Wie IT-Unternehmen zum Erfolg der eID beitragen können

Digitale Identität, eID, Elektronische Identität

Die Digitalstrategie des BMDV reflektiert eine klare Vorstellung von modernen Verwaltungslösungen. Dort heißt es: „Digitale Verwaltungsleistungen müssen für alle Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen möglichst einfach, barrierefrei, sicher, jederzeit, transparent und an jedem Ort nutzbar sein und zu spürbaren Erleichterungen im Alltag führen“. Angesichts der aktuellen Situation ist das ein hehres Ziel.

Schon Ende 2025 sollen sich deutsche Bürger:innen nach den oben benannten Prinzipen in mindestens fünf Wirtschaftssektoren über eine staatlich bereitgestellte digitale ID (eID) ausweisen können. Und das Interesse daran besteht. So würden laut Bitkom beispielsweise 58 Prozent der Deutschen gerne Personalausweis, Führerschein oder weitere Dokumente auf ihrem Smartphone speichern können. In der Praxis lässt der Siegeszug der digitalen Identität hierzulande allerdings noch auf sich warten. Anderswo ist man schon bedeutend weiter.

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Indien macht’s vor

Seit 2016 nutzen Indiens Bürger:innen Aadhaar, das weltweit umfassendste biometrische eID-System. Aadhaar ist eine zwölfstellige eindeutige Identitätsnummer, die alle Einwohner:innen Indiens auf der Grundlage ihrer biometrischen Daten (10 Fingerabdrücke, 2 Irisabdrücke und ein Gesichtsfoto) und demografischen Daten freiwillig erhalten können. Dieses System sorgt seither nicht nur für schnellere Ausweiskontrollen, sondern schafft außerdem eine bessere finanzielle Inklusion und eine verbesserte Krisenresilienz im Land. Denn Aadhaar fungiert als digitale Geldbörse und schützt so wichtige Dokumente besser vor Naturkatastrophen. Während der COVID19-Pandemie half Aadhaar der Regierung zudem dabei, die Massen-Impfungen zu planen und durchzuführen. Darüber hinaus ermöglichte es den Bürger:innen, auch während des Lockdowns weiterhin Zugang zu ihren sozialen Leistungen wie Fördergeldern zu erhalten.

Anpassungsfähigkeit und schnelles Reaktionsvermögen

Am Beispiel der COVID19-Krise zeigte sich auch eine der wichtigsten Kompetenzen, die IT-Dienstleister:innen beherrschen sollten, um zum Erfolg der eID beizutragen: nämlich die Fähigkeit, Systeme schnell und effektiv umzustellen. Denn bei digitalen Identitätssystemen handelt es sich nicht um ein statisches Einmalprojekt, das nach dessen Aufbau der Regierung zur Verwaltung überlassen wird. Vielmehr sollte es so konzipiert sein, dass man es immer wieder an neue Kontexte und Situationen anpassen kann – so auch an die Umstände einer Pandemie.

Angesichts einer hohen Ansteckungsgefahr erwies sich beispielsweise der Fingerabdruck nicht mehr als geeignete Methode für die biometrische Identifizierung. So wurde das Registrierungssystem binnen weniger Wochen auf die Gesichtserkennung umgestellt. Auch als die Initiative kurzfristig für Bürger außerhalb Indiens zugänglich gemacht wurde, konnte diese Funktion innerhalb von nur einer Woche eingeführt werden. Solche Änderungen erfordern agile, kompetente Teams, die gleichzeitig Entwicklungsprinzipen und kundenzentrierte Designs berücksichtigen.

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Ein Denken vom Ende her

Die Erfahrungen unserer Zusammenarbeit mit Aadhaar haben gezeigt, dass ein ethischer Fokus bei der Bereitstellung der Technologie ebenso erfolgskritisch ist wie vielseitiges technisches Fachwissen. Ein datenschutzkonformes, verlässliches und faires System, das auf nutzerzentriertem Design basiert, schafft Vertrauen bei den Nutzer:innen und sorgt für dessen Akzeptanz. Bürger:innen profitieren am meisten von einem System, das ihnen ein hochwertiges Ende-zu-Ende-Erlebnis bietet – von der Registrierung über die Genehmigung bis hin zum Support. Ein konstant hohes Situationsbewusstsein und die Fähigkeit, Prioritäten und Pläne zu überdenken, sorgen dabei für den größtmöglichen sozialen und wirtschaftlichen Nutzen. Nur so können staatliche Lösungen agil an neue Einflüsse angepasst werden.

