Interview

Technologisches Wettrüsten: Wie Google mit KI aufholen will

Gemini
Bildquelle: CKA /Shutterstock.com

Google feuert die nächste KI-Salve ab: Das Gemini-Modell soll Microsoft, Amazon & Co. ausstechen. Doch wie plant der Konzern die Monetarisierung? Der Kampf der Tech-Giganten spitzt sich zu. Ein Interview mit Dr. Thomas Thiele, Principal in der Innovation Practice bei Arthur D. Little.

Herr Thiele, Techriese Alphabet feierte auf seiner Entwicklerkonferenz die Entwicklungen rund um die Künstliche Intelligenz. Welche Neuigkeiten fanden Sie besonders spannend?

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Thomas Thiele: Die Vorstellung sämtlicher Produkte und Services war überschattet von den neuen Gemini Funktionen – allem voran die Erhöhung der sogenannten Tokensize auf 2 Millionen. Damit geht das Versprechen einher, für große Texte, aber auch Text und Videos bessere Ergebnisse zu generieren. Was „besser“ bedeutet, werden die Evaluationen der Modelle zeigen müssen, aber ich rechne mit einem noch genaueren Frage-Antwort Spiel, das mehr Kontext berücksichtigen und damit umfassender antworten kann. Speziell für „chatting with documents“ wird das einen deutlichen Sprung nach vorne bedeuten, da die Dokumentkollektionen Text, Audio und Video gleichermaßen nutzen und größer ausfallen können. Für die Implementierung smarter Assistenten in unseren Alltag waren die Vorstellung sicherlich ein Meilenstein. 

Alphabets Pläne rund um eigene Halbleiterinnovationen ließen aufhorchen. Mit höherer Effizienz will man Amazon und Microsoft im Cloudgeschäft Paroli leisten. Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten?

Thomas Thiele: Speziell der Verweis auf die Zusammenarbeit mit Nvidia scheint ein klarer Fingerzeig darauf zu sein, dass Alphabets „AI First“ Strategie nicht vor der Hardware Halt macht. Während andere Anbieter wie Microsoft oder Apple auch Eigenentwicklungen präsentieren und mit AMD liebäugeln, setzt Google Cloud expliziter auf den aktuellen Primus Nvidia.  

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Dieser ist bei Kund*innen bekannt und beliebt, zudem stimmen Leistungsversprechen und Kooperationswille von Nvidia im Hard- und Softwarestack. Google Cloud hat damit nun gute Chancen, speziell im vergleichsweise neuen KI Cloudmarkt Boden zu gewinnen. Wesentliche Voraussetzungen: Kompatibilität mit anderen Anbietern, ein einfacher Zugang und exklusive Verfügbarkeit der neuesten Nvidia Grafikkarten. Mit den eigenen Chipentwicklungen betont Alphabet ferner besonders den Aspekt Nachhaltigkeit. KI mischt im Ringen den Cloudgiganten einen neuen Wettstreit aus. 

OpenAI hat kurz vor der Konferenz seine neueste Version für Nutzer freigeschaltet. Bleibt das Unternehmen der große Rivale? Die Gerüchteküche um eine OpenAI Kooperation mit Apple hat kürzlich die Alphabet-Aktionäre aufgeschreckt. Wie will Alphabet den Konkurrenten übertrumpfen?

Thomas Thiele: Gemini wirbt mit seiner „truly multimodal“ Eigenschaft und der Breite des erfassten Kontextes. Letzteres ist auf dem Papier ein deutlicher Vorsprung. Wie sich das in der Realität ausnimmt, werden Anwendungen auf Basis des LLM zeigen. Die Demonstrationen in der Interaktion mit Videodaten (Q&A mit YouTube) und die Audio-Dialogfunktion machen jedoch Lust auf mehr. 

Offen bleibt die Schnelligkeit der Gemini Modelle. Der Release von OpenAI ca. 24h vor dem I/O Event zielte genau auf diese Fähigkeit ab. Schnelle Antworten der Modelle sorgen in der täglichen Nutzung für ein besonderes Benutzererlebnis und sind damit sicher ein Erfolgsfaktor. 

Bei der Entwicklerkonferenz von Microsoft stand aktuell der Quantensprung KI-Computer im Fokus. Es klang eher so, als wolle Microsoft im Hardwarebereich den Platzhirschen Apple angehen. Für Google könnten dies gute Nachrichten sein. 

Mit der Nutzung von KI könnte sich die Art und Weise der Suche im Netz verändern. Sehen Sie die Gefahr, dass Google seine eigene Cashcow, die Suche, kannibalisiert?

Thomas Thiele: Auf der I/O wurde deutlich, dass sich die klassische Google Suche verändern wird. KI wird helfen, die Suche nach den richtigen Begriffen für die richtigen Hits radikal zu vereinfachen. Damit wandelt sich die Suche zur Interaktion mit Daten statt Suche nach Daten. In Zukunft wird nicht mehr gelten „ich passe mich der Suche an“, sondern „ich passe die Daten meinen Bedürfnissen an“. Google hat mit den grundsätzlichen Suchservices und den damit verbundenen Daten weiterhin eine massive Plattform, seine Marktposition zu festigen

Welche Möglichkeiten der Monetarisierung wird KI dann für Google bringen?

Thomas Thiele: Die große Frage, die daraus folgt, ist, wie der zusätzliche Service dauerhaft finanziert werden wird. Denn das Training und die Verfügbarkeit von Gemini wird die einzelne Suche eher teurer als günstiger machen. Daraus folgen zwei Optionen: Entweder wird Google demnächst zwei Arten von Suchen als free und paid services anbieten, wobei letzteres ein deutliches Akzeptanzrisiko birgt. Oder es muss eine Gegenfinanzierung im Anzeigengeschäft erfolgen – ob das gelingt, bleibt die entscheidende Frage für den Konzern. Premium Anzeigen könnten dann beispielsweise in die Zusammenfassungen der Google Suche integriert werden. Sicherlich wird ein Diskussionspunkt sein, wie das mit dem AI Act vereinbar ist, der subtile Verhaltensbeeinflussung untersagt.

Wird man versuchen, die Lösungen noch stärker im industriellen Bereich an den Start zu bringen? 

Thomas Thiele: Dies ist in der Tat eines der größten Entwicklungsfelder für die Google Cloudprodukte. Fragen zu Generativer KI und die Wahl des richtigen LLM für die richtige Anwendung sind in industriellen Anwendungen noch unbeantwortet. Mit der richtigen Strategie kann Google hier Fuß fassen. Ankerpunkte dafür sind die Integrationsfähigkeit von Gemini in bestehende Architekturen und der Schutz sensibler Daten. 

Speziell im Automotive Bereich hat die Android-Plattform schon die eine oder andere Tür geöffnet. Damit ist die Integration von Gemini zumindest für Endkunden greifbar. Für Industriekunden braucht es einen ähnlichen medialen Achtungserfolg, da es hierbei nicht nur um die technische Leistungsfähigkeit, sondern auch um Vertrauen und Branchenverständnis geht. Hier liegen Konkurrenten in Teilen vorne.

Dr. Thomas Thiele

Dr. Thomas

Thiele

Principal in der Innovation Practice

Arthur D. Little

Dr. Thomas Thiele ist verantwortlich für das AI Competence Center in Zentraleuropa. Zu seinen Haupttätigkeitsbereichen gehören Projekte zur digitalen Transformation, die Strategie und Umsetzung kombinieren, sowie Machine Learning und KI in „real-world“-Anwendungen.
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