Maschinelles Lernen – Banken kommen an KI nicht vorbei

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein heutzutage oft verwendetes Schlagwort, das immer häufiger mit Zukunftsthemen in Unternehmen, der Forschung und Wirtschaft in Verbindung gebracht wird. KI wird auch als wichtiger Bestandteil für die Zukunft des Bankings gesehen – nur noch nicht von der Bankenbranche selbst.

Laut einer aktuellen Studie von Q_PERIOR und Lünendonk haben erst 9 Prozent der befragten Banken KI in ihre bestehenden Prozesse integriert. Mit 41 Prozent stuft ein nicht unerheblicher Teil der Banken KI als aktuell irrelevanten Zukunftsfaktor ein.

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Doch Fakt ist: Der weltweite Umsatz von KI-Unternehmensanwendungen wird in den kommenden Jahren stark steigen. Auch Banken müssen sich daher bewusst machen, dass der Einsatz von KI-Technologien das Bankengeschäft in wenigen Jahren nachhaltig beeinflussen wird.

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KI im kommerziellen Einsatz – Machine Learning

Um künftig wettbewerbsfähig zu bleiben, muss modernes Banking einen wichtigen Teilbereich der KI nutzen: Maschinelles Lernen (ML). ML ist die gegenwärtig relevanteste Form der KI für Unternehmen im kommerziellen Einsatz und beschreibt die Generierung von Informationen aus Daten durch Erfahrung. ML-Modelle lernen dabei aus vorhandenen Trainingsdaten Gesetzmäßigkeiten und Muster, welche sich verallgemeinern lassen. Angewendet auf neue, unbekannte Datenbestände können somit Problemstellungen gelöst werden.

In den letzten Jahren hat vor allem Deep Learning, eine Methode des MLs, zu bahnbrechenden Entdeckungen und neuen praktischen KI-Anwendungen geführt. Mit Hilfe einer dem menschlichen Gehirn nachempfundenen neuralen Netzstruktur, lassen sich dadurch sehr große Datenmengen analysieren. Statt für jeden Zweck programmiert zu werden, basieren diese Modelle und Anwendungen auf selbstlernenden Algorithmen, die die operative Grundlage bilden. Mit der Fähigkeit, strukturierte und unstrukturierte Daten zu verarbeiten, helfen diese intelligenten Algorithmen die wachsenden Datenmengen von Banken effektiv zu nutzen, neue Einsatzzwecke zu ermöglichen und spezifische Problemstellungen anzugehen.

Strukturierte Daten liegen in einer standardisierten Form vor, in der Datenfelder in festen Datensatzlängen nebeneinander ausgerichtet werden. Ein Beispiel hierfür sind beispielsweise Kunden- und Kreditdaten, die in fester Tabellenform existieren. Unstrukturierte Daten hingegen enthalten kein festgelegtes Datensatzformat. Das heißt: sie können in jeder beliebigen Form, etwa als Bilder, Audiodaten, Dokumente, Objekte, Social-Media- oder Webseiteninhalte, vorliegen. Diese unstrukturierten Daten umfassen etwa 80 Prozent des Datenbestandes einer Bank.

Einsatzzwecke von ML umfassen hierbei alle Tätigkeiten, die Routinecharakter haben, vorhersehbar sind oder ein hohes Automatisierungspotenzial aufweisen – also alle Situationen, in denen es ausreichend Daten gibt, an denen die Algorithmen lernen können. Mithilfe der Algorithmen können sieben Problemstellungen der prädiktiven Modellierung angegangen werden: Klassifikation, Regression, Clusterbildung, Dimensionsreduktion, Optimierung, Assoziationserkennung und Generierung neuer Daten (siehe Bild). Im Grunde kann ML Vorhersagen generieren, Empfehlungen und Entscheidungen aussprechen, Erkennungsaufgaben bewältigen und Daten aufbereiten.

Machine Learning in der Finanzindustrie

Innerhalb der Finanzindustrie gibt es zahlreiche Anwendungsfälle – einschließlich Kreditentscheidungen, Risikomanagement und Betrugserkennung – die derzeit oft noch mit Hilfe von veralteten, regelbasierten Systemen durchgeführt werden. Diese Systeme berücksichtigen dabei einige wenige kritische Finanzparameter und vergleichen sie mit einem erforderlichen Mindestschwellenwert. Auf dieser Grundlage können Finanzinstitute beispielsweise feststellen, ob bestimmte Kunden für eine Kreditaufnahme in Frage kommen.

Mit ML kann man jedoch etliche Schritte weiter gehen. Anstatt nur wenige Parameter zu berücksichtigen und mit Schwellenwerten abzugleichen, können Algorithmen aus repräsentativen historischen Datenquellen Zusammenhänge erkennen. Ein Beispiel: Kunden, die regelmäßig Kasinos besuchen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit Kredite nicht zurückzuzahlen als andere Kreditnehmer bei ansonsten gleichen Bedingungen. Der Algorithmus erlernt dabei, Personen mit ähnlichen Profilen unterschiedlich hohen Kreditrisikoquoten zuzuordnen.

