Sie möchten die Leistungen Ihrer Pflegeversicherung wissen oder reklamieren eine Störung bei Ihrem Telekommunikationsanbieter? Dann ist Ihr erster Service-Kontakt vermutlich eine Maschine. Chatbots, bestehend aus den Begriffen Chat“ und „Robot“, sind technische Dialogsysteme, mit denen wir per Texteingabe oder Sprache kommunizieren können.
Was sind Chatbots?
„Ein Chatbot ist wie ein neuer Mitarbeiter. Der kann nicht sofort alles wissen, sondern muss auch trainiert werden.”, sagt die Digital-Expertin Katrin-Cécile Ziegler. Aber was sind Chatbots genau? Welche Varianten gibt es, wie funktionieren sie? Und wie unterscheiden sie sich doch vom Menschen?
Wie Chatbots funktionieren
Regelbasierte Chatbots (Pattern Matching) lernen nicht von selbst dazu, sondern benötigen dafür menschliche Unterstützung. Der Nutzen, den der Amazon-Chatbot bietet, beruht auf der Tatsache, dass dieser den betreffenden Geschäftsprozess erkennt. Durch die Backend-Integration verknüpft er Bestellungen und Kundendaten. Außerdem versteht er die Schlagworte und kann daher kontextbezogene Antworten geben, ja sogar bestimmte Hilfsschritte eigenständig vornehmen. Zum besseren Verständnis dieses Verfahrens kann man einen Chatbot mit einem großen Schrank vergleichen, der 100 verschiedene Schubladen hat, in denen sich Antworten bzw. Lösungen befinden. Wird nun eine Frage gestellt, so stellt der Chatbot die Verbindung zu einer bestimmten Schublade her und öffnet diese. Dabei müssen diese Verbindungen manuell erstellt werden. Grundlage hierfür ist die Integration einer Wissensdatenbank. Diese erlaubt einerseits die einfache Pflege der Inhalte, andererseits kann ein professionelles System auch Konnotationen, Synonyme und Homonyme hinterlegen und dem Bot zur Verfügung stellen. Der Vorteil ist, dass alternative Schreibweisen oder eben Synonyme (beschädigt, defekt, fehlerhaft, zerkratzt, kaputt etc.) nicht dazu führen, den Bot außer Gefecht zu setzen, sondern eine erweiterte „Mustererkennung“ erlauben.
Aufgrund dieser intelligenten Mechanismen werden regelbasierten Bots häufig mit KI in Verbindung gebracht – eine Bedeutungsunschärfe. Denn der Chatbot lernt nicht selbst dazu, sondern über seine Dialog-Schnittstelle vom Menschen. Aber auch umgekehrt: Denn die Maschine listet auch Fragen auf, wozu es noch keine Antworten gibt bzw. dokumentiert neue Begrifflichkeiten, so dass der Redakteur Lösungen einpflegen kann, an die er in diesem Kontext noch gar nicht dachte bzw. neue Begriffe einordnen kann. In der Praxis lassen sich regelbasierte Chatbots sehr viel schneller und flexibler pflegen und spielen bei vielfältigen, sich häufig ändernden Inhalten ihre Vorteile aus.
Ein Beispiel hierfür ist der Corona-Bot auf der Website des Landkreises Ludwigsburg. Seit Mitte April 2020 steht er als neue Informationsquelle für sämtliche Fragen rund um Corona-Regularien und -Richtlinien zur Verfügung – und entlastet die Hotline bzw. die Behörden des Landkreises erheblich.
Innerhalb einiger Tage war der Bot mit spezifischen Fragen und Antworten gefüttert, einsatzbereit und erreichte Spitzenwerte von 1.600 Nutzern pro Tag. Egal, ob es um die Notfallbetreuung von Kindern, Mundschutz, Testlabors bei Symptomen oder Fragen zur aktuellen Schulsituation geht – das System lieferte durch eine intelligente Dialogsteuerung verlässliche Antworten auf alle wichtigen individuellen Fragen zu den regionalen Corona-Regelungen. Neue Erkenntnisse bzw. Themen ließen sich bedarfsgerecht integrieren. Somit lieferte der Chatbot stets aktuelle Antworten und das bei überschaubarem Redaktionsaufwand.
Quelle: USU
KI-basierte Chatbots
Neben dem manuell gepflegten, oben beschriebenen Pattern-Matching-Verfahren gibt es das selbstlernende Klassifikationsverfahren (KI-basierte). Dabei definiert man pro Intent, also pro Antwort/Lösung bestimmte Phrasen (so genannte Utterances), die zu dieser Antwort passen. Beispielsweise sollte durch die Aussagen „Ich hätte gerne etwas zu essen?“, „Die Speisekarte bitte“, „Was haben Sie für den kleinen Hunger zwischendurch?“, „Welche Gerichte können Sie empfehlen?“, „Was gibt´s zu Essen?“ … dieselbe Absicht erkannt werden.
Das Problem ist, dass das System die Einzelphrasen nicht kennt, sondern aus einer Menge von Datensätzen Muster lernt und diese auf die Antwort abbildet. Um mit KI einen positiven Effekt zu erzielen, muss man die Maschine mit einer „kritischen Masse“, also mit hunderten von Datensätzen füttern. In der Praxis ist der Aufwand für diese „Intent recognition“ extrem hoch. Für 100 Antworten benötigt man zigtausende von Utterances – und damit viel Zeit, die Service-Teams in der Regel nicht haben.
