„Work in Progress“ lautete das Motto der Technologietage 2023 der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) am 22. und 23. März im Congress Center Rosengarten Mannheim. Wie das Motto schon sagt: Bei SAP ist derzeit vieles in Arbeit.
Nach der umfassenden strategischen Neuausrichtung von SAP wünschen sich die Anwenderunternehmen wieder eine stärkere Rückbesinnung auf das Credo „Customer first“ der Gründerjahre. Die Realitäten der Anwenderunternehmen sollten in der SAP-Strategie wieder stärker berücksichtigt werden – gerade vor dem Hintergrund des bevorstehenden Wartungsendes vieler wesentlicher SAP-Lösungen und der daher benötigten Planbarkeit und Verlässlichkeit der SAP-Produktstrategie. Die konzeptgleiche Anbindung der SAP-Cloud-Services an die mehrstufigen SAP-Landschaften und die Positionierung der Business Technology Platform (BTP) sind hierbei ebenso essenziell, wie ein angemessenes Pricing: Das wurde an beiden Veranstaltungstagen mit rund 2.600 Teilnehmenden erörtert.
Durch die starken Veränderungen im SAP-Produktportfolio sind Themen wie eine einfache Migration, Integrationsfähigkeit, Datenschutz und IT-Security relevanter denn je. „Aktuell wird das Komplexitätsmanagement nicht hinreichend durch übergreifende Standards, Klarheit und Investitionssicherheit unterstützt – auch und gerade bei Cloud-Produkten. Sie sind wie das Motto der Technologietage 2023 sagt: Work in Progress“, erläutert Sebastian Westphal, DSAG-Technologievorstand.
S/4HANA-Innovationen und -Entwicklungen
Das Anker-Release von SAP S/4HANA, das im Oktober dieses Jahres verfügbar sein wird, bildet die Basis für die Technologie der nächsten Generation und Kompatibilität mit Legacy-Software. Damit ist ein wichtiger Abschnitt erreicht. Die Kund:innen sind seit der Markteinführung 2015 gemeinsam einen weiten Weg mit SAP gegangen und haben die kontinuierliche Weiterentwicklung des Kernprodukts über die Jahre mit hohem finanziellem und personellem Engagement begleitet und in ihren Unternehmen realisiert. Auch heute vermissen die Anwenderunternehmen die Bereitstellung bisheriger ECC-Funktionalitäten im aktuellen SAP-Produktportfolio – und erwarten hier zeitnah eine vollständige Funktionsgleichheit. „Bei bereits getätigten Investitionen in S/4HANA-Transformationen, die schnell in ein-, zwei- oder gar dreistelligen Millionenbudgets mündeten, darf das Anker-Release 2023 aber vor allem nicht bedeuten, dass Innovationen und Erweiterungen nur noch in der Public Cloud erfolgen“, sagt Sebastian Westphal und ergänzt: „Bei einer Wartungszusage für S/4HANA bis 2040 bedarf es daher noch weiterer Details und verbindlicher Zusagen von SAP, um die bisherigen S/4HANA-Projektinvestitionen zu sichern.“
Neue Sphären der Datenanalyse
Positiv hervorzuheben ist in diesem Kontext das neue Angebot SAP Datasphere, das die seit Langem bestehende Forderung der DSAG nach der Zusammenführung von SAP- und Non-SAP-Daten adressiert. Diese Evolution der SAP Data Warehouse Cloud ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung – wenn es gelingt, die komplexe Integration von Daten aus SAP-Systemen und Drittsystemen der immer hybrideren Architekturmodelle zu vereinfachen.
„Wir hoffen, dass SAP zielgerichtet den Weg weiterverfolgt und im Rahmen dieser Entwicklung einfache Produkte mit attraktiven Lizenzmodellen kombiniert. Sofern den Anwenderunternehmen zeitnah auch ein passendes kommerzielles Angebot für klassische Planungsszenarien (wie Gelegenheitsnutzer:innen) in der SAP Analytics Cloud angeboten wird, wäre sowohl inhaltlich als auch kommerziell ein großer Wurf gelungen“, so Sebastian Westphal weiter.
