Die Dynamik, mit der sich Märkte schnell und erratisch verändern, ist mittlerweile selbst für gut aufgestellte Marktführer eine große Herausforderung. Es geht immer häufiger nicht mehr nur um Margen oder Marktanteile, sondern die Bewältigung von existentiellen Risiken.
Business-Agilität ist dabei ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg und die Grundlage für eine fortwährende digitale Evolution, und wie bei jedem neuen Trend stellt sich die berechtigte Frage, was nur Hype ist und was tatsächlich funktioniert.
Das große Ziel vieler Unternehmen lautet einer aktuellen Kundenumfrage von CGI zufolge, agiler zu werden, damit sie in Krisenzeiten anpassungsfähig sind und sich schnell auf neue Anforderungen einstellen können. Wie wichtig das ist, zeigten im Frühjahr die Corona-bedingten Beeinträchtigungen, die Betriebe entweder komplett lahmlegten oder zu einer Überlastung durch steigende Nachfrage führten. Gewinner waren Unternehmen, die sich in kurzer Zeit neu erfinden und ihr Geschäftsmodell an die veränderte Lage anpassen konnten.
Doch Business-Agilität ist weit mehr als die Flexibilität, sich schnell auf Ausnahmesituationen einstellen zu können oder kurzfristig auf eine Veränderung im Markt zu reagieren. Agile Unternehmen handeln vorausschauend und versuchen, Veränderungen vorherzusehen und sich rechtzeitig auf sie einzustellen. Und sie sind bereit, ihre Handlungen zu hinterfragen und eingeschlagene Wege auch wieder zu verlassen, wenn sie keinen Erfolg versprechen.
Diese Fähigkeit zur kontinuierlichen Anpassung ist für Unternehmen überlebenswichtig in einer globalisierten und zunehmend digitalisierten Welt, in der sich Märkte schnell wandeln und in der junge, dynamische Unternehmen mit disruptiven Technologien und Geschäftsmodellen die Etablierten herausfordern. Die Liste der Unternehmen, die Spitzenstellungen in ihren Marktsegmenten innehatten, es aber nicht schafften, sich schnell und konsequent umzustellen, ist lang und enthält bekannte Namen wie Kodak, Quelle und Nokia.
Kleine Schritte statt Fünfjahrespläne
Business-Agilität hilft Unternehmen dabei, die Entwicklung von Produkten und Services zu beschleunigen. Sie bringen neue Produkte und Services schnell zur Marktreife und können dadurch sowohl gut auf Veränderungen im Markt reagieren als auch mehr experimentieren, um mit innovativen Produkten voranzugehen.
Das hat auch eines der weltweit größten Pharmaunternehmen erkannt, und sich, unterstützt von CGI, agil aufgestellt, um innovative Kunden- und Patientenerfahrung zu etablieren, ein lernendes Unternehmen zu werden und sich besser im Markt zu positionieren.
Fünfjahrespläne und das klassische Projektmanagement, das auf langfristiger Planung und Vorhersagbarkeit beruht, sind ungeeignet, um diese Agilität zu erreichen. Notwendig ist ein großes Ziel, das alle Beteiligten kennen und an dem alle arbeiten, das auf Teilziele heruntergebrochen wird, die in kleinen, gerne auch experimentellen Schritten erreicht werden sollen – und die regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden, um nicht am Bedarf der Kunden vorbei zu entwickeln.
Viele IT-Abteilungen sind bereits so aufgestellt, und auch in anderen Bereichen gibt es häufig Bestrebungen, agile Strukturen zu schaffen und agile Methoden einzuführen. Allerdings arbeiten die einzelnen Abteilungen oder Teams dann meist weiter nebeneinander her – es existieren mehr oder weniger agile Silos, aber das Unternehmen als Ganzes agiert nicht agil. Es fehlt an Business-Agilität.
