Intelligente Automatisierung unter Einbindung von künstlicher Intelligenz (KI) gewinnt zunehmend auch im deutschen Mittelstand an Akzeptanz. Zugleich weitet sich nicht zuletzt wegen der COVID-Pandemie die Automatisierung nun auch auf Prozesse im Vertrieb, Marketing, Kundenservice und bei den Lieferketten aus.
Dies meldet der neue „ISG Provider Lens Intelligent Automation – Solutions & Services Report Germany 2020“ der Information Services Group. ISG ist ein führendes, globales Marktforschungs- und Beratungsunternehmen im Technologie-Segment. Intelligente Automatisierung werde derzeit vor allem genutzt, um Kosten zu senken. Doch langfristig wollten Unternehmen damit vor allem ihre Produktivität steigern und Risiken für den Geschäftsbetrieb minimieren.
„Die Automatisierung konzentriert sich heute nicht mehr nur auf Hintergrundabläufe wie Infrastruktur, IT und Finanzwesen“, sagt Heiko Henkes, Director & Principal Analyst bei ISG. „Längst sind auch andere Geschäftsfunktionen wie Vertrieb, Marketing und Kundenservice in den Blickpunkt von Automatisierungsinitiativen geraten.“ Vor allem auf KI und Machine Learning (ML) gestützte Automatisierung habe in den letzten Jahren an Zugkraft gewonnen.
ISG zählt Deutschland beim Einsatz intelligenter Geschäftsautomatisierung neben den USA und Großbritannien zu den Top-3-Märkten weltweit. Von den hiesigen Unternehmen, die bereits Automatisierungslösung unterhalten, haben ISG zufolge mehr als die Hälfte ihren Kundenservice automatisiert, dicht gefolgt von Vertrieb und Marketing, Finanz- und Rechnungswesen sowie Supply-Chain-Funktionen. Außerdem hat ISG in letzter Zeit eine verstärkte Implementierung von ML in Geschäftsprozessen deutscher Unternehmen beobachtet, die damit die menschliche Entscheidungsfindung unterstützen wollen. NLP (Natural Language Processing) und intelligente Dokumentenverarbeitung stünden derzeit auf der Liste der geplanten Projekte ganz oben.
ISG weist in der Studie auch auf die deutsche Besonderheit des Betriebsverfassungsgesetzes hin, das den Mitarbeitern über den Betriebsrat weitreichende Mitbestimmungsrechte bei Automatisierungsmaßnahmen einräumt. ISG empfiehlt deshalb automatisierungswilligen Unternehmen in Deutschland, sich eng und fortlaufend mit dem Betriebsrat abstimmen, um ein reibungsloses Change Management und eine erfolgreiche Automatisierung der Geschäftsprozesse zu gewährleisten.
Als Folge davon seien in deutschen Unternehmen weniger Personalabbau und Kostensenkungen erste Ziele von Automatisierung. „Deutsche Unternehmen versprechen sich vor allem eine höhere Datengenauigkeit und -qualität, einen verbesserten Kundenservice und Produktivitätssteigerungen“, sagt ISG-Analyst Henkes. „Und wie unsere Marktforschung zeigt, werden in über 75 Prozent der Unternehmen diese Erwartungen auch erfüllt oder sogar übertroffen.“
Zugleich fehle es in vielen Unternehmen nach wie vor an genauen Beschreibungen der Betriebsprozesse und an IT-Service-Dokumentationen. Diese seien oftmals nur in den Köpfen einiger weniger Mitarbeiter vorhanden. „Gehen diese Mitarbeiter, geht auch das Wissen“, sagt ISG-Analyst Henkes. Unternehmen müssten deshalb die Dokumentation dieser Prozesse vorantreiben. Zudem müssten die Verantwortlichen und Mitarbeiter intern enger kooperieren und stärker abteilungsübergreifend agieren, wenn Automatisierungsvorhaben Erfolg haben sollen.
