Seit Mitte März sind sowohl das öffentliche Leben als auch die wirtschaftlichen Aktivitäten aufgrund der exponentiellen Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland stark eingeschränkt. Ziel dieser Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen ist die Verlangsamung der Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 und dessen langfristige Beherrschung, um die damit verbunden Folgen für das Gesundheitssystem sowie für die Gesellschaft allgemein abzumildern.
In einigen europäischen Ländern wie Italien oder Spanien wurden per Verordnung sogar alle nicht systemrelevanten Firmen und Unternehmen zeitweise geschlossen. Auch wenn diese Stufe der Ausbreitungsverhinderung in Deutschland bislang nicht umgesetzt wurde, stellen sich viele Unternehmen die Frage, wie sie ihre Betriebstätigkeit bei gleichzeitig größtmöglichem Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufrechterhalten können.
Die Beantwortung dieser Frage ist nicht trivial, da sie organisatorische, wirtschaftliche und technologische Implikationen hat. In der Krise zeigt sich wie resilient IT-Systeme und Strukturen sin.
Wer kann remote Arbeiten und wer nicht?
In operativen Bereichen wie der Fertigung oder der Montage, aber auch im Handwerk oder im Einzelhandel ist eine Entzerrung der Arbeitsbedingungen nur durch eine zeitliche oder räumliche Trennung von Mitarbeitern und Kunden umsetzbar. Die vollständige Verlagerung von Mitarbeitern bzw. Arbeitsplätzen in das Homeoffice ist in diesen Bereichen aufgrund der operativen Tätigkeiten nahezu ausgeschlossen. Vielen Betrieben bleibt alleinig die Entscheidung zwischen der angepassten Fortführung oder der Einstellung des Betriebs, sofern nicht übergeordnete Regelungen oder wirtschaftliche Zwänge diese Entscheidung von extern vorgeben. Während Geschäftsprozesse somit insbesondere im operativen Bereich häufig aufgabenbedingt an einen festen Erbringungsort gebunden sind, existiert darüber hinaus auch eine Vielzahl an unternehmerischen Aufgaben, die – teilweise unter Einschränkungen oder mit Herausforderungen – auch dezentral, also remote und an verteilten Arbeitsplätzen außerhalb einer Betriebsstätte verrichtet werden könnten. Hierunter fallen insbesondere administrative oder planerische Prozesse, wie z.B. in den Funktionsbereichen Vertrieb, Beschaffung und Finanzbuchhaltung. Krisenzeiten wie diese sind also nicht nur eine Belastungsprobe für jeden Einzelnen, sondern sie zeigen auch die Resilienz (Flexibilität, Funktionalität, Performance und Sicherheit) von betrieblichen IT-Systemen, insbesondere ERP-Systemen, auf.
Moderne IT-Systeme als grundlegender Baustein für dezentrales Arbeiten während und nach der Corona-Krise
Voraussetzung für eine flexible Verlagerung der Arbeitstätigkeiten von Führungskräften und Arbeitnehmern an einen Arbeitsplatz in der häuslichen Umgebung ist eine moderne technische IT-Landschaft und -struktur, die dies zulässt. Die IT-Gegebenheiten sind im Idealfall resilient, also widerstandsfähig und flexibel auf geänderte Rahmenbedingungen anpassbar z.B. in außergewöhnlichen Zeiten wie diesen. Nur wenn die notwendige Hardware- und Softwarevoraussetzungen in Form von Notebooks, VPN-Zugängen oder anderen Remote-Zugriffsmöglichkeiten vorhanden sind, IT-Systeme verteiltes und mobiles Arbeiten ermöglichen und die Datensicherheit gewährleistet werden kann, lassen sich in betriebliche Abläufe administrativer Bereiche auslagern. Neben den rein hardwareseitigen Herausforderungen, die aktuell tatsächlich aufgrund von Lieferengpässen, z. B. bei Notebooks für den gewerblichen Gebrauch, vorhanden sind, sind die softwareseitigen Hürden häufig noch größer: Hardware und weitere Technik lässt sich, wenn man Abstriche bei der Performance und Ausstattung macht, noch relativ zeitnah und aufwandsarm beschaffen. Bei Softwareproblemen zeigt sich jedoch ein anders Bild. Komplexere IT-Systeme, wie etwa Warenwirtschafts- oder Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Systeme, die kein mobiles Arbeiten erlauben, lassen sich nicht über Nacht einführen. Unternehmen, die in der aktuellen Krise noch veraltete ERP-Systeme im Einsatz haben, können den Schalter auf eine z.B. webbasierte ERP-Lösung nicht binnen weniger Tage oder Wochen umlegen. Solche Migrationen benötigen in der Regel mindestens, je nach Komplexität der Geschäftsprozesse und Anforderungen, mehrere Monate.