Stolpersteine auf dem Weg zu mehr Agilität
Solch ein Nebeneinander von agilen Abteilungen und Teams entsteht, wenn Unternehmen die Agilität von oben verordnen und das Top-Management den Mitarbeitern nicht ausreichend vermittelt und durch Leadership vorlebt, dass die agile Zusammenarbeit viel stärker bereichs- und abteilungsübergreifend erfolgen muss. Um agiler zu werden, müssen unter anderem häufige und nicht strategische Entscheidungen dezentralisiert werden. Das kann aber nur funktionieren, wenn wirklich jeder im Unternehmen das Ziel kennt und verstanden hat – nur dann können Verantwortlichkeiten auch auf Teams übertragen werden und nur dann kann es auch eine Reaktion von der Basis darauf geben. In nicht agilen Unternehmen dringen die Erkenntnisse und Einschätzungen, die Mitarbeiter durch ihre Arbeit gewinnen, allzu oft nicht bis zum Top-Management vor.
Häufig stellen sich Unternehmen auch agiler auf und vergessen dabei, ihr Vertragswerk entsprechend umzugestalten. Allerdings passen klassische Werks- und Dienstverträge wegen der vielen kleinen Entwicklungsschritte, der engen Zusammenarbeit mit dem Kunden und der dynamischen Anpassung der Anforderungen nur schlecht zu agil entwickelten Produkten. Am Ende zwingen starre Verträge mit fest vereinbarten Zielen und Preisen die Teams dann doch wieder zur Arbeit nach dem Wasserfallmodell. Agile Verträge berücksichtigen dagegen das iterative und flexible agile Vorgehen, welches absolut transparent ist, jedoch nur kurzfristig plant und handelt.
Und schließlich liegt der Fokus bei den Bemühungen, mehr Agilität zu erreichen, allzu oft nur auf der Entwicklung und Technik. Dabei übersehen Unternehmen, dass auch Abteilungen wie Personal oder Finanzen ein agiler Bestandteil des gesamten, agil operierenden Unternehmens sein müssen, um beispielsweise Stellen ohne abstimmungsintensive Prozesse besetzen und Budgets ohne langwierige Verhandlungen freigeben zu können. Statt einzelne Bereiche zu transformieren, muss langfristig das gesamte Unternehmen neu aufgestellt werden. Denn Business-Agilität braucht Teams, in denen Mitarbeiter aus Produktentwicklung, IT, Vertrieb, Marketing, Personal, Finanz und Recht zusammenarbeiten und gemeinsam ein Produkt repräsentieren. Sie stehen im engen Austausch miteinander und bringen ihre jeweiligen Fähigkeiten ein. Für die Entwicklung des Produkts und das Go-Live sind sie alle als Team verantwortlich.
Eine gemeinsame Sprache für alle Mitarbeiter
Keine Frage, ein großes Unternehmen agil aufzustellen, ist eine Mammutaufgabe, müssen doch teilweise über Jahrzehnte gewachsene Strukturen aufgebrochen und bisweilen schmerzhafte Veränderungen in der Unternehmenskultur angestoßen werden. Schon allein deshalb kann es sinnvoll sein, externe Spezialisten hinzuzuziehen, die Erfahrung mit derartigen Change-Prozessen mitbringen und unbefangen Empfehlungen aussprechen können.
CGI empfiehlt einen evolutionären, agilen Change-Ansatz. Gemeinsam mit dem Kunden wird eine agile Roadmap für die Einführung der Veränderungen im Unternehmen entwickelt. Wichtig ist dabei, die Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu stellen und ihre Talente in Bezug auf Innovation, Kreativität und Zusammenarbeit zu fördern. Die Entwicklung der Roadmap fungiert bereits als Katalysator für die neue Arbeitsweise. Gerade am Anfang ist zudem ein intensives Coaching von Führungskräften und agilen Arbeitsgruppen notwendig, damit diese die neuen Denk- und Arbeitsweisen verinnerlichen und als Multiplikatoren in alle Teile des Unternehmens tragen können. Das Vorgehensmodell wird gemäß dem PDCA-Zyklus (plan-do-check-adjust) kontinuierlich geprüft und weiterentwickelt.