Kombinatorische Innovation mit digitalen Identitäten (eID)

Die Anforderungen an IT-Teams sind bei digitalen Identitätssystemen hoch. Sie benötigen Agilität und die Fähigkeit, kreative Problemlösungen zu finden. Doch um ein Unternehmens-, Sozial- oder Wirtschaftssystem zu transformieren, müssen die bestehenden Systeme nicht unbedingt von Grunde auf neu entwickelt werden. Mitunter genügt schon eine einzelne, effektiv umgesetzte Innovation, um weitreichende Veränderungen zu bewirken. Man denke etwa an das Mobiltelefon oder Cloud Computing. Eine einzige Technologie kann weitere Innovationen in Behörden und sozialen Einrichtungen weltweit anstoßen. Nationale digitale Identitäten haben dieses Potenzial.

Das Beispiel Aadhaar zeigt, wie gut das funktionieren kann. Ein vereinfachter digitaler Zugang zu Dienstleistungen verringerte die Möglichkeiten der Korruption durch finanzielle Mittelsmänner deutlich. Und auch die Wirtschaft profitierte von dem neuen System: Da das neue System die Ausweisprüfungen beschleunigt, erlaubt das eine unkomplizierte Genehmigung von Kleinkrediten im Wert von rund 100 US-Dollar. Dies bedeutet einerseits für viele Bürgerinnen und Bürger eine finanzielle Integration und fördert andererseits auch neue Geschäftsgründungen und sichere Bezahlvorgänge. Denn Unternehmer:innen können digitale Zahlungen für die von ihnen angebotenen Dienstleistungen über eine E-Commerce-Plattform innerhalb des Aadhaar-Ökosystems abwickeln.

Zeit zum Umdenken

Obwohl die Einführung nationaler digitaler Identitätssysteme zweifellos Herausforderungen und Risiken mit sich bringt, können sie das Verhältnis zwischen Staat und Bürger:innen verbessern. Für Bürger:innen kann eine nationale digitale Identität den Zugang zu Dienstleistungen erheblich erleichtern. Sie erlaubt auch einen reibungslosen, bürokratiefreien Wechsel zwischen unterschiedlichen Dienstleistungen und Institutionen. Staatliche Organisationen wiederum können mit digitalen Identitäten den Zugang zu Dienstleistungen einfacher verwalten, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis ermöglichen und durch die automatisierte Identitätsprüfung mehr Zeit für die Dienstleistung selbst aufwenden. Vor diesem Hintergrund sollten nationale digitale Identitäten nicht als eine weitere bürokratische Datenbank betrachtet werden, die einen neuen Raum für kriminelle Machenschaften oder ineffiziente Abläufe eröffnet.

Stattdessen sollten Behörden, Unternehmen und Bürger:innen nationale digitale Identitäten als eine Chance für viele Vorteile – auf allen Seiten – betrachten. Der Erfolg von Aadhaar kann als Inspiration für nationale digitale Identitätsinitiativen auf der ganzen Welt dienen. Für Regierungen in Europa ist es wichtig, die Art und Weise zu betrachten, wie die nationale digitale Identität in Indien eingeführt und weiterentwickelt wurde. Angesichts der Tatsache, dass es die eIDAS-Verordnung mittlerweile durch das EU-Parlament geschafft hat und in Kürze in Kraft treten wird, ist das ein besonders relevanter Faktor.

Matt Simons Thoughtworks

Matt

Simons

Director of Social and Economic Justice

Thoughtworks

Matt Simons ist Director of Social and Economic Justice bei Thoughtworks und setzt sich in dieser Funktion für die soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit für Geschäftsmodelle von Thoughtworks ein.
Vinod Sankaranarayanan Thoughtworks

Vinod

Sankaranarayanan

Head of Public Goods Business

Thoughtworks India

Vinod Sankaranarayanan ist Head of Public Goods Business von Thoughtworks India. Er arbeitet mit Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zusammen, um digitale Lösungen bereitzustellen, die sich nachhaltig positiv auf die Öffentlichkeit auswirken.
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