2023 ist es so weit – das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz, soll für Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitenden in Kraft treten. Damit kommt Deutschland der Europäischen Union zuvor und wird in Europa zum Vorreiter in Sachen nachhaltiger Supply Chain.
Kollaborative Technologielösungen helfen Unternehmen bei Umsetzung des Lieferkettengesetzes. Ein Kommentar von Johannes Hangl, Senior Director Solution Consulting bei e2open, zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz.
Bereits 2021 haben die EU-Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst Leitlinien veröffentlicht, die mithilfe von konkreten Ratschlägen Unternehmen dabei helfen sollen, zu erkennen, ob in einem Abschnitt ihrer Lieferkette Zwangsarbeit zum Einsatz kommt. Auch wenn es sich hier noch nicht um eine rechtlich bindende Richtline oder Ähnliches handelt, ist die Leitlinie ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dementsprechend sind Zwangsarbeitsbestimmungen für Lieferketten nichts Neues, auch wenn es sich bisher eher um freiwillige als verpflichtende Bestimmungen gehandelt hat.
Die Frage nach der Transparenz
Wer für Social Compliance oder Corporate Governance zuständig ist, wird bei der Frage nach Zwangs- oder Sklavenarbeit meistens antworten, dass dies in der eigenen Lieferkette natürlich absolut inakzeptabel sei. Die Realität sieht jedoch so aus, dass den meisten Lieferketten die Transparenz fehlt, um Lieferanten, die gegen die Vorschriften verstoßen, zu identifizieren und gegen sie vorzugehen. Selbst mit der zunehmenden Zahl an Vorschriften und dem wachsenden Druck von Verbrauchern und Nichtregierungsorganisationen haben die Unternehmen Mühe, die Vorschriften einzuhalten.
Unter die neuen Regelungen des Lieferkettengesetzes fallen unter anderem die Einhaltung von grundlegenden Menschenrechten, was folglich den Kampf gegen moderne Sklaverei wie Menschenhandel, (Kinder-)Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft einschließt. Dies äußert sich etwa auch schon, wenn Fabrikbesitzer die Dokumente der Arbeiter unter Vorwänden – wie etwa Diebstahlprävention – aufbewahren oder die standardgemäße Unterbringung der Beschäftigten nicht gewährleistet ist.
Während diverse Vorfälle in den letzten Monaten – die durch die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen aufgedeckt wurden – die Notlage von Einzelpersonen verdeutlichen, offenbart ein globaler Blick auf die Lieferketten schockierende Zahlen. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt die Zahl der Menschen, die Ende 2021 unter ähnlichen Umständen leben, auf 50 Millionen weltweit. Ein Bericht der globalen Non-Profit-Gruppe Business for Social Responsibility (BSR) legt nahe, dass Kinderarbeit in Myanmar wenig überraschend eine gängige Option für Familien ist, die ein zusätzliches Einkommen benötigen. Dennoch sind die meisten dieser Szenarien für Einzelhändler und Hersteller nicht erkennbar, da sie keinen Einblick in die tieferen Ebenen der Lieferkette haben.
Erste rechtliche Bemühungen
Der Schritt, entsprechende Regulierungen und Gesetze für mehr Transparenz in der Lieferkette zu erlassen, erhöht den Druck auf Unternehmen, damit diese ihre Bemühungen forcieren, Kinder- und/oder Zwangsarbeit entlang der Lieferkette auf der ganzen Welt zu verhindern. Im Juli 2016 verfassten zwei US-Senatoren eindringliche Briefe an die Zoll- und Grenzschutzbehörde, in denen sie diese aufforderten, Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass Waren, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, in das Land gelangen. In den USA wurde der erste Schritt hierzu im Uyghur Forced Labor Prevention Act getan, dieser beschränkt sich jedoch, wie der Name schon sagt, nur auf Zwangsarbeit im Zusammenhang mit der ethnischen Minderheit der Uiguren in der Volksrepublik China, die EU forciert währenddessen ihre Bemühungen für eine weitreichendere Lösung. Diesem Vorhaben kommt Deutschland mit dem neuen Lieferkettengesetz zuvor.
Dabei müssen betroffene Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten nicht nur den eigenen Geschäftsbereich überprüfen, die Sorgfaltspflicht dehnt sich auch auf alle unmittelbaren Zulieferer aus. Für mittelbare Zulieferer, also diejenigen, mit denen keine direkte Geschäftsbeziehung besteht, greift eine anlassbezogene Sorgfaltspflicht. Folglich müssen Unternehmen hier erst bei triftigen Hinweisen auf mögliche Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette aktiv werden.
Kollaborative Technologien als Lösungsansatz
Um eine widerstandsfähigere und transparentere Lieferkette aufrechtzuerhalten, müssen Importeure eine Führungsrolle im Bereich verantwortungsvollen Geschäftspraktiken einnehmen. Eine Möglichkeit für Unternehmen besteht darin, sich auf Daten zu stützen, um die Faktoren, die Einfluss auf die Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette haben, zu ermitteln und zu steuern. Durch die Auswertung mehrerer Datenpunkte, die von den Lieferanten gesammelt werden, können sie Prioritäten setzen und Risiken mindern und auch abseits dessen ihre Lieferantenbeziehungen stärken und neue Wege finden, um die Verantwortung innerhalb der Lieferkette zu definieren und zu teilen.
Fortschrittliche Technologien können Unternehmen dabei helfen, ihre Lieferketten transparent abzubilden und ihre Handelspartner auf allen Ebenen einzubinden, um eine effiziente Zusammenarbeit und ein zentrales Management von Workflows und Dokumenten zu ermöglichen, einschließlich Bestellungen. Sobald Unternehmen einen neuen Lieferanten onboarden möchten, können sie diesen einfach konfigurieren und ihrer Supply Chain Map hinzufügen, die die Beziehung zwischen den verschiedenen Lieferanten auf mehreren Stufen darstellt. Diese Übersicht ermöglicht es Unternehmen, den Weg von Rohstoffen entlang der verschiedenen Stufen der Verarbeitung, der Produktion und des Transports zu den Zielmärkten zu verfolgen, wobei die wichtigsten Details und Kontaktinformationen in der Lieferantenstammdatenbank gespeichert werden. Dadurch können Unternehmen auch der im Gesetz festgelegten Berichtspflicht nachkommen.
Kollaborative Technologielösungen sind der Schlüssel, um das Vertrauen der Verbraucher aufrecht zu erhalten und Risiken zu mindern. Entsprechende Lösungen für Social Compliance, Audit Management und Restricted Party Screening können Unternehmen dabei helfen, die Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten zu verbessern, die Sichtbarkeit zu erhöhen, die Verantwortlichkeit der Lieferanten zu gewährleisten und ein Instrument für ein breiteres, proaktives Lieferantenmanagement einschließlich Rückverfolgbarkeit zu sein.
Autor: Johannes Hangl, Senior Director Solution Consulting bei e2open
www.e2open.com