Viele Dinge, die verbessert werden können, fallen beim Erarbeiten der Roadmap und den Gesprächen mit den Coaches schnell ins Auge. Um die angestrebten Veränderungen umzusetzen, müssen Unternehmen jedoch auch bereit sein zu investieren: Einerseits in die Mitarbeiter, die Schulungen und Freiräume benötigen, um sich austauschen, Dinge auszuprobieren und Vertrauen in das neue Vorgehen zu entwickeln – wer vollständig im Tagesgeschäft feststeckt, hat weder die Zeit noch den freien Kopf, um konstruktiv und fokussiert am Unternehmenswandel mitzuwirken. Andererseits in neue Technik, beispielsweise in Testumgebungen und Automatisierungstools, um eine schnellere Produktentwicklung zu unterstützen, oder in Kollaborationswerkzeuge und Räumlichkeiten, welche Teamarbeit und Innovation ermöglichen.
Die neue Unternehmenskultur hält Einzug
Während sich technische Probleme meist vergleichsweise einfach lösen lassen, bereitet vor allem das Change-Management einige Schwierigkeiten auf dem Weg zur unternehmensweiten Agilität. Führungskräfte befürchten Machtverlust, wenn sie Verantwortung abgeben, Fachkräfte sorgen sich, überflüssig zu werden, wenn sie ihr wertvolles Wissen teilen. Und kaum jemand traut sich, gewohnte Pfade zu verlassen und Neues auszuprobieren, um nur keine Fehler zu machen. Innovation benötigt jedoch mutige Entscheidungen und ein Experimentieren – das beinhaltet auch ein mögliches Scheitern. Diese Haltung zu verinnerlichen, ist in vielen Unternehmen und Unternehmensbereichen neues Terrain.
Hier kommt es vor allem auf das Top-Management an, das den Kulturwandel mittragen und unbedingt unterstützen muss. So kann ein Umfeld von psychologischer Sicherheit entstehen, in dem sich Mitarbeiter unabhängig von ihrer Position auf Augenhöhe miteinander austauschen, in dem Fehler offen angesprochen und als Chance zu Verbesserungen gesehen werden und in dem Mitarbeiter eigenverantwortlich handeln können, ohne dass Vorgesetzte jede Entscheidung absegnen.
Werte wie Offenheit und Mut, die für eine Zusammenarbeit in agilen Unternehmen benötigt werden, lassen sich allerdings schlecht von oben vorschreiben – gerade wenn das Unternehmen zuvor sehr hierarchisch organisiert war und eine Fehlervermeidungskultur vorherrschte. Erfahrungsgemäß ist es besser, den Wertewandel durch die Vorgabe einiger einfacher Prinzipien und Maßnahmen einzuleiten, die leicht verständlich und gut umsetzbar sind. So können beispielsweise regelmäßige oder schnell zu treffende Entscheidungen, die keine weitreichenden Auswirkungen haben, von Vorgesetzten an Teams abgegeben werden. Dadurch wird proaktives Vorgehen gefördert, Prozesse werden soweit wie möglich entschlackt und Micromanagement wird vermieden. Sehr wichtig ist es zudem, alle Aufgaben und Tätigkeiten transparent zu machen, sodass zu jeder Zeit der Stand aller Arbeiten einfach ablesbar ist. Dadurch entfallen Reportings und es entsteht Vertrauen ineinander – und man wirkt dem häufig bestehenden Vorurteil entgegen, dass agile Arbeit zu Kontrollverlust führt.
Natürlich brauchen diese Veränderungen Zeit und können nicht einfach eingekauft werden. Zwar können technische Lösungen und Spezialisten für die Verbesserung von Geschäftsprozessen hinzugezogen werden, im Vordergrund stehen jedoch der Veränderungswille und das Engagement des Unternehmens und seiner Mitarbeiter. Ist beides vorhanden, sehen sie schnell erste Ergebnisse und gewinnen an Erfahrung, um ihren Change-Prozess weiter voranzutreiben. Sie lernen, Business-Agilität als permanenten Prozess zu begreifen – und nicht als Zustand, der irgendwann erreicht ist. Denn das ist das Wesen von Agilität: sich und das Erreichte zu hinterfragen und sich stetig anzupassen und weiter zu verbessern.