Wenn wir an Behörden denken, fallen den meisten sofort arbeitnehmerunfreundliche Öffnungszeiten, lange Wartezeiten und bürokratische Hürden ein – alles, was weder innovativ noch smart ist.
Doch gerade in der Verwaltung gibt es viele Möglichkeiten, digitale Technologien und Prozesse für effizientere Abläufe und mehr Bürgerfreundlichkeit zu nutzen.
Aus Sicht von NTT müssen Behörden und andere öffentliche Einrichtungen bei der Umsetzung einer smarten Verwaltung folgende Punkte berücksichtigen:
- Gesetzliche Vorgaben als Chance begreifen.
Rechtliche Vorgaben wie das E-Government-Gesetz des Bundes oder das Onlinezugangsgesetz (OZG) fungieren als Treiber. Diese Gesetze verpflichten Bund, Länder und Kommunen, zur Erleichterung für die Bürgerinnen und Bürger die 575 wichtigsten Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 digital anzubieten. Auch wenn der Zeitplan aller Voraussicht nach nicht eingehalten wird, markiert das OZG einen Wandel in Sachen Digitalisierung. Und der nächste „Treiber“ steht bereits vor der Tür: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat schärfere Grenzwerte für die Luftqualität ins Spiel gebracht. Die neuen Limits für die in Verkehr, Haushalten und Industrie emittierten Schadstoffe sind deutlich strenger als die aktuell geltenden. Die Grenzwerte haben zwar reinen Empfehlungscharakter, die EU hat sich bisher aber häufig an der WHO orientiert. Werden die Normen für die Luftqualität verschärft, sind die Städte und Gemeinden gezwungen, mit intelligenten Maßnahmen gegenzusteuern. Gesetzliche Vorgaben wie das OZG oder schärfere Grenzwerte sollten die Verantwortlichen in der öffentlichen Verwaltung deshalb als Chance sehen, sich Gedanken darüber zu machen, was ihre Bürger brauchen.
- Nicht Papiere, sondern Prozesse digitalisieren.
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung muss als Chance zur Neugestaltung von Prozessen verstanden werden. Zwar lassen sich viele Anträge bis hin zu denen für einen neuen Personalausweis mittlerweile online abrufen, aber zum Konzept der smarten Verwaltung gehört deutlich mehr als einen Prozess „irgendwie“ zu digitalisieren. Denn Digitalisierung bedeutet nicht nur einen Wechsel der Zugangskanäle, vielmehr müssen Verwaltungsleistungen für den Bürger so einfach und bequem wie nur möglich zur Verfügung stehen. Die An- und Ummeldung eines Wohnortes oder die Unternehmensgründung sind aktuelle Beispiele, bei denen die fehlende Zusammenarbeit in den Behörden Ende-zu-Ende-Prozesse verhindert. Grundlegend gilt: Sind Abläufe kompliziert und damit ineffizient, wird ein reiner Wechsel von analog zu digital dieses Problem nicht lösen.
- Customer Journey erstellen.
Die Bürger stehen digitalen Verwaltungsservices durchaus aufgeschlossen gegenüber – allerdings nur, wenn diese zeitsparend sowie einfach zu bedienen sind und am besten per Smartphone genutzt werden können. Bei der Neugestaltung von Verwaltungsverfahren und der Entwicklung digitaler Dienste müssen deshalb von Anfang an die Bedürfnisse der späteren Nutzer, die aus ganz unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen kommen, berücksichtigt werden. Sollen Services wirklich für alle Menschen zugänglich sein, müssen einfache Sprache, Barrierefreiheit, intuitive Bedienung sowie proaktives Hinweisen auf Fristen ganz selbstverständliche Bestandteile werden. Aktuell nutzen Bürger mit einem hohen Bildungsabschluss digitale Angebote wesentlich häufiger als jene mit niedrigerem Bildungsniveau oder Migrationshintergrund. Zu einem optimalen Kunden-Erlebnis gehört auch die erlebte Interaktion mit der Verwaltung – das reicht von einem einzigen Nutzerkonto für Meldepflichten und Anträge bis hin zu digitalen Beteiligungsformaten.
- Mitarbeiter einbeziehen.
Digitale Projekte in der öffentlichen Verwaltung scheitern bei ihrer Umsetzung in die Praxis häufig an der zu geringen Bereitschaft der Mitarbeiter, Veränderungen anzunehmen und in ihrer täglichen Arbeit anzuwenden. In der Regel wird ihnen schon eine Menge zugemutet: Behörden müssen mit immer weniger Personal immer mehr Aufgaben abwickeln, die der nationale Gesetzgeber und die EU auf den Weg bringen. Kommen dann noch unklare Anforderungen, eine hohe Komplexität, mangelndes Wissen bis hin zu einer ungenügenden Kommunikation und Partizipation im Vorfeld hinzu, führt das im Ergebnis häufig zu Ablehnung, Überforderung und Verweigerung. Der digitale Wandel in der Verwaltung gelingt nur, wenn die Mitarbeiter in diese Reise eingebunden und Kompetenzen ausgebaut werden. Letzteres klappt nicht mit unspezifischen Weiterbildungen oder einem Handbuch für eine neue Anwendung – vielmehr müssen die Mitarbeiter rollenspezifisch abgeholt und geschult werden.
- Organisatorische und technische Silos einreißen.
Bereichsübergreifendes Denken ist ein Grundpfeiler der smarten Verwaltung. Bislang allerdings ist die Arbeit in Behörden und Ämtern stark strukturiert und reglementiert. Die Folge sind sowohl organisatorische als auch technische Silos, in denen die Mitarbeiter isoliert von anderen Abteilungen, Fähigkeiten und Kenntnissen agieren. Eine solche starre Organisation blockiert allerdings den Wandel, einzelne Behörden müssen künftig enger zusammenarbeiten. So könnten etwa die bereits installierten Sensoren zur Messung der Luftqualität genutzt werden, um je nach aktuellen CO2-Emissionen Verkehrsströme umzulenken. In der Kommunikation mit dem Bürger muss das Ziel sein, Medienbrüche zu reduzieren, indem beispielsweise ein einzelnes Nutzerkonto für verschiedene Verwaltungsprozesse bereitsteht. Werden Dienstleistungen modular angeboten, können sie auch als Best Practices von anderen Behörden eingesetzt werden.
„Die Bürgerinnen und Bürger stellen heute hohe Ansprüche an die digitale Verwaltung. Wer im Alltag ganz selbstverständlich online einkauft und Bankgeschäfte oder Versicherungsanträge per App erledigt, erwartet zu Recht solche niedrigschwelligen, intuitiv bedienbaren Angebote auch vom Staat“, erklärt Marcus Giehrl, Practice Director Innovations and Smart Technologies bei NTT Ltd. „Bislang ist die digitale Verwaltung in den meisten Kommunen und Städten aber eher eine große Baustelle – eine papierlose, vereinfachte und bestenfalls individualisierte Leistungserbringung sucht man vergebens. Natürlich ist der Weg hin zu einer smarten Verwaltung nicht einfach, ein Schritt könnte aber ein sogenanntes Digitallabor sein, in dem neue Möglichkeiten gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern erprobt werden.“