EnergieBroker

Digitale Lösungen für den Strommarkt von morgen

Energiewende

Die Energiewende gewinnt aktuell enorm an Bedeutung. Durch den Einstieg der Wärme- und Verkehrssektoren in den Stromsektor wird der Strombedarf steigen und es gilt, diesen Zusatzbedarf möglichst aus erneuerbaren Quellen zu stemmen. Einen Beitrag hierzu könnten die Bürgerinnen und Bürger durch private PV-Anlagen leisten, die über den Eigenbedarf hinaus dimensioniert sind.

Leider bewirkt das aktuelle Förderregime, dass neue PV-Anlagen auf den Eigenbedarf optimiert werden und Altanlagen langfristig bei der Einspeisung zurückfallen können. Viele alte EEG-geförderte PV-Anlagen waren für die Direkteinspeisung dimensioniert, stehen nun aber vor dem Problem, dass ihre Förderverträge nach 20 Jahren auslaufen. Damit stellt sich die Frage nach einem wirtschaftlichen (Weiter-)Betrieb dieser Anlagen. Die bei größeren Anlagen übliche Direktvermarktung der PV-Erträge erfordert einen hohen materiellen und personellen Aufwand, der bei kleinen PV-Anlagen wirtschaftlich nicht tragbar ist. Aktuell steigt die Vergütung zwar an, doch dies ist dem gestiegenen Jahresmittelwert des Marktwertes an den Strombörsen geschuldet und wird voraussichtlich nicht langfristig anhalten.

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Unser Vorhaben EnergieBroker soll dieses Problem durch konsequente Digitalisierung lösen. Dazu haben wir standardisierbare Schnittstellen für einen vollautomatischen Handel mit kleinen Mengen erneuerbarer Energien entwickelt und diesen Handel prototypisch implementiert. Auf Anbieterseite wird ein Angebot für den Verkauf der erwarteten PV- Überschüsse des beginnenden Tages gebildet und automatisch an einen Energie-Broker übermittelt. Zeitlich flexible Käufer solcher Energiemengen wie z. B. Ladesäulen für Elektrofahrzeuge oder Haushalte mit einer Wärmepumpe schicken Kaufgesuche an den Energie-Broker. Dieser führt ein Matching durch, verbindet Verkäufer und Käufer virtuell, koordiniert den Nachweis der Gleichzeitigkeit von Einspeisung und Entnahme, beachtet ggf. Auflagen zur maximalen Distanz zwischen den Handelspartnern (4,5-km-Limit) und regelt die Abrechnung einschließlich Steuern und Netz-Entgelten.

Durch Standardisierung der Schnittstellen könnte auch ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Energie-Brokern hergestellt werden. Nach einmaliger Registrierung beim ausgewählten Energie-Broker und Konfiguration von z. B. angestrebten Mindest- bzw. Höchst-Preisen arbeiten alle beteiligten Komponenten vollautomatisch und ermöglichen dadurch derart niedrige Transaktionskosten, dass auch ein Handel mit wenigen kWh pro Transaktion wirtschaftlich wird.

Abb1 EnergieBroker

( Abbildung 1, Quelle: energiebroker )

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1. Konzept

Das Projekt Energie-Broker zeigt eine technisch gangbare Alternative auf, wie PV-Überschüsse auch kleiner, aber sehr zahlreicher PV-Anlagen durch konsequente Digitalisierung und Automatisierung wirtschaftlich akzeptabel vermarktet werden können. Die neuen, flexiblen Verbraucher/Kunden werden dabei über günstige Preise zur Beteiligung motiviert, die Anbieter durch Aussicht auf attraktivere Erträge. Der Energie-Broker realisiert idealtypisch zeitlich hoch variable Stromtarife ohne größere technische Aufwände, rein dezentral und damit datenschutzfreundlich und mittels marktwirtschaftlicher Mechanismen.