Während der Allgemeinheit die Technologie vielleicht komplex erscheinen mag, hat die ML-Forschungsgemeinschaft große Anstrengungen unternommen, ML für jedermann zugänglich zu machen. Zum Beispiel konzentriert sich das Konzept des automatisierten maschinellen Lernens (kurz AutoML) auf die Entwicklung und Automatisierung von Pipelines für ML, die auch von Laien zu realen Problemlösungen genutzt werden können. Weiterhin bietet dieses Konzept auch Teams, die bereits intensiv mit ML-Anwendungen arbeiten, den Vorteil, Modellentwicklungszeiten drastisch zu reduzieren, ohne die Vorhersagekapazität zu verringern.

Eine der wichtigsten Entwurfsentscheidungen von KI-Anwendungen ist jedoch der Kompromiss zwischen Modellkomplexität und Modellerklärbarkeit. Da ML-Modelle immer komplexer werden, neigen sie in der Regel dazu Algorithmen mit einfacheren internen Darstellungen in der Modellleistung zu übertreffen.

Die Zunahme des Komplexitätsgrades hat jedoch den Nachteil, oft schwieriger erklärbar zu sein. Besonders für die Finanz- und Bankenbranche ist die Erklärbarkeit einer Vorhersage jedoch wichtig. Finanzinstitutionen sind gesetzlich verpflichtet, alle Details offenzulegen, die während eines Entscheidungsprozesses berücksichtigt wurden. Einfach ausgedrückt: Finanzinstitute können den Darlehensantrag einer Person nicht deshalb ablehnen, weil „der Algorithmus es ihnen gesagt hat“. Sie müssen vielmehr jederzeit in der Lage sein zu begründen, warum die entsprechende Entscheidung getroffen wurde. Daher ist die Verwendung eines komplexen Black-Box-Modells für die meisten Finanzinstitute ein Tabu.

Die Lösung liegt in der Explainable Artificial Intelligence (XAI). Dieser relativ neue Forschungszweig der KI konzentriert sich auf die Entwicklung von Verfahren und Algorithmen, die – zusätzlich zu den regulären Vorhersagen – auch in der Lage sind zu erklären, wie sie zu einer bestimmten Vorhersage gekommen sind. Ein Ansatz von XAI ist beispielsweise das Erklärungsmodell LIME (Local Interpretable Modelagnostic Explanations). Mithilfe von LIME können diejenigen Inputvariablen ermittelt werden, die am stärksten für das Vorhersageergebnis des Modells verantwortlich sind. Ein weiterer Schwachpunkt von ML-Algorithmen ist, dass sie Daten nicht verstehen können, welche oft menschliche Befangenheiten (Bias) beinhalten. In der Praxis verarbeiten Algorithmen auch fehlerhafte Daten und liefern somit fehlerhafte oder ethisch fragwürdige Ergebnisse. Für verlässliche Modelle muss daher großer Wert auf möglichst repräsentative, Bias-freie Trainingsdaten gelegt werden. 

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Der richtige Algorithmus für objektive Entscheidungen

Machine Learning kann sogar die derzeitigen ethischen Standards innerhalb der Bank verbessern. Oft dienen Ergebnisse regelbasierter Systeme – etwa ob eine Person einen Kredit erhält und wie hoch der Kreditzins sein wird – nur als Orientierungshilfe während des Entscheidungsprozesses eines Kreditsachbearbeiters. Kreditentscheidungen sind daher oft noch sehr subjektiv. Durch die Implementierung leistungsfähiger und erklärender ML-Modelle, die das gesamte Verfahren der Entscheidungsfindung ersetzen, könnten Finanzinstitute die Objektivität der Entscheidungen erhöhen und dabei eine faire und angepasste Behandlung jedes Kunden gewährleisten.

Während gegenwärtige ML-Algorithmen beim Verständnis komplizierter Argumentationsketten oder der Anwendung abstrakter Konzepte an ihre Grenzen stoßen, zeigt sich sehr wohl, dass diese Algorithmen aus den zunehmend großen Datenmengen von Banken wertvolle Informationen für Entscheidungsprozesse generieren können.

Für die erfolgreiche Implementierung von KI-Modellen spielt neben einer unterstützenden organisatorischen und technischen Infrastruktur der Banken sowie einer guten Datengrundlage die Auswahl der richtigen Algorithmen eine zentrale Rolle. Es gibt keinen Universalalgorithmus. Vielmehr gilt: je nach Art der Problemstellung und der Anwendung gibt es Algorithmen, die besser oder weniger gut funktionieren. Die Auswahl eines Algorithmus erfordert Expertise über die zu verwendenden Daten, die jeweiligen Algorithmen, die Probleminstanzen und die Domäne. Beispielsweise hilft eine umfassende Selektionstaxonomie von Algorithmen, welche alle möglichen Auswahlfaktoren sowie Anwendungen und Bereiche einer Bank abdeckt, die bestmöglichen Algorithmen schnell und zuverlässig auszuwählen. Gerade um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Banken mit KI-Einsatz zu erlangen, ist der richtige Algorithmus entscheidend für die Leistungsfähigkeit des KI-Systems.

Tim

T. Mack

Berater

Q_PERIOR

Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören SAP Banking, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen (ML). Im Rahmen seines Masterstudiums an der WHU hat er zudem an einer feldübergreifenden Selektionstaxonomie von ML-Algorithmen geforscht. 
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