Wie revolutionieren KI-Teams die Arbeitswelt? Thomas Thiele, KI-Experte bei Arthur D. Little, erklärt im Interview, warum künstliche Intelligenzen künftig im Team arbeiten werden und welche Chancen sich daraus für Unternehmen ergeben.
Können KI-Teams die Zukunft der Zusammenarbeit revolutionieren? Diese Frage rückt anlässlich des Vormarsches der KI immer stärker in den Fokus. Neue Entwicklungen muten an, dass KI-basierte Systeme zunehmend komplexe Aufgaben übernehmen könnten, die bisher nur von menschlichen Teams bewältigt wurden. Während einfache Aufgaben bereits heute durch KI gelöst werden, stellt sich die Frage, ob KI-Teams bald genauso effizient – gar besser zusammenarbeiten können als Menschen?
Aktuelle Entwicklungen, wie das Beispiel von MetaGPT, zeigen, dass KI-Systeme durch den Einsatz von großen Sprachmodellen in der Lage sind, spezialisierte Rollen zu übernehmen und strukturiert zusammenzuarbeiten. Diese Technologie könnte die Art und Weise, wie Unternehmen Probleme angehen, grundlegend verändern. Doch kann diese Form der intelligenten Zusammenarbeit menschliche Teams tatsächlich ersetzen, oder entstehen durch diese Synergien ganz neue Möglichkeiten, die das Potenzial menschlicher Teams erweitern? Thomas Thiele, KI-Experte bei Arthur D. Little, klärt auf.
Mit Blick auf Entwicklungen wie MetaGPT: Wie realistisch ist es Ihrer Meinung nach, dass KI-Teams in naher Zukunft komplexe Aufgaben übernehmen, die bisher nur von menschlichen Teams bewältigt wurden?
Thomas Thiele: MetaGPT orchestriert unterschiedliche Künstliche Intelligenzen als Agenten, sodass diese an der Erreichung eines gemeinsamen Ziels arbeiten. In Verbindung mit Large-Language Modellen (LLMs) entsteht ein Chat-basiertes Multiagenten-System, in dem spezialisierten Künstlichen Intelligenzen Rollen zugewiesen werden und diese gemeinsam Probleme lösen – die KI wird also teamfähig. Das ist letztlich der Schlüssel dazu, immer komplexere Aufgaben zu lösen.
Erste Beispiele zeigen Softwareentwicklung „auf Knopfdruck“, bei dem unterschiedliche Künstliche Intelligenzen beispielsweise in den Rollen Produktmanager, Architekt, Projektmanager und Ingenieur miteinander interagieren. Die Ergebnisse sind überraschend zuverlässig mit Blick auf die sonst typischen LLM-Phänomene wie Halluzination oder die Tendenz, ungesicherte Informationen als Fakten darzustellen. Im Falle der KI Teams basieren die Ergebnisse auf klar definierten Parametern, sodass die Resultate an Zuverlässigkeit gewinnen.
Das Grundprinzip ist dabei übertragbar – überall dort, wo es klare Prozesse gibt, gelingt es Künstlicher Intelligenz ein neues Feld zu erobern.
Welche Arten von Aufgaben oder Projekten eignen sich besonders gut für die Bearbeitung durch KI-Teams, und wo sehen Sie die Grenzen dieser Technologie?
Thomas Thiele: MetaGPT basiert auf dem sogenannten Fließbandparadigma, bei dem komplexe Aufgaben in Teilschritte zerlegt werden. Das setzt voraus, dass die benötigten Teilschritte bekannt sind und klare Rollen existieren, die dieses Problem lösen. Überall, wo diese Voraussetzungen gegeben sind, ist eine hohe Wirkung von MetaGPT zu erwarten. Im Gegenzug sind unstrukturierte Probleme schwieriger in dieses Schema zu überführen. Überall dort, wo Lösungen sich nicht nach definierten Schemata entwickeln lassen, liegt eine klare Grenze.
Damit geht einher, dass MetaGPT klar definierte Aufgabenstellungen und Prozesse benötigt, um eine wirkungsvolle Interaktion der Agenten zu ermöglichen. Wir reden also nicht von einem generisch einsetzbaren KI Team, das beliebige Problem löst. Vielmehr ist die Anpassung und Spezialisierung der Agenten auf das jeweilige Problem anhand definierter Standard Operating Procedures notwendig.
Neben der Softwareentwicklung bieten sich daher Anwendungen in verwandten Disziplinen wie beispielsweise Data Science an. Weiterhin werden auch mehrstufige Prozesse durch KI lösbar, z.B. im Produktmanagement, etwa durch die Erstellung von Marktanalysen oder typische Projektmanagement-Aufgaben wie die Organisation und die Verfolgung von Aufgaben potenzielle Einsatzfelder von MetaGPT sein. Darüber hinaus sind Aufgaben im Kundendienst oder Support möglich, bei denen ein Modell nicht nur den Kundendienstmitarbeitenden unterstützt, sondern vielmehr ein agentisches System Antworten auf Fragen mit Antworten von Agenten aus 1st, 2nd und 3rd level support reagiert.