BTP als zentrales Element der Integrationsarchitektur hybrider Szenarien
DSAG und SAP sind sich einig, dass die Business Technology Platform das zentrale Fundament der SAP-Strategie bildet. Die DSAG-Investitionsumfrage 2023* hat deutlich gezeigt, dass die BTP in den Projektbudgets der Anwenderunternehmen ihren Platz gefunden hat. Ein klarer Fokus lag dabei auf dem Bereich Data und Analytics, also auf Produkten, die bereits seit Jahren Bestandteile des Portfolios sind. Augenfällig ist zudem der Anteil an Befragten, die die BTP zwar lizenziert haben, aber noch nicht aktiv nutzen. Das heißt, die Entwicklung der BTP muss noch deutlicher für ihren Einsatz als zentraler Baustein hybrider Architekturen positioniert werden.
Vor dem Hintergrund der mit SAP in den vergangenen 50 Jahren gemeinsam entwickelten drei- und vierstufigen Landschaften ist hierbei ein zentraler Punkt die korrespondierende, mehrstufige Bereitstellung der BTP inklusive zentraler Administration der Umgebungen für alle Business-Services und die Integration-Suite. Ein damit einhergehendes Test- und Transportwesen ist in vielen Cloud-Plattformen aber noch nicht einheitlich berücksichtigt und bremst die Adaption der neuen Produkte und Services entsprechend aus. Da aufgrund der SAP-Strategie das ehemals zentrale und mächtige SAP-System zunehmend durch eine modulare Systemlandschaft ersetzt werden soll, steigt die Komplexität, diese Systeme zu implementieren, zu integrieren und auch zu lizenzieren. Dies wurde für die S/4HANA Public Cloud als Grundvoraussetzung für den Einsatz in hybriden Landschaften Ende letzten Jahres bereits korrigiert und sollte für die Business-Services auf der BTP ebenso selbstverständlich sein wie über alle Lines-of-Business hinweg gelten, um die Adaptionsraten weiter zu erhöhen.
Verlässlichkeit des SAP-Portfolios
SAP hat für das Jahr 2027 das Wartungsende wichtiger Lösungen angekündigt. Hier bedarf es schnellstmöglich einer klaren Perspektive und entsprechender Migrationsszenarien. Das gilt insbesondere für den SAP Solution Manager und die SAP Process Orchestration. „Für die Ablösung des Solution Managers als dem zentralen Element heutiger SAP-Architekturen bedarf es eines Cloud-Application-Lifecycle-Management-Produkts mit identischem Leistungsumfang und einer verlässlichen Roadmap sowie entsprechenden Migrationspfaden. Gleiches gilt für die Migration von der Process Orchestration auf die SAP Integration Suite. Hier lässt sich der kürzlich erfolgte Launch der Migration-Assessment-App und des Migration-Tools bereits positiv hervorheben“, so Sebastian Westphal. Zusammenfassend lässt sich sagen: Was unweigerlich in Richtung Cloud geht, muss maximal gleichwertig zu den bestehenden Lösungen sein, und zwar am besten schon bis Ende 2023. Dann bleiben den Kund:innen noch vier Jahre, um vom Investitionsantrag bis zur Migration ihre Systeme erfolgreich umzustellen.
Kosten- und Lizenzsituation
Aus DSAG-Sicht führen fehlende Konzepte bzw. Lösungen für Entwicklungs- und Testsysteme auf der BTP zu erheblichen Kosten, da – um eine Mehrstufigkeit nach derzeitigem Stand zu erreichen – ein Service teils mehrfach lizenziert werden muss. Dabei gibt es keine offizielle Unterscheidung, ob ein Service produktiv oder nur zu Testzwecken genutzt wird. „Die Kosten- und Lizenzierungssituation muss SAP angehen“, sagt Thomas Henzler, DSAG-Fachvorstand Lizenzen, Service & Support. Die zunehmende Modularisierung von Lösungen, die im Enterprise-Ressource-Planning (ERP) enthalten waren und nun vermehrt z. B. über die BTP vermarktet werden, lässt zudem die Komplexität bei Lizenzierung und Verwaltung steigen. Im Endeffekt müssen Anwenderunternehmen mit vielen unterschiedlichen SAP-Lines-of-Business sprechen und verhandeln, um eine vollumfängliche ERP-Lösung wie in ECC-Zeiten zu erhalten. Hinzu kommen viele unterschiedliche Lizenzmetriken. Das führt dazu, dass die Kosten für SAP-Architekturen stark steigen werden. Aus DSAG-Sicht braucht es daher ganzheitliche Pricing-Strategien in der Cloud mit zugehörigen, auch nach unten skalierbaren Lizenzmodellen. www.dsag.de/techtage
* Weitere Ergebnisse der diesjährigen Investitionsumfrage stellt die DSAG am 27.04.2023 in ihrer Pressekonferenz zum DSAG-Investitionsreport 2023 vor.
www.dsag.de