Viele Unternehmen wollen von Künstlicher Intelligenz profitieren. Doch in welchen Bereichen bringen Tools wie Microsoft Copilot echte Vorteile, wo liegen die Grenzen und was ist bei der Einführung und Nutzung zu beachten? Marco Heid, Head of Content & Collaboration bei Campana & Schott, berichtet aus der Praxis.
Herr Heid, viele Unternehmen beschäftigen sich aktuell mit Generativer KI und speziell Microsoft (365) Copilot. Wo liegen hier die größten Herausforderungen?
Marco Heid: Bei Generativer KI ist anfangs häufig eine große Begeisterung der Belegschaft zu spüren, die jedoch nicht selten bald nachlässt. Wenn Lizenzen einfach ausgerollt werden, ohne den Rollout zu begleiten und die Erwartungen zu steuern, kommt es oft zu Problemen. Wir stellen fest, dass viele Anwender:innen dann in gewohnte Arbeitsweisen zurückfallen.
Um KI-Tools fest zu verankern, sollten Unternehmen auf einen Dreiklang aus Strategie, Readiness und nachhaltiger Adoption setzen. Da die individuellen Ziele sehr unterschiedlich sind, muss eine passende Strategie entwickelt werden, wie Unternehmen mit KI die größten Vorteile erzielen können. Dann muss der Datenbestand geprüft und aufbereitet, also KI-ready gemacht werden. Denn Generative KI ist immer nur so gut wie der zugrundeliegende Content. Danach braucht es eine dauerhafte Change-Begleitung – mit Führungskräften als Vorbilder und Best Practices für tägliche Arbeitsvorgänge. Nur dann gelingt eine nachhaltige Adoption.
Es gibt oft die unterschiedlichsten Wünsche aus den Fachbereichen. Wie können Unternehmen ermitteln, welche Use Cases am vielversprechendsten sind?
Marco Heid: Im ersten Schritt lohnt es sich, die Standard Use Cases in Microsoft (365) Copilot zu betrachten. Dazu gehören etwa automatische Zusammenfassungen von Online-Meetings und die Erstellung von Aufgabenlisten. Anhand von empirischen Studien wie z.B. den Work Trend Index von Microsoft lassen sich ebenfalls bewährte Use Cases ermitteln.
Zusätzlich sollten in gemeinsamen Workshops mit den Fachbereichen Verbesserungspotenziale in deren Arbeitsalltag identifiziert werden. Anschließend klären Copilot-Experten wie Campana & Schott, ob und wie ein KI-Tool die gewünschten Aufgaben erfüllen kann. Erwartungsmanagement und Aufklärung sind sehr wichtig, um realistisch einzuschätzen, was die Technik leisten kann und was nicht.
Welche konkreten Use Cases und Aufgaben werden bereits jetzt sehr gut mit KI gelöst?
Marco Heid: Da gibt es letztlich zwei Bereiche. Erstens: Zum Erstellen von Content gehören etwa das Vorbereiten und Optimieren von Texten und Präsentationen sowie die Erzeugung von Bildern mit Hilfe natürlicher Spracheingaben. KI kann hier vom ersten Entwurf bis zum finalen Feinschliff alle Schritte unterstützen, etwa in der Unternehmenskommunikation oder Vertriebsunterstützung. Aber auch in der Software-Entwicklung wird KI inzwischen häufig eingesetzt.
Der zweite Bereich ist die Recherche und Informationsbeschaffung. Durch die Eingabe natürlicher Sprache und gezieltere Ergebnisse wird KI hier wohl langfristig die klassische Suche ersetzen. Künftig lassen sich komplexere Aufgaben wie eine vollständige Reiseplanung in einem Schritt und mit Rückfrageschleifen durchführen. So kann KI auch als eine Art Coach für die Vorbereitung von Teambuilding-Maßnahmen oder die Kampagnenplanung dienen.
Welche Stärken und Schwächen weist Copilot im Vergleich zu anderen KI-Tools wie ChatGPT auf?
Marco Heid: Die große Stärke von Microsoft (365) Copilot ist die Integration in die Microsoft Office-Welt. So kann man die KI-Funktionen direkt in Teams, Word oder Outlook nutzen. Zusätzlich kann der Microsoft (365) Copilot geschäftliche Dokumente und Informationen in seinen Antworten mit einbeziehen und somit spezifisches Unternehmenswissen verarbeiten. Gleichzeitig bedeutet das einen geringen Implementierungsaufwand für das Unternehmen und es lassen sich viele Drittsysteme wie Salesforce oder SAP direkt anbinden. Im Internet ist viel Wissen darüber verfügbar, etwa Lernvideos, Dokumentationen oder Best Practices. Damit stellt Microsoft KI-Anwendungen für einen breiten Nutzer:innenkreis zur Verfügung. Zudem bietet Copilot im Vergleich zu kostenlosen Tools ein deutlich höheres Niveau an Sicherheit und Datenschutz.
