Künstliche Intelligenz ist im Begriff, die Qualitäts- und Endkontrolle auf ein neues Niveau zu heben. Der Aufwand hierfür ist überschaubar, die Effekte groß.
Bei Wartung, Service und Endabnahme ist die Sichtkontrolle entscheidend für hohe Qualität. Ein scharfer Blick und menschliches Urteilsvermögen sind unersetzbar. Jedoch: Untersuchungen zeigen, dass bei einem Fünftel der Kontrollen Fehler passieren. Was nur zu menschlich ist: Komplexe Produkte, Konzentrationstiefs und unklare Anweisungen lassen Fehler unvermeidlich werden.
Viele Branchen stehen zudem vor der Herausforderung, dass Produkte immer komplexer werden, womit auch der Montageprozess an Komplexität gewinnt. Es gibt dutzende Schritte, die in einer spezifischen Reihenfolge und innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens erfolgen müssen. Darin am grünen Tisch mit 2D-Papieranweisungen zu schulen ist zeitaufwendig und führt nicht immer zum Ziel. Anschaulicher und leichter verständlich wird das, wenn Lernende am realen Objekt mit AR-Unterstützung Schritt für Schritt zu den Inspektionspunkten geführt und dort jeweils Anweisungen und Erklärungen auf dem Tablet oder der AR-Brille eingespielt werden. Wobei dies auch direkt bei der eigentlichen Qualitätsprüfung erfolgen kann.
Beispiel Steckverbindungen: Auch wenn die Funktionsprüfung keine Fehler ergibt, kann sich ein Stecker, der nicht vollständig eingerastet ist, im Laufe der Zeit lösen, vor allem wenn das Produkt Erschütterungen ausgesetzt ist.
Nascote Industries, eine Division von Magna International, einem der weltweit größten Zulieferer in der Automobilbranche, nutzt hierfür Vuforia Step Check von PTC. Das Tool kombiniert Augmented Reality (AR) und künstliche Intelligenz (KI). Nachdem es für eine Bauteil- oder Produktlinie eingerichtet wurde, führt es Inspekteure AR-gestützt durch den Prüfprozess, sodass auch eher unerfahrene Fachkräfte zuverlässig mehrstufige Checks durchführen können.
Wie eine Kontrolle mit KI funktioniert
Nascote Industries erprobte Vuforia Step Check bereits bei End-of-Line-Inspektionen von elektrischen Steckverbindungen im Feld, aber auch um Schulungsprozesse zu beschleunigen. Dabei richtet der Hersteller besonderes Augenmerk auf solche „Soft Connections“. Eine KI-gestützte Sichtprüfung verhindert, dass diese übersehen werden.
Dabei beginnen die Inspektionsingenieure entweder damit, eine ID-Nummer für das zu inspizierende Teil manuell einzugeben oder sie scannen den Barcode ein. Auf ihrem Tablet erscheint eine Übersicht aller Schritte, die erledigt werden müssen. Ein grauer Haken zeigt an, welche Inspektionspunkte noch nicht abgeschlossen sind. Ein grüner Haken zeigt bestandene Inspektionspunkte an, während ein roter Haken fehlgeschlagene Checks markiert. Durch Antippen jedes Elements in der Liste werden weitere Informationen oder Instruktionen angezeigt. Ein virtueller Wegweiser leitet den Inspektionsingenieur zu den nächsten Kontrollpunkten, selbst wenn sie außerhalb des aktuellen Sichtfeldes liegen. So wird keiner versehentlich übersehen.
Beim Check gleicht Vuforia Step Check mit dem hinterlegten 3D-Referenzmodell ab, ob beispielsweise Bauteile korrekt montiert wurden. Wenn nicht, kann der Inspektionsingenieur weitere Informationen erhalten, um entweder selbst das Problem zu beheben oder den Inspektionspunkt als „Nicht bestanden“ zu kennzeichnen. Das System kann hierbei auch nicht ausreichend angezogene Schrauben, abweichende Spaltmaße oder minimal verrutschte Bohrungen erkennen.
Welche Vorteile eine KI-Kontrolle hat
Während der Inspektionsingenieur testet und prüft, erstellt Vuforia Step Check bereits einen Bericht. Sobald alle Inspektionspunkte für eine Prozedur ausgefüllt sind, wird der Report automatisch versandt. Alle übermittelten Berichte, die mit Kommentaren zu etwaigen Fehlern und deren Ursachen angereicht werden können, werden im Tool erfasst, so dass Verantwortliche jederzeit sehen, was gut läuft und was nicht.
Weil einzelne Bauteile aus verschiedenen Blickwinkeln und bei verschiedenen Lichtverhältnissen von den Bedienern erfasst werden, wird die Erkennung immer genauer, da der Algorithmus mit jedem Mal dazu lernt.
Zum Start reicht es aus, das System mit einem CAD-Modell zu füttern, das bereits während der Designphase vorhanden war. Der Vuforia Editor bietet einen geführten Workflow zum Einrichten von Inspektionspunkten, Anweisungen und dem Hinzufügen zusätzlicher Ressourcen, um dem Inspektionsingenieur zu helfen, der letztlich das Verfahren in der Vuforia-App verwenden wird. Mit dieser kann er sich Arbeitsanweisungs-Verfahren in der Umgebung, in der er die Aufgaben durchführt, anzeigen lassen.
Unternehmen wie Nascote Industries, die eine solche Lösung in bestehende Qualitätskontrollprozesse integrieren, können so die Durchsatzleistung bei bestehenden Produkten erhöhen und die Hochlaufzeiten bei neuen verkürzen – und dabei ein extrem hohes Qualitätsniveau erreichen. Denn Testfehler werden weitgehend verhindert und damit die Kundenzufriedenheit nochmal erhöht. Wesentlich ist auch, dass Kosten durch Ausschuss, Nacharbeit oder Rückrufe reduziert werden. Nicht zuletzt lassen sich die auf dem Shopfloor gesammelten Daten einfacher analysieren, so dass künftige Prozesse und Produkte schneller verbessert werden.