Die Zukunft der Fertigung

Warnung vor KI-Roboterwelle

Roboter

Die industrielle Fertigung steht vor einer tiefgreifenden Transformation: Humanoide KI-Roboter werden bestehende Automatisierungskonzepte radikal übertreffen und die Produktionslandschaft nachhaltig verändern.

Harald Müller, Geschäftsführer der Bonner Wirtschafts-Akademie (BWA), spricht von einer „neuen industriellen KI-Welle, die die Art und Weise, wie Fertigung funktioniert, grundlegend verändert.“

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Der entscheidende Fortschritt: Autonomie und Vielseitigkeit

Während traditionelle Industrieroboter nur für hochgradig spezialisierte, sich wiederholende Aufgaben eingesetzt wurden, zeichnet sich die neue Generation durch ihre enorme Flexibilität aus. Dank fortschrittlicher Künstlicher Intelligenz können diese Maschinen autonom agieren und verschiedene Tätigkeiten erlernen. „Wir reden von Humanoiden, die alles können, was ein Industriearbeiter kann, aber viel schwerere Lasten heben, viel schneller und dennoch präziser arbeiten, viel flexibler einsetzbar sind und keine Lohnforderungen stellen“, so Müller.

Ein entscheidender Bestandteil dieser Entwicklung sind zudem autonome Fahrzeuge. Vom Gabelstapler bis hin zum Lkw – der Transport innerhalb und außerhalb der Produktionsstätten könnte in naher Zukunft vollständig automatisiert erfolgen.

Auswirkungen auf den Mittelstand

Lange Zeit galt Robotik als Domäne großer Unternehmen mit hohen Fertigungsvolumina. Doch durch maschinelles Lernen und autonome Anpassungsfähigkeit werden humanoide Roboter für den Mittelstand zunehmend attraktiv. Müller erklärt: „Bisher haben sich Industrieroboter nur dort gerechnet, wo stupide wiederkehrende Tätigkeiten tausend- oder millionenfach wiederholt werden mussten. […] Aber die neuen KI-Roboter sind flexibel und autonom. Sie können durch Maschinelles Lernen binnen Sekunden jede neue Tätigkeit erlernen und sofort ausführen.“

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Die Bandbreite möglicher Einsatzgebiete ist beeindruckend: Ein einziger Roboter kann Waren entladen, verarbeiten, montieren, verpacken, verladen und sogar Reinigungsarbeiten übernehmen. Was heute noch wie Science-Fiction klingt, wird laut Müller bald zum Alltag in vielen Produktionsbetrieben gehören.

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Prognosen für den Arbeitsmarkt

Laut einer Studie der Unternehmensberatung Horváth könnten humanoide Roboter bis 2030 mehr als 50 Prozent der manuellen Tätigkeiten in der Fertigung übernehmen. Besonders in den Bereichen Logistik, Montage und Materialhandling wird ein massiver Wandel erwartet. Selbst bei einer Automatisierungsrate von nur einem Drittel wären die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen erheblich, gibt Müller zu bedenken.

Menschenleere Fabriken – eine realistische Vision?

Die zunehmende Automatisierung könnte dazu führen, dass Menschen in vielen Produktionsstätten während des laufenden Betriebs keinen Zutritt mehr haben. „Wenn in einer Fertigungshalle ausschließlich Roboter am Werk sind, können diese zwei- bis fünfmal schneller arbeiten als es aus Sicherheitsgründen bei Menschen im Raum geboten und erlaubt ist“, erläutert Müller. Nach Berechnungen der BWA könnte der Anteil „menschenfreier Zonen“ in Fabriken innerhalb der nächsten fünf Jahre auf bis zu 50 Prozent ansteigen.

Neue Geschäftsmodelle für die Robotik

Mit der Verbreitung humanoider KI-Roboter entstehen auch neue Geschäftsmodelle. Müller sieht ein Zukunftsmodell, in dem Roboter mit Basisfähigkeiten vom Hersteller geliefert werden und spezifische Qualifikationen als Zusatzmodule erworben werden. „Die Roboter werden grundlegende Fähigkeiten von Herstellerseite aus mit sich bringen, alles weitere wird durch Knowhow-Pakete hinzugebucht.“

Besonders im Mittelstand könnte Leasing eine zentrale Rolle spielen. „Ähnlich wie heute beispielsweise Firmenfahrzeuge geleast werden, stehen in Zukunft KI-Roboter zum Leasing zur Verfügung“, so Müller. Durch kontinuierliche Weiterentwicklungen werden die Modelle leistungsfähiger und zugleich günstiger, vergleichbar mit der Innovationsgeschwindigkeit bei Smartphones.

Politische und gesellschaftliche Herausforderungen

Neben den wirtschaftlichen Vorteilen stellt der Einsatz humanoider KI-Roboter Politik und Gesellschaft vor bedeutende Herausforderungen. Müller betont: „Das ist sicherlich ein Teil der Lösung, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren in Rente gehen.“ Gleichzeitig mahnt er an, dass der Gesetzgeber klare Rahmenbedingungen schaffen muss, um soziale Ungleichgewichte zu verhindern. „Alle unsere Sozialsysteme, von der Rentenversicherung über die Krankenkasse bis hin zum sozialen Netz, sind auf dem Prinzip einer arbeitenden Bevölkerung aufgebaut. Wenn Humanoide in immer größerem Stil die Wertschöpfung übernehmen, stehen sämtliche heute ohnehin schon wackeligen Sozialsysteme im Feuer.“ Eine Lösung könnte eine Maschinensteuer oder eine KI-Abgabe sein, um die durch intelligente Maschinen erzielte Wertschöpfung in das soziale Sicherungssystem einzubinden.

Gewerkschaften und die Zukunft der Arbeit

Auch die Rolle der Gewerkschaften muss neu gedacht werden. „Es wird künftig weniger darum gehen, den letzten Industriearbeitsplatz zu retten, den Roboter besser und billiger ausfüllen können, als vielmehr darum, die Belegschaften durch Qualifizierungsmaßnahmen auf die neue Roboterwelt einzustellen“, erklärt Müller. Umschulungen und Übergangsprogramme könnten helfen, die Anpassung an die neue Arbeitswelt zu erleichtern.

Deutschlands Position im globalen Wettbewerb

Europa hat in vielen Schlüsseltechnologien den Anschluss verloren, sei es im Bereich Internet, Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz. Besonders für Deutschland als Industrienation ist es entscheidend, nicht erneut ins Hintertreffen zu geraten. Müller mahnt: „Wir müssen alles daransetzen, auf dem Gebiet der humanoiden KI-Roboter nicht wieder den Anschluss zu verpassen, weil dies den Kern unserer Industrie und damit den Herzschlag unseres Wohlstandes treffen würde. Kein anderes Land in Europa wäre davon so stark betroffen wie die Industrienation Deutschland.“

Die Bundesregierung ist gefordert, schnell zu handeln, um den Wirtschaftsstandort zu sichern und innovative Entwicklungen aktiv zu fördern. Ob Deutschland diese Herausforderung meistert, wird maßgeblich über seine industrielle Zukunft entscheiden.

Pauline Dornig

Pauline

Dornig

Online-Redakteurin

IT Verlag GmbH

Pauline Dornig verstärkt seit Mai 2020 das Team des IT Verlags als Online-Redakteurin. (pd)
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