Studie

Digitalisierung kann fast die Hälfte zu den Klimazielen beitragen

Quelle: Inna Bigun / Shutterstock.com

Digitale Technologien können fast die Hälfte dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaziele bis zum Jahr 2030 erfüllt. Wie eine aktuelle Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom ergibt, kann der CO2-Ausstoß durch den gezielten und beschleunigten Einsatz digitaler Lösungen in zehn Jahren um 120 Megatonnen reduziert werden.

Das entspricht fast jeder zweiten Tonne dessen, was Deutschland noch einsparen muss, um die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen. „Digitale Technologien bergen ein riesiges Potenzial für mehr Klimaschutz. Jetzt wollen wir dieses Potenzial für Deutschland auch konkret beziffern“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Mit der Digitalisierung halten wir einen extrem starken Hebel in der Hand, um den CO2-Ausstoß schnell und effektiv zu senken.“ Lag der CO2-Ausstoß 2019 noch bei 805 Megatonnen, so darf er 2030 lediglich 543 Megatonnen betragen. Im Jahr 2030 müssen also 262 Megatonnen CO2 weniger ausgestoßen werden als im vergangenen Jahr. Die Bitkom-Studie wurde von Umwelt- und Digitalisierungsexperten von Accenture durchgeführt.

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In der Studie werden insgesamt sieben Anwendungsbereiche für digitale Technologien untersucht, in denen ein besonders großer CO2-Einspareffekt erzielt werden kann. Die ersten vier Anwendungsbereiche sind nun abschließend analysiert, die Ergebnisse werden anlässlich des Digitalgipfels der Bundesregierung am 30. November und 1. Dezember vorgestellt. Dabei handelt es sich um die Bereiche industrielle Fertigung, Mobilität, Gebäude sowie Arbeit & Business. Bis Frühjahr 2021 folgen Landwirtschaft, Energie und Gesundheit. „Je mehr wir über den Zusammenhang von CO2-Ausstoß und Digitalisierung wissen, desto besser können wir die enormen Potenziale digitaler Technologien für den Kampf gegen den Klimawandel nutzen“, betont Berg.

Entscheidend werde sein, mit welchem Tempo der Einsatz der Digitalisierung in der kommenden Dekade vorangetrieben wird. So beziffert die Studie das CO2-Einsparpotenzial der betrachteten vier Bereiche bei einer eher moderaten Entwicklung der Digitalisierung, wie sie aktuell in Deutschland stattfindet, auf rund 78 Megatonnen bis zum Jahr 2030 – das sind 30 Prozent der notwendigen CO2-Einsparungen. Mit einer beschleunigten und gezielten Digitalisierung ist die Reduktion mit den genannten 120 Megatonnen CO2 jedoch deutlich größer und beträgt 46 Prozent der notwendigen Einsparungen. „Je schneller und konsequenter digitale Technologien eingesetzt werden, desto mehr CO2 können wir künftig einsparen“, bilanziert Berg. Die Ergebnisse der Studie zu den untersuchten vier Bereichen im Überblick:

Industrielle Fertigung

Im Bereich der industriellen Fertigung entfalten digitale Technologien das größte CO2-Einsparpotenzial unter den betrachteten Anwendungsbereichen: Bis zu 61 Megatonnen CO2 können bei einer beschleunigten Digitalisierung bis 2030 eingespart werden – und 35 Megatonnen bei einem moderaten Digitalisierungstempo. Maßgebliche Technologie ist zum einen die Automatisierung in der Produktion, bei der Anlagen und Maschinen, Werkstücke und ihre Bauteile miteinander vernetzt sind und Prozesse selbstständig unter möglichst geringem Material- und Energieeinsatz ablaufen. Zum anderen sorgt der sogenannte Digitale Zwilling für deutliche CO2-Einsparungen: Diese virtuellen Abbilder von kompletten Produktions- und Betriebszyklen machen es möglich, dass Verfahren zunächst am digitalen statt am realen Objekt getestet werden – so können massiv Material, Energie und Ressourcen gespart werden. „In der Industrie gibt es bereits effiziente und klimaschonende Produktionsprozesse auf Basis digitaler Technologien. Jetzt gilt es, sie in so viele Fabrikhallen wie möglich zu bringen“, sagt Bitkom-Präsident Berg.

