Die Versicherungsbranche steht vor einer Revolution und wird unsichtbare Giganten hervorbringen. Es geht darum, mit digitalen Versicherungslösungen und innovativen Konzepten wie Embedded Insurance seine Kunden in eine neue Ära der Versicherungen zu führen.
Ein Interview mit Hanna Bachmann, Co-Founderin und CRO sowie Torsten Wunderlich, Head of IT Software Development bei hepster.
Was kann man sich unter einem „unsichtbaren“ Versicherer genau vorstellen?
Hanna Bachmann: Der Begriff wirft zu Beginn natürlich ein paar Fragen auf, das Ganze kann man sich aber in etwa so vorstellen: In Zukunft werden die Versicherer keine bekannten Marken oder Unternehmen mehr sein. Vielmehr werden die Endverbraucher die Anbieter der Versicherungen für Ihre Produkte und Besitztümer nicht mehr kennen. Denn diese werden bereits während des Kaufabschluss, im Hintergrund, abgeschlossen. Schließlich vergleicht der moderne Versicherungskunde die Versicherungsprodukte bereits online untereinander.
In Zukunft sollen derartige Prozesse automatisch im Hintergrund laufen: Der Kunde bucht, mietet, least oder kauft ein Produkt oder eine Dienstleistung. Je nach Konfiguration passt sich das im „Checkout“ integrierte Versicherungsprodukt im Hintergrund automatisch an die Bedürfnisse des Kunden an und kann dann während der Buchung mit einem Klick zu- oder abgewählt werden. Alles andere – vom Payment über den Versand der notwendigen Dokumente oder eine etwaige Schadensabwicklung – passiert im Hintergrund und in Echtzeit.
Wie gelingt es, diese in die digitalen Anwendungen zu integrieren?
Torsten Wunderlich: Die Integration solcher „unsichtbaren“ Versicherungen in digitale Anwendungen erfolgt über API-Schnittstellen. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass diese sorgfältig eingebettet werden – so entstehen zahlreiche Vorteile für Unternehmen und Marken. Schließlich können dadurch die gewünschten Versicherungen problemlos in die jeweiligen Prozesse integriert werden.
Denn dank der API ist die Integration auf vielfältigem Wege möglich, ob im klassischen Checkout-Prozess eines Online-Shops oder noch als 1-Click-Lösung in der dazugehörigen App. Dies sind die beiden gängigsten Beispiele, man darf gespannt sein welche Möglichkeiten sich dabei in Zukunft noch entwickeln werden.
Embedded Insurance gilt oftmals als Zukunftsthema der Branche. Welche Indikatoren sprechen dafür?
Hanna Bachmann: Ein Indikator ist die zunehmende Digitalisierung in den verschiedensten Branchen und Bereichen, die als undenkbar galten. Die Finanz- und Versicherungsbranche galt lange als veraltete Institution, die nicht digitalisiert werden kann bzw. will. Jedoch wurden diese durch digitale Plattformen wie N26, PayPal oder Lemonade bereits durchgerüttelt. Der nächste Schritt wäre es, die Wahrnehmung der Endverbraucher zu diesen digitalen Lösungen zu sensibilisieren. Denn die Vorteile sind da, nur muss der Kunde sie kennen und die Lösungen müssen leichter zugänglich werden.
Ein zweiter, zentraler Indikator ist der Wandel der Kundenbedürfnisse. Verhaltensweisen, Strukturen und allgemeine Prozesse passen sich an und eröffnen völlig neue Möglichkeiten. Denn die neuen Generationen wie die Gen Z beispielsweise sind weitaus vertrauter mit den digitalen Angeboten und werden diese früher oder später ganzheitlich bevorzugen. Es geht weniger darum, einem Unternehmen oder einer Marke die Treue zu halten. Viel wichtiger wird es sein, sich möglichst digital, schnell, günstig und auf die jeweilige Situation angepasst versichern zu können. Genau hier greift erneut das Prinzip der Embedded Insurance.
Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um eine ganzheitliche, digitale Versicherungsplattform zu schaffen?
Torsten Wunderlich: Um eine ganzheitliche, digitale Versicherungsplattform zu schaffen ist funktionierender Datenaustausch über APIs notwendig. Deswegen müssen zu Beginn die Kundendaten ordentlich aufbereitet werden. Essenziell wird die Struktur dieser Daten, sowohl in der Aufbereitung als auch Speicherung, sein. Für eine rasche Bearbeitung müssen die gewonnenen Daten unkompliziert geteilt und weitergeleitet werden können. Darauf aufbauend entstehen Schnittstellen, die wiederum eine zentrale Rolle bei der Integration von Embedded Insurance Lösungen spielen.
Ganz wichtig: Plattformen, die langfristig erfolgreich sein möchten, müssen leicht kompatibel sein. Je unabhängiger und einfacher künftige Änderungen integriert werden können, desto effizienter wird die gemeinsame Weiterentwicklung der einzelnen Komponenten vonstattengehen. Und ganz zu Beginn muss eine strategische Grundsatzentscheidung geklärt sein: Gibt es mehr Argumente für die Eingliederung in ein bestehendes Ökosystem – oder soll besser ein eigenes Ökosystem geschaffen werden?
Gibt es innerhalb der Versicherungsbranche weitere IT-Trends, welche in den nächsten Jahren prägend sein werden?
Torsten Wunderlich: Wie in so vielen Branchen sind auch hier Prognosen nur bedingt prognostizierbar. IT-Trends in der Versicherungsbranche sind wie ein Blick in die Glaskugel. Letztlich kommt es darauf an, was Versicherungsunternehmen im Zuge ihrer Digitalisierung erreichen und automatisieren wollen und in welchem Zusammenhang Kosten und Nutzen stehen.
Denn auch Automatisierungen sind nur bis zu einem gewissen Grad sinnvoll. Aus unserer Sicht wird sich jedoch vieles innerhalb der „Cloud“ abspielen, um Prozesse durch AI und Machine Learning zu unterstützen. Auch die Blockchain-Technologie tritt häufig im Zusammenhang mit InsurTech und P2P-Versicherungen auf. Das genaue Ausmaß jedoch bleibt abzuwarten!