Intelligenter Arbeitsplatz

KI ist immer nur so gut wie der Mensch, der sie bedient

Künstliche Intelligenz, KI, Arbeitsplatz

Seit der Veröffentlichung von ChatGPT hat sich Künstliche Intelligenz (KI) in der Finanzbranche zur Breitentechnologie entwickelt und revolutioniert dort Abläufe. Ein Einsatzgebiet sind intelligente Arbeitsplatzlösungen: Sie sind essenziell für eine zukunftsfähige Unternehmenswertschöpfung und tragen dazu bei, Kosten zu senken und Arbeitsabläufe zu optimieren.

Wie sich das auf die Beschäftigten auswirkt, wie Finanzdienstleister die Technologie für ihre Arbeitsplätze erschließen und wie Kunden davon profitieren, darüber sprechen Daniel Wagenknecht, Partner, und Juliane Kühne, Senior Managerin im Bereich Financial Services bei KPMG, im Interview.

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Erst die Cloud, jetzt KI – steht der Finanzbranche die nächste Transformation ins Haus?

Daniel Wagenknecht: Ich würde eher sagen: Banken, Versicherer und Kapitalverwaltungsgesellschaften hierzulande sind mittendrin in diesem Transformationsprozess. Denn KI ist prinzipiell nicht neu. Aber mit dem Durchbruch von Generativer Künstlicher Intelligenz (Generative Artificial Intelligence, GenAI) ergeben sich völlig neue Einsatzmöglichkeiten im Arbeitsalltag. Doch bei der Cloud-Nutzung besteht noch Nachholbedarf – und diese ist meist eine wichtige Voraussetzung, um agil und KI-unterstützt zu arbeiten. Denn verglichen mit anderen Sektoren hat die Finanzbranche lange Zeit sehr zurückhaltend auf die Cloud-Technologie reagiert, holt nun aber stark auf. Viele etablierte, große Institute nehmen erste Anwendungen in der Public Cloud in Betrieb und entwickeln die ersten KI-Use Cases.

Inwiefern ist Cloud eine Voraussetzung?

Wagenknecht: Um den intelligenten, KI-gestützten Arbeitsplatz zu etablieren, muss die Technologie irgendwo gehostet werden. Das kann man zwar prinzipiell in der eigenen IT-Umgebung machen, also On-Premise. Deutlich praktikabler ist jedoch, KI aus der Public Cloud zu beziehen. Denn Public-Cloud-Dienste bieten Skalierbarkeit, Flexibilität und passende KI-Services und sind so die Basis für eine Transformation der Arbeitsweise.

Was bringt der intelligente, KI-gestützte Arbeitsplatz?

Juliane Kühne: Die Integration von KI in den digitalen Arbeitsplatz ermöglicht es den Mitarbeitenden in Banken, Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften, repetitive manuelle Aufgaben künftig automatisiert zu erledigen sowie sogar neue Inhalte zu erschaffen. Das reduziert Aufwände und senkt Kosten. Gleichzeitig schafft ihr Einsatz neue Freiräume: Die Beschäftigten können sich künftig auf Wertschöpfung konzentrieren, besser auf die Kunden eingehen und Innovationen vorantreiben. Das kommt heute häufig noch zu kurz.

Ist es nicht wahrscheinlich, dass KI den Mensch ersetzt?

Kühne: Ich verstehe, dass viele Menschen Angst haben, dass die Technologie sie überflüssig macht. Ich bin aber überzeugt, dass der Arbeitsplatz der Zukunft ein enges Zusammenspiel aus Mensch und Maschine sein wird. KI ergänzt den Menschen, sie ersetzt ihn nicht. Es braucht einen „Human in the Loop“, denn KI ist immer nur so gut wie der Mensch, der sie bedient.

Wie sieht dieses Zusammenspiel konkret aus, wo kann KI entlasten?

Kühne: KI-Tools wie beispielsweise „Copilot“ bieten eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten. So können die Mitarbeiter E-Mails vorformulieren oder sich umfangreiche Präsentationen zusammenfassen lassen. Anstatt sich durch hundert Seiten lange Dokumente durcharbeiten zu müssen, arbeitet die KI für die Beschäftigten relevante Punkte übersichtlich heraus. Oder mit dem Blick auf Reportings: Wenn sich ein Finanzdienstleister auf Basis vorhandener Daten ein Reporting zu einem bestimmten Thema erstellen lassen will, passiert das bisher manuell: Die Mitarbeitenden werten die Daten aus, erstellen Graphen und bereiten es anschaulich auf. Künftig reicht ein Prompt und die KI erstellt das gewünschte Reporting automatisiert und in einem Bruchteil der Zeit. Ein weiteres Einsatzgebiet sind sogenannte Talk-to-your-Guidelines-Funktionen. In der Finanzbranche gibt es eine Vielzahl von Richtlinien. Sucht ein Mitarbeiter eine bestimmte Information aus einer Richtlinie, so liefert ihm die KI mittels Prompts in Sekundenschnelle die passende Antwort, das manuelle Durchforsten von Richtlinien entfällt.

