Der Bahnhof fährt ab, der Zug bleibt stehen. Mit diesem Bild lässt sich der Großteil der Digitalisierung der deutschen Wirtschaft, des öffentlichen Sektors sowie großer NGOs am treffendsten beschreiben. Dabei sind die Chancen allesamt vorhanden, die digitale Transformation zu nutzen.
Die Voraussetzungen um Werte zu schaffen, zu erhalten oder sogar den berühmten „One step ahead“ zu schaffen, sind gegeben. Zwar wird in der heutigen digitalen Welt der Einsatz von KI, einschließlich Large Language Models (LLMs) wie GPT, immer wichtiger, um im Wettbewerb zu bestehen, die Integration von KI in bestehende Systeme und Prozesse stellt jedoch für viele Unternehmen eine große Herausforderung dar.
Digitalisierte Unternehmen ziehen im Wettbewerb davon – ein mittlerweile einhelliger Tenor. Dabei geht es weit über die Digitalisierung einzelner Teilprozesse hinaus. Der Kerngedanke eines jeden und einer jeder Informationsverantwortlichen hat es mittlerweile zu sein, selbst die einfachsten Prozesse zu digitalisieren. Nehmen wir beispielsweise ein produzierendes Unternehmen: Jeden Monat fangen Dutzende neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an – entweder für neu geschaffene Positionen oder als Substitution für andere, die gehen.
Mit jeder Neueinstellung taucht immer wieder das Bedürfnis auf, die Unternehmenskultur zu vermitteln, spezifische Fragen zum Arbeitsschutz oder bei Standardanweisungen zu beantworten oder auch vermeintlich einfache Prozesse wie Vorgaben bei Auslandseinsätzen oder den Umgang mit Reisekosten und Auslagen neu zu erklären. Der Zeitaufwand dafür ist immens. Und es ist repetitiver Zeitaufwand, der an anderer Stelle fehlt: Zeit, die produktiver hätte genutzt werden können.
Künstliche Intelligenz als Lösung?
Kann KI da über den Tellerrand schauen? Kann KI auch intern bei Fragen unterstützen und ein niederschwelliges Hilfstool sein? Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Befragung des Digitalverbands Bitkom zum derzeitigen Top-Thema Künstliche Intelligenz zeigen, dass rund drei Viertel der Befragten (72 Prozent) davon ausgehen, dass KI eine große Bedeutung für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hat. Allerdings: Nur 15 Prozent nutzen bisher KI im eigenen Unternehmen. Über die Gründe lässt sich viel spekulieren. Aus eigener Erfahrung im Kundenkontakt lässt sich bei uns ableiten, dass zuweilen noch das Wissen und der ganz konkrete Nutzen nicht vollständig klar sind und den Start verzögern. Doch es gibt auch Lichtblicke in der deutschen Unternehmenslandschaft.
Best-Practice-Beispiel
Von der Wirkkraft der KI ist unter anderem der Winnender Reinigungsgerätehersteller Kärcher überzeugt. Nach dem Motto „Gestalten statt hinterherrennen“ will Kärcher, was den KI-Einsatz in Geräten und die Kommunikation, intern wie extern, betrifft, das Feld mit anführen. So haben wir in nur gut zwei Monaten gemeinsam eine exklusive interne Chatbot-Benutzeroberfläche umgesetzt, die ähnlich funktioniert wie ChatGPT. „Die IT-Lösung war in wenigen Tagen aufgebaut. Zeitgleich haben wir Grundlagenwissen zu Prompt Engineering, Anwendungsmöglichkeiten und Datensicherheit aufbereitet und den Mitarbeitenden in verschiedensten Formaten zur Verfügung gestellt. Insgesamt sind wir mit dem Ergebnis mehr als zufrieden“, zieht Leonhard Kerscher, Vice President IT & Digital Transformation bei Kärcher, Bilanz.
KI als Kollege
Das Kärcher-Modell löst komplexe Aufgaben und bietet gleichzeitig ein natürliches Chat-Konversationserlebnis für die Mitarbeitenden. Die Benutzeroberfläche basiert auf dem ChatBot-UI, einem Open-Source-Chatbot-Kit, das entwickelt wurde, um die Oberfläche und Funktionalität von ChatGPT zu imitieren. Mehr als 15.000 Kärcher-Mitarbeitende weltweit sind so angebunden und können die Leistung von KI für ihre verschiedenen, aber jeweils momentanen, situativen Fragen und Zwecke nutzen. Das Tool greift dabei auf die Informationen der hauseigenen Datenbank zu und bereitet entsprechende Antworten auf.
KI ist die Zukunft
Mit der Einführung des Chatbots schlägt Kärcher gleich mehrere Fliegen mit wenigen Klappen: Die Mitarbeitenden werden mit für sie optimalen Ergebnissen an das Thema KI herangeführt. Sie lernen den Umgang und die Kunst des Prompt-Engineerings intuitiv. Das bereitet den Boden für kommende Anwendungen: spezifischer KI-Einsatz bei Programmierungen oder auch beim Kundenservice. „Das Ergebnis ist, dass unsere IT-Abteilung und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der ganzen Welt nun selbstbewusst und fortlaufend Erfahrungen mit KI sammeln können und dabei lernen, wie sich die Technologie gewinnbringend in den Alltag integrieren lässt“, erklärt Kerscher. KI kann so auf einfache Weise der Türöffner für den nächsten Kulturwandel im Unternehmen sein.
Beständiges Lernen
Die Erfahrungen, die die Mitarbeitenden dabei machen, zahlen wiederum auf die Chatbot-Intelligenz ein. Denn die KI lernt laufend mit und verfeinert ihre Ergebnisse dabei zunehmend. Alle Wissensmitarbeiterinnen und -mitarbeiter bei Kärcher sind angehalten, GPT in ihre Arbeitsabläufe oder Prozesse einzubinden. Mehr als 100.000 Anfragen pro Monat an die KI zeigen, dass das Projekt von den Mitarbeitenden gut angenommen wird. Die prompten Antworten der KI lassen vermuten, dass die eingesparte Zeit für die Antworten pro Monat erheblich sein muss. Wichtig bei diesem Punkt: Nicht das Sprachmodell von OpenAI wird durch die Anfragen weiter trainiert. Die Anfragen und Antworten verbleiben im Unternehmen. Damit ist sichergestellt, dass keine Interna nach draußen gelangen. Datenschutz und Datensicherheit bleiben vollständig gewährleistet.
Fazit
Es gibt sie also noch: Die Züge, die abfahren, statt des Bahnhofs. Mit einem stringenten Fahrplan ist es jedenfalls möglich, KI an Mittelstand und Enterprises anzubinden und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die Lösungen sind vorhanden, zuweilen fehlt „nur“ noch der Mut, die Reise auch anzutreten.