Die erforderliche Software auf Anbieterseite erzeugt täglich eine Ertrags- und eine Verbrauchsprognose (vgl. Abb. 4). Aus der Differenz bildet sie die Überschuss-Prognose für den beginnenden Tag und erstellt daraus ein Angebot (optional mit Mindestpreis pro kWh) für die erwartete Überschuss-Energiemenge, die in einem angegebenen Zeitfenster und mit einer angegebenen maximalen Leistung zum Verkauf steht. Dazu ist regelmäßiges Auslesen der relevanten Stromzähler erforderlich. Die Software kann preisgünstig z. B. als Teil eines bereits vorhandenen HEMS (home energy management system) oder auf vorhandener Hardware (etwa DSL-Router) bzw. günstigen Geräten wie einem Raspberry Pi betrieben werden.

Auf Kundenseite befindet sich die erforderliche Software z.B. in einem HEMS, das eine Wärmepumpe (mit Wärmespeicher) steuert, oder in einer Ladesäule/Wallbox. Sie erstellt ein Gesuch für eine bestimmte Energiemenge in einem vorgegebenen Zeitraum. Der Server des Energie-Brokers vermittelt nun räumlich, zeitlich und preislich zueinander passende Angebote und Gesuche. Kommt ein Handel zustande, sind Angebot und Gesuch verbindlich zu erfüllen; bis dahin sind sie jederzeit änderbar. Nach erfolgtem Zuschlag meldet der Anbieter die Einspeiseleistung der aktuellen Zeitscheibe an den Broker. Der Broker leitet sie weiter an den Kunden, welcher seine Entnahme entsprechend regelt. Die Zeitscheiben sind wählbar, betragen aber höchstens 15 Minuten, wobei perspektivisch ein deutlich rascherer Takt anzustreben ist. Jede Transaktion bildet also einen eigenen, ausgeglichenen Bilanzkreis.

Liefert der Anbieter nicht die zugesagte Menge elektrischer Energie in der vorgegebenen Zeit, wird die Differenz vom Netzversorger beigesteuert und die Zusatzkosten dem Anbieter zugeschrieben. Einem Käufer, der die Entnahme vorzeitig beendet oder die Entnahmeleistung unnötig abregelt, wird dennoch der volle Betrag des akzeptierten Angebots in Rechnung gestellt. Da Transaktionen nicht anonym, sondern nur zwischen vorher beim Broker registrierten Handelspartnern zustande kommen, ist die Abrechnung technisch einfach realisierbar, etwa durch monatliche Rechnungen des Energie-Brokers an die Mitglieder.

1.1 Akteure

Nachfolgend werden die beteiligten Akteure und ihre Aufgaben im Kontext der  regionalen Direktvermarktung vorgestellt.

Abb2 EnergieBroker

( Abbildung 2: Akteure und Verteilnetz )

Verkäufer

Ein Verkäufer (Abb. 2, (1)) bietet überschüssige erneuerbare Energie über einen Energie-Broker (6) zum Verkauf an. Die Überschüsse werden mit Hilfe der in Abschnitt 2.1 erläuterten Modelle berechnet. Ein Verkäufer bzw. ein HEMS kann ebenfalls als Käufer agieren und Gesuche auf einem Energie-Broker veröffentlichen.

Käufer

Ein Käufer (Abb. 2, (2)) stellt Gesuche an einen Energie-Broker und bezieht Strom über das Verteilungsnetz (7) direkt vom Erzeuger. Bei den Käufern handelt es sich typischerweise um zeitlich flexible und regelbare Verbraucher wie z. B. Ladesäulen, Wärmepumpen mit Wärmespeicher oder sonstige Akku-Speicher. Es besteht die Möglichkeit, dass ein Käufer ebenfalls Verkäufer von Strom ist.

Energie-Broker

Der Energie-Broker (Abb. 2, (6)) stellt eine Plattform zum automatisierten Handeln kleiner Mengen erneuerbarer Energien sowie alle notwendigen Funktionalitäten zur Authentifizierung, Transaktionsabwicklung und Abrechnung bereit.

