pandemie 24 Prozent und für eine Cyber-Crime-Krise immerhin 35 Prozent.
Einer der Gründe ist in den Zahlen der Studien schnell ausgemacht: die nach wie vor ernüchternde Situation mit der Zuverlässigkeit von Finanzdaten. In der Studie im Jahr 2020 war weniger als ein Drittel (29 Prozent) der Befragten davon überzeugt, dass die Finanzdaten, die sie für Analysen und Prognosen heranziehen, akkurat sind. Die neue Studie von Ende 2023 zeigt, dass 37 Prozent international und 40 Prozent in Deutschland Befragten ihren eigenen Daten nicht vollständig vertrauen. Für die strategische Entscheidungsfindung in einer Zeit von teils desaströsen Ereignissen, ist dies keine gute Grundlage für das F&A und die Führungskräfte.
KI soll es richten?
Nun könnte man meinen, dass KI die Lösung aller Probleme ist. Immerhin wird diese spätestens seit dem öffentlichen Zugang zu ChatGPT in jeglicher Form heiß diskutiert – durchaus kontrovers, aber vielfach auch als Heilsbringer für alles und jeden. Gilt diese rosige Zukunft der KI auch für die Finanzorganisation und die Führung eines Unternehmens? Man ist indifferent: In Deutschland glauben 57 Prozent, dass generative KI und 55 Prozent, dass neue Arten von KI wichtig sind, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Umso erstaunlicher ist, dass nach wie vor die Abhängigkeit von manuellen und veralteten Prozessen, einschließlich der manuellen Datenerfassung, die anfällig für menschliche Fehler ist (22 Prozent in Deutschland) an der Tagesordnung sind.
Nach aktuellem Stand sind rund ein Drittel keine großen Förderer der KI im Finanzumfeld. Beispielsweise glauben in Deutschland 35 Prozent, dass KI nicht mit den Compliance-Regeln einher gehen wird und 32 Prozent bangen sogar um ihren Job durch den Einsatz von KI. Wenn es KI richten soll, sprechen die Studienergebnisse nicht dafür, dass es innerhalb kurzer Zeit passieren wird.
Durch KI können Unternehmen ihre Transaktionsfehler maßgeblich reduzieren, was wiederum zu erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen führt.
Ralph Weiss, BlackLine
Dank Finanz-Automation und KI in ruhigen Fahrwassern
Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen, dass noch viel Strecke zurückgelegt werden muss, bis die Finanzorganisation und das Management auf verlässliche Finanzdaten zurückgreifen können oder sogar zukunftsweisende Empfehlungen und Szenarien aus dem Finanzdepartment zu erwarten sind. Was könnten demnach die nächsten logischen Schritte sein? Möglichst umgehend sollte die Digitalisierung, konkret die Eliminierung von manuellen Prozessen im F&A vorangetrieben werden. Das hat mehrere Vorteile: Erstens senkt die Automation die Fehlerquote drastisch, so dass sich Finanzprofis und das Management auf die Finanzdaten verlassen können. Zweitens können Berichte wesentlich schneller und auch zwischen den Berichtsperioden angefertigt werden. Drittens haben die Finanzprofis die benötigten Ressourcen, um die Daten gewinnbringend zu analysieren und für Entscheidungen des Managements individuell an die Situation angepasst aufzubereiten.
Und was ist mit KI? Künstliche Intelligenz kann bereits heute entscheidend helfen. Ein Beispiel ist die Intercompany Predictive Guidance. Sie nutzt künstliche Intelligenz, um die Transaktionsdaten eines Unternehmens zu analysieren. Noch bevor die Transaktionen gebucht werden, sagt die KI voraus, wo mutmaßlich Probleme auftreten und Risiken für die Finanzabschlussprozesse und die Datengenauigkeit bestehen. Durch KI können Unternehmen ihre Transaktionsfehler maßgeblich reduzieren, was wiederum zu erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen führt.
Darüber hinaus ist es vorstellbar, dass die KI den Finanzprofis dabei hilft, große Datenpools aus den eigenen Quellen, vielleicht aber auch aus externen Quellen zusammenzuführen, um daraus Modelle zu generieren. Dieser Schritt ist für die meisten Unternehmen vermutlich noch weiter am Horizont als die Automatisierung. Doch selbst Christoph Columbus wusste nicht genau, was ihn hinter dem Horizont erwartet. Er hatte aber eine Vorstellung und schlug genau darauf seinen Kurs ein.