Breite Anwendungsmöglichkeiten gehen aber auf Kosten von Spezialfunktionen. Wer also spezifische Use Cases hat, etwa zur Vertragsprüfung, , benötigt ein eigenes Modell, welches sich mit eigenen Daten trainieren lässt.
Welche der vielen Office-Applikationen kommen in der Praxis besonders gut an?
Marco Heid: Die meisten Mitarbeitenden nutzen die KI-Funktionen von Copilot über Microsoft Teams und Outlook. Auch Copilot in Word sehen wir häufig in der Anwendung. PowerPoint und Excel holen auf. Interessant für Nutzer:innen von Microsoft Dynamics ist der Copilot for Sales, der KI-unterstützt CRM-Daten in Outlook und Teams aufbereitet und Vertriebsprozesse unterstützt. Ein Geheimtipp ist Whiteboard. Hier kann Copilot schon ziemlich gut für Zusatzideen in Kreativmeetings sorgen.
Wie läuft die Unterstützung durch Campana & Schott?
Marco Heid: Wir begleiten unsere Kunden über mehrere Monate hinweg durch das gesamte Projekt, von der Planung und Pilotierung über die Durchführung bis zur Rollout-Begleitung. Dies beginnt häufig mit dem Erstellen und Nachschärfen der KI-Strategie sowie der Identifizierung der Use Cases. Wir sorgen dafür, dass die relevanten Fragen aus Sicht von Datenschutz- und Compliance für einen gesicherten Einsatz berücksichtigt und unterstützen bei der Implementierung technischer und organisatorischer Maßnahmen. Wir erstellen Leitfäden und Prompts für die Personas, entwickeln Extensions, setzen Communities auf und strukturieren das Projekt. Wir unterstützen das Change & Adoption Management und führen mit Hilfe eines eigens von uns entwickelten Kalkulators eine Business-Value-Analyse durch. So erhalten Unternehmen eine umfassende Unterstützung aus einer Hand und auf Augenhöhe.
Welche Chancen bieten die sog. Copilot Extensions, die in vielen Unternehmen noch gar nicht zum Einsatz kommen?
Marco Heid: Mit Copilot Extensions lassen sich neue Funktionen und Schnittstellen ergänzen. Dies dient zum Erweitern und Anpassen der Lösung anhand individueller Anforderungen. Wir haben bei einem Kunden etwa individuelle Funktionen für Modellsuche und Support sowie die Schnittstelle zwischen Copilot und der Wissensdatenbank, welche die Studien enthält, programmiert. Dafür bietet das Entwicklungstool Copilot Studio eine grafische Benutzeroberfläche, mit der sich auch Daten und PlugIns integrieren sowie Workflows automatisieren lassen.
Welche konkreten technischen Innovationen stehen bei Microsoft und den Copilot Produkten als nächstes an, die zeitnah weitere Mehrwerte bringen?
Marco Heid: Künftig wird Microsoft hier verstärkt in Richtung spezifische Lösungen für typische Use Cases einzelner Fachbereiche gehen. Nach den verfügbaren Copilots für Vertrieb und Finance erwarten wir hier zeitnah weitere, etwa für Marketing, Support oder HR. Zudem werden die Sprachmodelle laufend verbessert. So hat Microsoft zum Beispiel die neue Version GPT-4 Turbo bereits in Copilot integriert und wir warten gespannt ob und wann das neueste multimodale Modell GPT-4o integriert wird, welches u.a. gesprochene Konversationen in Echtzeit mit der KI ermöglicht.
Wir groß ist das Interesse an Microsoft (365) Copilot in Deutschland?
Marco Heid: Sehr groß. Wir haben vor kurzem unser 50. Kundenprojekt für den Einsatz von Microsoft Copilot gestartet, wobei die Hälfte bereits erfolgreich abgeschlossen ist. Demnächst dürften wir die Marke von 70 erreichen. Auslöser des hohen Interesses sind insbesondere der steigende Innovations- und Wettbewerbsdruck, aber auch Wünsche der eigenen Mitarbeitenden.
Als langjähriger Microsoft-Partner sind wir bei Copilot von der ersten Stunde an dabei. Bereits vor dem Marktstart im November 2023 haben wir uns intensiv mit der Lösung beschäftigt. Inzwischen verfügen wir über umfangreiche Projekterfahrungen für alle Reifegrade, von der Readiness und Pilotierung über den Rollout und die Change-Begleitung bis hin zu Erweiterungen und der Entwicklung kundenspezifischer Lösungen. So können wir sämtliche Unternehmen bei allen Copilot-Projekten kompetent und mit umfassender Expertise unterstützen.
Herr Heid, wir danken für das Gespräch.