Grundversorger

Als Grundversorger (Abb. 2, (3)) zählt ein Energieversorgungsunternehmen, welches nach §36 Energiewirtschaftsgesetz für die Grundversorgung aller Haushalte in seinem Einzugsgebiet verantwortlich ist.

Verteilungsnetzbetreiber

Der Verteilungsnetzbetreiber (Abb. 2, (5)) stellt das Stromnetz bereit und ist für dessen Instandhaltung verantwortlich.

Finanzbehörde

Die Finanzbehörde (Abb. 2, (4)) ist bezüglich der zu entrichtenden Steuern auf die Einnahmen der Verkäufer bzw. der etwaigen Vermittlungsgebühr des Energie-Brokers involviert.

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1.2 Grundsätze

Standardisierte Schnittstellen für fairen Wettbewerb und günstige Geräte

Damit kein Broker-Monopol entsteht, wird ein Broker-Markt mit fairem Wettbewerb angestrebt. Dazu muss ein einfacher Wechsel der Kunden zwischen verschiedenen Energie-Brokern möglich sein. Dies setzt klare Standards bei den Software-Schnittstellen voraus. Solche Standards minimieren auch die Implementierungskosten auf Seiten der Geräte-Hersteller etwa von HEMS. Unser Konzept sieht optional auch eine zentrale Verwaltungseinheit (Master-Server) vor. Sie soll für alle Kunden und Energie-Broker als zentrale Anlaufstelle dienen und die Einhaltung der Standards sicherstellen.

Minimale Transaktionskosten durch konsequente Automatisierung

Bei allen Prozessen ist auf vollständige Automatisierbarkeit zu achten. Anbieter bzw. Kunden sollen nach einmaliger Einrichtung ihrer Endgeräte (HEMS, BEV, etc.) nur noch gelegentlich ihre Daten prüfen und nicht in den operativen Betrieb des Energie-Brokers eingreifen müssen, denn der dadurch entstehende Aufwand würden die Transaktionskosten unnötig er höhen.

Emergentes netzdienliches Verhalten durch marktwirtschaftliche Handels-Mechanismen

Kunden werden durch günstige Preise und einfachste Bedienung zum Bezug elektrischer Energie motiviert, wenn diese reichlich anfällt, etwa PV-Überschüsse zur Mittagszeit. Eine zentrale Koordination oder Regulierung durch staatliche Stellen oder Netzbetreiber ist nicht erforderlich, Aufgaben des Redispatch 2.0 ließen sich deutlich reduzieren.

Dezentraler Ansatz inkl. Datenschutz

Beim Energie-Broker fallen keine Verbrauchsdaten der Anbieter-Haushalte an, aus denen Rückschlüsse auf Lebensgewohnheiten möglich wären. Energie- Broker sind zwar potenzielle „Datensammler“, stehen aber im Wettbewerb und haben einen hohen Anreiz, ihre Kundendaten zu schützen und Vertrauen aufzubauen.

Regionale Vermarktung

Energie-Broker kennen die Standorte ihrer Kunden und können daher sehr einfach sicherstellen, dass PV-Energie tatsächlich regional gehandelt wird. Die Matching-Regeln sind rasch anpassbar an geänderte gesetzliche Vorgaben, etwa bei einer neuen Interpretation des „räumlichen Zusammenhangs“ der Handelspartner.

Professor

Dr. Heinz Werntges

Professor für Angewandte Informatik

Hochschule RheinMain

Professor Dr. Heinz Werntges ist Professor für Angewandte Informatik an der Hochschule RheinMain und leitet das Teilvorhaben EnergieBroker im Rahmen des Projekts IMPACT RheinMain.

Patrick

Stoy

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Hochschule RheinMain

Patrick Stoy ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Teilvorhaben EnergieBroker des Projekts IMPACT RheinMain an der Hochschule RheinMain.

Johannes

Kaeppel

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Hochschule RheinMain

Johannes Kaeppel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Teilvorhaben EnergieBroker des Projekts IMACT RheinMain an der Hochschule RheinMain.
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