Inwiefern könnte die Zusammenarbeit von KI-Systemen in spezialisierten Rollen die Effizienz und Produktivität in Unternehmen steigern?
Thomas Thiele: Durch diese Art von Systemen die Verfügbarkeit von Fachwissen massiv vergrößert, dadurch dass spezialisierte Agenten mit oftmals vorhandenen Wissensdatenbanken interagieren und dort hinterlegte Informationen aus einer Expertenperspektive analysieren können.
Ein weiterer Vorteil ist die Verfügbarkeit der Systeme: Die KI schläft nicht. Bis auf Wartungsintervalle kann die KI 24/7 verwendet werden, was die Lösung komplexer Aufgaben von typischen „Office Hours“ entkoppeln kann, dadurch dass diese Aufgaben an KI Teams teilweise ausgelagert werden können.
Ein dritter Handlungsstrang ist die Simulation bisher nicht simulierbarer Szenarien durch das MetaGPT Agententeam. So ist denkbar, Interaktionen (menschlicher) Gruppen, kreative Tätigkeiten oder Entwicklungsprozessen ganzheitlich zu simulieren – statt aktuell lediglich Teilaspekte.
Wie verändert sich die Rolle menschlicher Teammitglieder, wenn KI-Systeme zunehmend komplexe Aufgaben übernehmen? Welche neuen Kompetenzen werden wichtig?
Thomas Thiele: MetaGPT und „KI-Teams“ sind – analog zu uns Menschen – nicht frei von Fehlern, es handelt sich um probabilistische Verfahren und nicht statische Automatisierung. Was auf der einen Seite ein Vorteil in der Ergebnisqualität ist, führt auf der anderen Seite dazu, dass solche Systeme in ihrem aktuellen Zustand nur begrenzt autonom agieren können. Menschlichen Teammitgliedern kommt daher die Rolle zu, Überwachung und Validierung der Ergebnisse von MetaGPT sicherzustellen.
Der Mensch wird seine Stärken weiterhin bei der Lösung unstrukturierter Probleme ausspielen, die der KI wenigstens aktuell nicht zugänglich sind. Der „kreative Funken“ bleibt damit vorerst in der Hand des Menschen.
Welche ethischen Überlegungen müssen Unternehmen berücksichtigen, wenn sie den Einsatz von KI-Teams in Betracht ziehen?
Thomas Thiele: KI bleibt ein Werkzeug für Unternehmen, das trotz aller Fähigkeiten von Menschen bedient wird. Damit ist MetaGPT nicht als Ersatz für menschliche Teams zu begreifen, sondern als umfangreiche „Toolbox“, die menschliche Arbeit in vielen Bereichen verändern, aber nicht ersetzen wird.
Weitere zentrale Aspekte sind Sicherheit und Bias von KI Systemen (Anmerkung der Redaktion: Der Begriff Bias in der KI bezieht sich darauf, wenn ein KI-System systematisch unfaire, verzerrte oder diskriminierende Ergebnisse liefert. Ursache können die Daten sein, mit denen es trainiert wurde). Anwendungen müssen über geeignete Maßnahmen verfügen, um Diskriminierung, einseitige Entscheidungen und Datenschutz sicherzustellen.
Wie sehen Sie das Zusammenspiel zwischen menschlichen Teams und KI-Teams in der Zukunft? Werden wir eher eine Ersetzung oder eine Ergänzung erleben?
Thomas Thiele: Schon jetzt lässt sich beobachten, dass KI aus unserem Alltag kaum wegzudenken ist. Für Unternehmen folgen daraus zwei zentrale Aspekte. Zum einen ist die Integration als Teammitglied eine kulturelle Veränderung. Hierbei stehen weniger technische Herausforderungen im Vordergrund, vielmehr ist der Faktor Mensch zentral. Nur, wenn das neue Teammitglied auch akzeptiert wird, kann es seine Wirkung entfalten. Dies gilt für menschliche, KI- und hybride Teams gleichermaßen.
Unternehmen müssen daher Erfahrungen sammeln, welche Wirkung KI einerseits auf Prozesse und Ergebnisse erzeugt, andererseits die eigene Kultur und Identität bei der Nutzung von KI berücksichtigen. Eine klare Priorisierung kann helfen, die Prozesse zu identifizieren, die besonders von KI profitieren und in denen der Einsatz aufgrund der Mentalität der Mitarbeitenden die größte Wirkung entfaltet.
Herr Thiele, vielen Dank für das Gespräch!