Aufseiten der Anbieter von Automatisierungsservices investieren die führenden Anbieter derzeit deutlich in ihre Vor-Ort-Präsenz in Deutschland, so die ISG-Studie. Sie stellen demnach mehr lokales Personal ein, suchen aktiv nach Übernahmekandidaten und Partnerschaften in der Region, richten sogenannte „Innovation Labs“ in Deutschland ein und arbeiten mit den hiesigen Hochschulen zusammen, um die Nachwuchsförderung zu unterstützen.
Im Teilmarkt „Intelligent Business Automation“ untersuchte ISG insgesamt 21 Anbieter, wovon sich acht als „Leader“ und zwei als „Rising Star“ positionieren konnten.
Im „Leader“-Quadranten des Marktsegments „Intelligent Business Automation“ konnten sich acht Anbieter positionieren.
Die Studie „ISG Provider Lens Intelligent Automation – Solutions & Services Report Germany 2020“ bewertet die Leistungen von 44 Anbietern in drei Marktsegmenten (Quadranten). Neben „Intelligent Business Automation“ sind dies „Artificial Intelligence for IT Operations (AIOps)“ und „Conversational AI“.
Artificial Intelligence for IT Operations (AIOps)
AIOps erfasst in Form einer Automation-as-a-Service-Lösung und als Framework den Zustand der Multi-Cloud-IT-Arbeitslast eines Unternehmens, um den automatisierten Betrieb zu erleichtern. Im Detail geht es dabei um die Verbindung aus KI, ML und Big Data, um die großen Datenmengen zu analysieren, die im Zuge der digitalen Transformation anfallen. In Deutschland sei ein stetiges Wachstum bei Automatisierungsdiensten und der Einführung künstlicher Intelligenz im IT-Betrieb zu verzeichnen. Die ISG-Studie stellt jedoch zugleich fest, dass der Prozentsatz an Unternehmen mit einem KI-gestützten IT-Betrieb im Vergleich etwa zu Großbritannien noch relativ gering sei. Es sei jedoch zu erwarten, dass der AIOps-Markt in Deutschland in den nächsten drei bis fünf Jahren erheblich wachsen werde. Gründe dafür seien vor allem der starke Zuwachs an Daten, die zunehmende Cloud-Nutzung und letztlich der Bedarf an skalierenden Lösungen im deutschen Markt. Dies treibe auch die Automatisierung der Unternehmensprozesse voran. Dadurch steige auch der Bedarf an AIOps-Plattformen.
Conversational AI
Deutschland liegt mehreren unabhängigen Studien zufolge bei der Einführung von Conversational AI, also bei KI-gestützten, automatisierten Dialogsystemen, hinter den USA und Indien auf Platz drei. Viele Start-ups haben sich hierzulande, so ISG, auf intelligente virtuelle Agenten spezialisiert und setzen unter anderem auf die sogenannte Low-Code/No-Code-Entwicklung. Deutsche Unternehmen würden Conversational AI-Technologien vor allem für den Kundensupport in Betracht ziehen und sind offen für das Konzept des „Digital Workers“, der bei der Kommunikation mit Kunden unterstützt.
Die führenden Anbieter in diesem Teilmarkt seien in der Lage, ihre AI-Lösungen mit den bereits bestehenden Technologien ihrer Kunden zu integrieren, zum Beispiel über API-Integrationen (API, Application Programming Interface). Zudem investierten viele Anbieter in Lösungen für die Kommunikation zwischen virtuellen Agenten, bei denen Bots direkt mit anderen Bots kommunizieren. Dadurch könnten viele Prozesse automatisiert werden, während sich zugleich der Ablauf von Geschäftsprozessen stark verändere.
Der ISG-Anbietervergleich nennt Accenture, Arvato Systems, Atos, Capgemini, DXC Technology und IBM in zwei Marktsegmenten führende Anbieter („Leader“). Artificial Solutions, Axians, Cognigy, DATAGROUP, TCS und Wipro werden in jeweils einem Quadranten als Leader aufgeführt.
Weiterhin werden All for One Group, Almato, CANCOM und HCL in jeweils einem Quadranten als „Rising Star“ bezeichnet – nach Definition von ISG ein Unternehmen mit „vielversprechendem Portfolio“ und „hohem Zukunftspotenzial“.
www.isg-one.com