Schwachstellen analysieren
Die in diesen außergewöhnlichen Zeiten besonders stark zum Vorschein kommenden Schwachstellen der IT-Strukturen in Unternehmen werden in der Nachbereitung der aktuellen Herausforderungen die strukturierte und zielgerichtete Digitalisierung von Geschäftsprozessen in Unternehmen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit weiter vorantreiben. Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen ist der erste Schritt zu einer zukunftsfähigen und krisensicheren Digitalisierungsstrategie die Analyse des IST-Zustands und die Digitalisierung von manuellen und papierbasierten Prozessen. Die Einführung eines modernen ERP-Systems kann dabei einen wichtigen Beitrag für den digitalen Wandel von Geschäftsprozessen in Unternehmen leisten.
Steigende Nachfrage nach ERP-Systemen
Die Hersteller und Implementierungspartner von ERP-Systemen erwarten aufgrund dieser Zusammenhänge mittelfristig steigende Nachfragen nach zukunftsfähigen IT-Lösungen. Ralf Bachthaler, Vorstand der Asseco Solutions, sieht neben dieser steigenden Nachfrage nach ERP-Systemen auch bereits während der Corona-Einschränkungen erste Anzeichen der Fokussierung ungeplant freier Kapazitäten auf interne Optimierungsprojekte: „In Zeiten von Kurzarbeit und Home Office wäre für viele Unternehmen natürlich ein modernes, remote-fähiges ERP-System ideal. Wer hier jedoch nicht bereits in der Vergangenheit vorgesorgt hat, wird aktuell wohl nicht die Ressourcen zur Hand haben, eine Migration auf die Schnelle durchzuführen. Einen Anstieg der Nachfrage erwarten wir daher erst nach Ende der Krise, wenn es darum geht, zumindest für die nächste Ausnahmesituation beizeiten gerüstet zu sein. Viele Unternehmen machen dennoch aus der Not eine Tugend und nutzen die (gezwungenermaßen) ruhige Zeit zum Beispiel dazu, Datenbestände oder Lagerhaltung in Ordnung zu bringen – damit sind aktuell vor allem die beratenden und unterstützenden Dienstleistungen der ERP-Anbieter gefragt. Solche Optimierungen machen die Einbußen durch die Krise zwar nicht wett, verbessern jedoch die Ausgangslage, um unmittelbar nach Ende der Krise wieder voll durchzustarten.”
ERP-Einführung kein Allerheilmittel, aber wichtiges Fundament für Resilienz der IT-Infrastruktur
Im Zentrum der systematischen Digitalisierung von Prozessen in Unternehmen stehen vor allem zu Beginn unmittelbar ERP-Systeme im Fokus, da sie zentral für die Unternehmenssteuerung, die sichere und nicht-redundante Datenhaltung sowie die prozessorientierte Aufgabenbearbeitung eingesetzt werden. Damit diese ERP-Systeme den verschiedenen digitalen Transformationsherausforderungen begegnen können, müssen sie zukünftig sowohl technische als auch funktionale Anforderungen erfüllen, die in Abbildung 1 dargestellt sind.
Abbildung 1: Technologische und funktionale Anforderungen an ERP-Systeme (Fraunhofer IML, in Anlehnung an [2])
Die Krise öffnet vielen ERP-Bremsern die Augen
Trotz der schwer prognostizierbaren und dynamischen Entwicklungen in der Corona-Krise scheint Deutschland durch das konsequente Handeln und die starken Einschränkungen auch im wirtschaftlichen Leben ein erstes Eindämmen der exponentiellen Ausbreitung des Coronavirus gelungen zu sein. Inwieweit und wie schnell sich die Lage in Deutschland, eventuell begleitet durch Tracking-Apps oder den weiträumigen Einsatz von Schutzmasken, normalisiert, kann nicht vorhergesagt werden. Zu wenig ist aktuell über das Virus bekannt, auch wenn auf Hochtouren geforscht wird. Grob absehbar ist allerdings die mittel- bis langfristige Wirkung der aktuellen Einschränkungen sowie die wirtschaftlichen und technischen Folgen der angeordneten Eindämmungsmaßnahmen auf Unternehmen. Erste Effekte treten hier bereits zu Tage. So wurde durch die aktuelle Pandemie die Notwendigkeit von konsequenter und strukturierter Digitalisierungsanstrengungen und der Möglichkeiten einer flexiblen Arbeitsorganisation selbst großen Zweiflern in den Chefetagen unmissverständlich klar gemacht. Wie Achim Berg, Bitkom Präsident, formuliert, ist Corona „gleichermaßen Chance wie Aufforderung, Wirtschaft, Verwaltung und Gesundheitswesen noch entschiedener und schneller zu digitalisieren, etwa indem Technologien für Webkonferenzen eingeführt werden und Homeoffice zum Standard wird“ [3].
Fazit
Es ist klar, dass die Einführung und Weiterentwicklung moderner Unternehmenssteuerungssysteme Krisen wie die aktuelle nicht ungeschehen machen können und auch die großen Auswirkungen nicht alleine durch IT-Systeme abgefedert werden können. Trotzdem wird durch eine sichere, moderne IT-Infrastruktur die Grundlage für die Bewältigung von Krisen wie der aktuellen und die flexible Anpassung der Unternehmensorganisation an externe Schocks gelegt, auf welcher personelle und organisatorische Maßnahmen aufbauen können. Die Resilienz der ERP-Systeme wird jetzt weltweit auf die Probe gestellt.
Lorenz Kiebler, M.Sc., Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML)
Dipl.-Kffr. Katharina Kompalka, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML)
Literaturangaben
[1] Achim Berg, Bitkom-Präsident: Digitalisierung der Wirtschaft, Berlin 2020. Online Verfügbar unter: https://www.bitkom-research.de/system/files/document/ Bitkom%20Charts%20Digitalisierung%20der%20Wirtschaft%2001%2004%202020_final.pdf, abgerufen am: 20.04.2020
[2] Klink, P., Mertens, C. u. Kompalka, K.: ERP-Marktstudie 2016: Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Anforderungen an ERP-Systeme. Dortmund: Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML 2016
[3] Bitkom e.V.: Corona-Epidemie dämpft Stimmung in der Digitalbranche, Berlin 2020. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Corona-Epidemie-daempft-Stimmung-in-der-Digitalbranche