Wenn sogar Amazon als einer der umsatzstärksten Online-Shops der Welt seine digitalen Shopping-Events verschiebt, ist das ein eindeutiges Zeichen dafür, dass in diesem Jahr einiges anders läuft – auch im (Online-)Handel.
Mit dem seit 2015 eingeführten und zelebrierten Prime Day hat Amazon im Grunde genommen einen eigenen Feiertag kreiert, der in diesem Jahr erstmalig von Juli auf Oktober verschoben wurde und das Weihnachtsshopping somit deutlich früher einläutet als gewohnt. An das neue Datum des Amazon Prime Days schließen sich im November der bekannte Singles Day, Black Friday und Cyber Monday an. Der November ist ohne Zweifel der Monat der Online-Deals und lässt dabei Schnäppchenjäger ganz ohne Abstand und Maske voll auf ihre Kosten kommen.
Auch der stationäre Handel befindet sich mitten in der Holiday Shopping Season und bietet den Kosumenten bereits seit Wochen Lebkuchen, Glühwein und Spekulatius. In den letzten Jahren bedeute das Weihnachtsgeschäft im Monat November und Dezember für den Handel in Deutschland die umsatzstärkste Zeit. 2019 wurden insgesamt 543,6 Milliarden Euro umgesetzt. Auch der Onlinemarkt profitierte mit gestiegenen Verkaufszahlen vom Weihnachtsgeschäft: der Anteil an Online-Käufen betrug zuletzt ca. 13% des weihnachtlichen Gesamtumsatzes.
Bisher konnten die digitalen Kanäle jedoch noch nicht die vorweihnachtliche Shoppingtour inklusive traditioneller Weihnachtsmarktbesuche ersetzen. Was wird sich also in diesem Jahr ändern? Bis heute wurde bereits eine Vielzahl der (bekanntesten) Weihnachtsmärkte, wie der Nürnberger Christkindelsmarkt, abgesagt. Städte arbeiten mit Hochdruck an Alternativen, während der Bund zeitgleich den Teil-Lockdown für November verhängt. Die Unsicherheit darüber, in welchem Umfang alternative Konzepte wie sogenannte „Glühweingärten“ in diesem Jahr realisiert werden können, bleibt. Im Umkehrschluss lassen sich nur vage Einschätzungen über die möglichen Besucherzahlen der Alternativveranstaltungen treffen. Eines ist klar: Dieses Jahr wird es deutlich schwieriger sein, die Kunden in stationäre Läden zu locken. Die Verunsicherung durch die zuletzt gestiegenen Infektionszahlen überwiegt vielerorts und mindert die Lust am Shoppen in Geschäften und Innenstädten.
Es ist also keine wirkliche Überraschung, dass das Weihnachtsgeschäft 2020 in diesem Jahr stark von der Corona-Pandemie beeinflusst wird. Belegt wird diese Erkenntnis durch den Corona Consumer Check des ECC Köln. Dieser untersucht seit März 2020 in regelmäßigen Erhebungen die Auswirkungen der Pandemie auf das Kaufverhalten.
Im Hinblick auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft gaben 52% der Befragten in der letzten Erhebungswelle des Consumer Checks an, in diesem Jahr die vollen Innenstädte eher meiden zu wollen. 41% werden ihre Einkäufe überwiegend online tätigen. Im Vergleich zu 2019 soll der Anteil der Weihnachtseinkäufe, die online erledigt werden, sogar um zehn Prozentpunkte steigen, von 38 auf 48 Prozent. Damit würde nahezu jedes zweite Weihnachtsgeschenk aus dem Internet stammen und der Onlinehandel mit dem stationären Handel gleichauf liegen!
Die bereits im Frühjahr zu erkennende Kanalverschiebung setzt sich also auch zum Ende des Jahres hin noch durch. Das Weihnachtsgeschäft 2020 wird demnach die digitalste Version, die wir bisher erlebt haben. Für Händler bedeutet dies: Wer jetzt noch keinen Onlineshop hat, sollte schnellstmöglich einen aufbauen und sich überlegen, ob er bestimmte Produkte nicht noch zusätzlich über eine der etablierten Plattformen anbieten sollte.
Trotz positiver Vorhersagen für den Onlinehandel ist Vorsicht geboten: Auch wenn Onlinekanäle sich seit der Pandemie größter Beliebtheit erfreuen, wird das diesjährige Weihnachtsgeschäft nicht automatisch ein Selbstläufer. Der Wettbewerb wird so groß wie nie und Kunden haben die Qual der Wahl. Laut einer Google-Studie sind Verbraucherinnen zwar meist loyal zu den ihnen vertrauten Händlern, aber dennoch offen für Neues: 20% gaben an, gegenüber neuen Marken, Plattformen und Anbietern aufgeschlossen zu sein. Bisweilen bestimmt der Preis die meisten Kaufentscheidungen. Laut den jüngsten Entwicklungen verliert die Frage nach dem günstigsten Angebot jedoch leicht an Bedeutung. Als viel wichtiger wird nun die sofortige Verfügbarkeit von Produkten angesehen (+12% im Vergleich zu 2019). Die Verfügbarkeit wird somit zum neuen Preis, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Verbraucher Lieferengpässe nicht dulden und eine rechtzeitige Lieferung der Bestellung erwarten. Auch die Paketbranche erwartet dieses Jahr Rekordmengen an Paketen. Der Paket- und Expressdienstleister DPD gab beispielsweise an, in den Wochen vor Weihnachten bis zu 2,5 Millionen Pakete pro Tag zuzustellen.
Neben der reinen Verfügbarkeit von Produkten sind aber auch detaillierte Produktinformationen und -bewertungen von besonderer Relevanz. Immer mehr Customer Journeys beginnen online und im Speziellen bei den bekannten Suchmaschinen. Im Kontext des gestiegenen Wettbewerbs und der immer niedrigeren Schwelle für Verbaucher Marken und Händler zu wechseln, sind Informationen, Beschreibungen, Bilder, Videos und Bewertungen essenziell. Sie erhöhen die Chance, dass die begonnene Customer Journey auch bei ihnen endet.
Um die Kaufentscheidungen der Kunden im harten Onlinewettbewerb positiv beeinflussen zu können, gilt es als Unternehmen die geänderten Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und ihnen (online) ein möglichst einzigartiges Kauferlebnis zu bieten. Umso entscheidender ist es, sich auch mit Themen wie Personalisierung zu beschäftigen, die maßgeschneiderte Angebote für die User möglich werden lässt.
Die Konsequenz? Eine gute Experience-Strategie wird für Unternehmen in der diesjährigen Holiday Shopping Season und auch darüber hinaus zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal.
Das Fazit? Es war nie ein besserer Zeitpunkt sich der eigenen und teils wenig beachteten Online- und Digital-Strategie zu widmen, um sich im (Online-)Markt langfristig behaupten zu können!
Dennis Looks, Senior Business Designer & Digital Strategy Consultant bei ecx.io – Teil der IBM iX Agenturfamile
www.ecx.io