Profitieren auch die Kunden von KI?

Kühne: Ja, auf jeden Fall! Denken wir einmal an das Beratungsgespräch mit Kunden, das Banken und Versicherungen dokumentieren müssen. Künftig kann die KI das Gespräch aufzeichnen und anschließend das Protokoll erstellen, sodass der Kunde es schneller als bisher erhält. Auch bei der Ansprache von Kunden kann die Technologie die Mitarbeiter unterstützen. Heute werden oftmals noch standardisierte Produktangebote verschickt. Mithilfe intelligenter Arbeitsplatzlösungen können Finanzdienstleister künftig genau auf den Bedarf der Kunden zugeschnittene Angebote aufsetzen. Ein weiteres Beispiel ist die Bearbeitung von Schadensfällen bei Versicherungen. Durch den KI-Einsatz können Schadensfälle deutlich schneller bearbeitet werden, sodass die Kunden schneller ihr Geld erhalten.

Das klingt vielversprechend. Wie weit verbreitet sind KI-gestützte Arbeitsplätze bereits?

Wagenknecht: Viele Unternehmen im Finanzsektor beschäftigen sich derzeit mit dem intelligenten Arbeitsplatz, aber er ist bei weitem noch kein Standard. Das liegt auch daran, dass die Einführung von KI einiges an Vorarbeit erfordert.

Können Sie das bitte näher erläutern?

Wagenknecht: Das sind erstens die technischen Voraussetzungen. Um die KI in der Public Cloud zu betreiben, sind je nach Reifegrad des Unternehmens zunächst die technischen Grundlagen umzusetzen. Dazu gehört, Public-Cloud-Dienste nutzbar zu machen und beispielsweise das Identity and Access Management sowie die Cybersecurity um die neuen Services zu erweitern und die Cloud an die eigene IT-Infrastruktur anzubinden. Zweitens braucht KI Daten. Das klingt banal, ist es aber nicht. Denn die erforderlichen Daten sind oft nicht oder nur in unzureichender Qualität vorhanden. Drittens gibt es eine Reihe von regulatorischen Vorgaben, etwa den EU AI Act oder die DSGVO, die zu berücksichtigen sind. Und viertens sind die Beschäftigten auf den Einsatz vorzubereiten. Anwenderschulungen allein reichen da nicht aus.

Was braucht es, um die Mitarbeitenden fit für KI zu machen?

Kühne: Die KI-Einführung sollte von einem zielgerichteten Change- und Kommunikationsmanagement begleitet werden, um mögliche Vorbehalte abzubauen. Es ist ratsam, die Mitarbeitenden in die Entscheidungen einzubinden und offen zu kommunizieren. So wird ein gemeinsames Verständnis geschaffen, was KI kann und wie sie die Beschäftigten unterstützen wird. Um Berührungsängste abzubauen, kann es außerdem hilfreich sein, den Mitarbeitenden eine Plattform und Formate anzubieten, auf der sie KI nach Lust und Laune testen können.

Was sind Ihre Empfehlungen, um den intelligenten Arbeitsplatz Wirklichkeit werden zu lassen?

Kühne: Banken, Versicherer und Asset Manager sollten sich zuerst klar darüber werden, welche KI-Funktionalitäten sie nutzen wollen. Als nächstes gilt es zu überlegen, wie der Arbeitsplatz derzeit gestaltet ist: Laufen die Systeme alle noch ​​On-Premise oder in welchem Umfang kommt bereits die Cloud zum Einsatz? Wo muss man technisch und organisatorisch tätig werden, um die Vision vom Arbeitsplatz der Zukunft zu realisieren? Und auch die bereits erwähnten Aspekte Datenhaushalt und Mitarbeitende sind einzubeziehen. Wenn Finanzdienstleister so strukturiert vorgehen, können sie die Potenziale der digitalen Arbeitsplatzgestaltung gewinnbringend erschließen.

Frau Kühne, Herr Wagenknecht, vielen Dank für das Gespräch!

Juliane Kühne KPMG

Juliane

Kühne

KPMG

Senior Managerin

Juliane Kühne ist als Senior Managerin bei KPMG im Bereich Financial Services tätig. Ihr Fokus liegt auf der Beratung von IT-Transformationen mit den Themenschwerpunkten Digitalisierung, AI Cloud und Datenmanagement sowie der Umsetzung regulatorischer Anforderungen, bspw. im IT Compliance Umfeld. (Bildquelle: KPMG)
Daniel Wagenknecht

Daniel

Wagenknecht

KPMG

Partner Financial Services

Daniel Wagenknecht verantwortet er die Sourcing & Cloud Transformationsberatung und berät Banken, Versicherungsunternehmen und Kapitalverwaltungsgesellschaften in ihrer gesamten IT Transformation. (Bildquelle: KPMG)
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