Dazu kommt, dass der Bot alleine durch maschinelles Lernen (ML) auf Basis von Massendaten nicht ohne weiteres lernt, wann er eine Antwort NICHT erkennen soll. Beispielsweise „Oma besuchen“ und „Oma im Heim besuchen“ – in Zeiten von Corona sind diese Fragen komplett unterschiedlich zu beantworten. Dennoch: Chatbots, die auf ML basieren, werden mit jeder Interaktion klüger. Der Aufwand hinter diesen Chatbots ist zwar deutlich grösser als bei strukturierten Bots, aber der Vorteil ist, dass sie für komplexere Themen genutzt werden können.
Ein weitere KI-Funktion von Chatbots nennt sich „Entity Extraction“ – ein wichtiges Mittel zur präziseren Bearbeitung von Anfragen. Extraktoren können dazu verwendet werden, um wichtige Informationen wie beispielsweise Namen, Zahlen oder den Zweck der Eingabe aus Texten herauszufiltern. Entity Extraction ist ein Ansatz von Natural Language Processing (NLP), um die menschliche Sprache zu verarbeiten sowie Erkenntnisse aus Daten zu gewinnen und in sinnvolle Informationen umzuwandeln.
Beispiele hierfür sind das Zuordnen einer Telefon-Vorwahl oder Postleitzahl zu einer bestimmten Stadt bzw. Region bzw. das Erkennen eines konkreten Datums auf natürlichsprachliche Redewendungen wie morgen, übermorgen etc. Im konkreten Fall frägt der Bot im Kontext einer PKW-Zulassung nach der Postleitzahl. Nach der Eingabe meldet das System den Ort und die aktuell eingeschränkten Öffnungszeiten und fragt darüber hinaus, wann der Fragende für diesen Behördengang Zeit hätte. Dieser antwortet: Morgen früh um 11 Uhr. Die Maschine übersetzt dies in ein konkretes Datum, gleicht dies mit aktuellen Termin-Liste der Zulassungsstelle ab und bestätigt –
im Idealfall – gleich den Termin.
Quelle: USU
Praxiserfahrungen mit Chatbots
Wie immer in der Kommunikation gibt es gute und schlechte Erfahrungen. Ein Dialog ist konstruktiv und zielführend, oder man redet aneinander vorbei. Nicht anders sind unsere Erfahrungen bei der Kommunikation mit Chatbots.
So möchten wir von unserer Versicherung gerne eine Rechnungskopie für das Finanzamt haben und nutzen hierzu den Online-Chat auf der Website, der auch sonntags Hilfe verspricht. Aber auf die Eingabe „Ich brauche eine Rechnungskopie für das Finanzamt“ – meldet der Bot das Folgende:
Quelle: USU
Diese Antworten sind unbefriedigend – denn der Chatbot sucht in seinem Dokumentenbestand nur nach der Wortfolge „ich brauche“ und liefert daher keine hilfreichen Antworten. Ganz anders funktioniert der Kunden-Chatbot bei Amazon. Nach der Eingabe „Artikel war beschädigt“ fordert er dazu auf, den Artikel auszuwählen, für den man Hilfe benötigt. Und listet schon einmal die letzten Bestellungen auf.
Quelle: USU
Dieser Chatbot ist sehr praktisch, denn er ist genau auf diesen Einsatzzweck (Use Case) ausgerichtet. Kunden müssen sich nicht durch die sehr komplexe Website bei Amazon durchnavigieren, sondern erhalten rasch im Kontext ihres Anliegens die Lösung.
Richtig eingesetzt können Chatbots über ihr „conversational interface“ Text oder Sprache verarbeiten und neue Einsatzbereiche erschließen. Ein gutes Beispiel für einen sinnvollen Einsatz ist die Sprachsteuerung im Auto, die es ermöglicht, die Hände am Lenkrad und die Augen auf der Straße zu lassen.
Fazit
Viele Experten sehen in Chatbots die Zukunft der Mensch-Maschine-Kommunikation. Die Vorteile liegen auf der Hand: Denn Chatbots vermitteln Wissen – direkt, effektiv, wirtschaftlich, unabhängig von Zeit und Ort. Dabei ist in den letzten Jahren ein Hype um den Einsatz und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) entstanden. Insgesamt lässt sich so feststellen, dass das Assoziieren von Bots mit KI viel zu kurz greift. Die oben genannten Beispiele zeigen, dass der Einsatz von KI bei vielfältigen, sich häufig ändernden Inhalten zu unflexibel ist. Chatbots spielen die Vorteile nicht wegen KI aus, sondern z.B., weil sie konkrete Fragen sammeln, eine Schnittstelle zum Informationsaustausch bieten, auf einen klar definierten Use Case ausgerichtet sind etc. Was in diesem Zusammenhang häufig als KI benannt wird, kann man neutraler auch als „Data Driven Services“ bezeichnen. Die Services funktionieren jedoch nur, wenn auch genügend Daten verarbeitet werden können. Daher setzt man solche Funktionen eher für zeitstabile und allgemeine Aspekte ein. KI-basierte Chatbots finden in einigen Verticals Verwendung, z.B. der Chatbot Amelia für IT-Services oder Mya von Stepstone zur Automatisierung des Recruiting. Übrigens schließen sich beide Verfahren nicht aus: Es kann sich anbieten, für neue Themen einen Chatbot mit Pattern Matching zu trainieren und im Laufe der Zeit – wenn genügend Daten vorhanden sind, zur KI-basierten Klassifikation zu wechseln.
Insgesamt liegt der große Mehrwert von Chatbots vor allem in der Unterstützung einfacher, gut strukturierter Servicefälle: bei Standardauskünften, Umfragen, dem Support oder der Vorqualifizierung. Chatbots sind jedoch (noch) nicht in der Lage, jede Frage und jedes Thema abzudecken. Dafür ist unsere menschliche Kommunikation zu komplex.
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