Technische Hürden durch veraltete Software
Viele Unternehmen, die es versäumt haben in den vergangenen Jahren in moderne Software-Lösungen zu investieren, spüren in der aktuellen Sondersituation teilweise schmerzlich die technischen Hürden und Stolpersteine zur dezentralen Steuerung von Unternehmensprozessen. Kurzfristig lassen sich diese Einschränkungen nicht oder nur über Workarounds überwinden. Die Auswahl an branchenspezifischen, teilweise hoch spezialisierten ERP-Systemen ist extrem groß. Ohne professionelle Fachberatung ist die Auswahl eines neuen ERP-Systems nur mit erheblichem Aufwand möglich. Des Weiteren sollte vor der Auswahl eines neuen betrieblichen Systems eine Digitalisierungsstrategie entwickelt werden. Diese sollte unter anderem einen Plan enthalten, der beschreibt welcher Zustand angestrebt wird und wie ggf. neue Geschäftsmodelle berücksichtigt und umgesetzt werden können.
Erst die Strategie – dann die strukturierte Auswahl und Investition in neue IT-Systeme
Es ist bekannt, dass moderner ERP- und Expertensysteme für z.B. Dokumentenmanagement, CRM oder Produktionsplanung zahlreiche neue Potenziale in Unternehmen erschließen können. Investitionsentscheidungen sollte jedoch immer eine klare Digitalisierungsstrategie vorausgehen. Nach einer repräsentativen Erhebung der Bitkom im April 2020 [1] erkennen zwar 90 % der befragten Unternehmen die Chancen der Digitalisierung an, eine zentrale unternehmensweise Digitalstrategie haben jedoch nur 28 % der Unternehmen entwickelt. Nur in einzelnen Unternehmensbereichen haben zusätzlich noch 39 % der Unternehmen dezidierte Strategien für den digitalen Wandel erarbeitet. Hieraus folgt jedoch auch, dass ca. 22 % der Unternehmen keinen Plan für den digitalen Wandel formuliert haben. In dieser Erhebung lässt sich zusätzlich erkennen, dass vor allem große Unternehmen in der Vergangenheit Strategien entwickelt haben. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist der Mangel an einer klaren Digitalstrategie. Basierend auf diesen Erkenntnissen und insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Krise müssten auch kleine und mittelständische Betriebe verstärkt Zeit, Wissen und Investitionen in die Digitalisierung und die Transformation ihrer Unternehmensprozesse investieren.
Modernisierung und Digitalisierung
In der Vergangenheit standen neben den rein finanziellen Herausforderungen einer stetigen Modernisierung und Digitalisierung der Unternehmens-IT besonders hardware- und softwaretechnische sowie organisatorische Hindernisse einer konsequenten Digitalisierung insbesondere in kleinen und mittelständischen Betrieben entgegen. Das Aufschieben oder Unterschätzen dieses technologischen Wandels macht sich in nicht vorhersehbaren Krisensituationen – wie aktuell aufgrund der Ausgangsbeschränkungen, Nachfragerückgängen und Lieferschwierigkeiten – unmissverständlich bemerkbar.
Corona-Krise – Risiko und Chance zugleich
Die aktuelle Corona-Krise bringt nicht nur Probleme und Risiken mit sich. Sie ändert die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten grundlegend so auch für ERP-Anbieter. Für die Digitalisierung ergeben sich aus der Krise heraus zahlreiche Chancen. So sieht Martin Blumenstein, Manager Sales SAP Business One der rocon Rohrbach EDV-Consulting GmbH in der momentan sehr schwierigen Situation teilweise auch Potenziale für die Zukunft: „Die Corona-Krise belastet viele Unternehmen auch deshalb, weil durch die spontane Umstellung auf digitales Arbeiten Ressourcen und Prozesse gefordert werden, die noch gar nicht existieren. Unternehmen, die schon seit Jahren ihre Prozesse immer wieder auf den digitalen Prüfstand stellen und die sich mit Investitionen in eine solide IT-Infrastruktur zukunftssicher aufgestellt haben, genießen jetzt einen Vorteil. Die Notwendigkeit von beispielsweise intelligenten ERP-Systemen, die eine zentrale Verwaltung der Informationen und die ortsunabhängige Steuerung der Arbeitsabläufe ermöglichen, zeigt sich jetzt deutlich. Unternehmer werden, meiner Ansicht nach, zukünftig weniger skeptisch sein gegenüber digitalen Möglichkeiten zur Unternehmensverwaltung. Digitale Transformation ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen jeder Größe.“