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Mobilität

Bis zu 28 Megatonnen CO2 bei einer beschleunigten Digitalisierung und 17 Megatonnen CO2 bei einer moderaten Digitalisierung lassen sich bis 2030 in diesem Bereich einsparen. Bedeutender Hebel ist hier zum einen eine intelligente Verkehrssteuerung, bei der etwa Sensoren an der Straße oder GPS-Systeme in Autos Daten liefern, mit denen Ampeln geschaltet, Verkehrsströme umgeleitet oder öffentliche Transportmittel gestärkt werden können. Zum anderen liegen große Potenziale in einer smarten Logistik, die Leerfahrten vermeidet und Frachtrouten optimiert. Auch die Sharing Mobility, die nicht nur Car-Sharing, sondern auch Ride-Sharing umfasst, bei dem sich mehrere Fahrgäste mit ähnlicher Zielrichtung ein Fahrzeug teilen, kann für eine effizientere und ressourcenschonendere Mobilität sorgen. „Wichtig ist, dass Sharing-Angebote den automobilen Individualverkehr reduzieren und nicht zu Lasten von Bus und Bahn gehen“, betont Berg.

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Gebäude

Ein Zuhause, das die Heizkörper automatisch herunterstellt, wenn ein Fenster geöffnet wird oder das Licht löscht, wenn die Bewohner zur Arbeit gehen: Smart-Home-Technologien helfen schon heute vielen Menschen dabei, Energie einzusparen. Auch in großen Büro- und Geschäftskomplexen werden digitale Lösungen eingesetzt, die Heizung, Lüftung oder Klimatisierung je nach Wetterverhältnissen oder Anzahl der anwesenden Angestellten automatisch regeln. Smart Homes und intelligente, vernetzte Gebäude können bei einer moderaten Verbreitung der entsprechenden Technologien bis 2030 rund 16 Megatonnen CO2 einsparen. Bis zu 19 Megatonnen sind es, wenn die Verbreitung smarter Technologien schneller vorangetrieben wird. „Schon jetzt gibt es einen großen Markt für Smart-Home-Produkte, die nicht nur die Kosten, sondern auch den Energieverbrauch und damit CO2 einsparen“, so Berg. „Auch für Unternehmen mit großen Büroflächen lohnt sich eine solche Investition. Die Politik könnte diese Entwicklung flankieren, indem sie solche Technologien für mehr Energieeffizienz in entsprechende politische Förder-, Beratungs- und Aufklärungsprogramme einbezieht.“

Arbeit und Business

Zuhause arbeiten statt ins Büro pendeln: Jeder Tag im Homeoffice kann einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten. 2019 haben erst 12 Prozent der Berufstätigen in Deutschland im Schnitt zwei Tage pro Woche im Homeoffice gearbeitet. Bei einer moderaten Entwicklung erreicht dieser Wert im Jahr 2030 48 Prozent – und 55 Prozent bei einer beschleunigten Digitalisierung der Büroarbeit. Auch der Ersatz von Geschäftsreisen durch Videokonferenzen sowie eine Reduktion von Büroflächen fallen ins Gewicht. Zwischen 10 und 12 Megatonnen CO2 könnten so bis 2030 eingespart werden. „Der Staat sollte Anreize für zeit- und ortsflexibles Arbeiten setzen, ohne diesen Bereich übermäßig zu regulieren“, betont Bitkom-Präsident Achim Berg. „Wer regelmäßig zu Hause arbeitet und dabei hilft, Staus zu vermeiden und die Umwelt zu schonen, sollte dafür belohnt und steuerlich mit Berufspendlern gleichgestellt werden.“

Der CO2-Fußabdruck der Digitalisierung

Die Studie untersucht nicht nur die Potenziale der Digitalisierung, sondern auch den CO2-Ausstoß, der von den Technologien selbst ausgeht. So verursachen insbesondere Herstellung und Betrieb von Endgeräten wie Smartphones, Computer oder Tablets, aber auch der Betrieb der Netzinfrastruktur und der Rechenzentren CO2-Emissionen. Schreitet die Digitalisierung in einem moderaten Tempo fort, werden hierdurch rund 16 Megatonnen CO2 jährlich ausgestoßen. Bei einer beschleunigten Digitalisierung sind es sogar 22 Megatonnen. Insgesamt, so das Fazit der Studie, ist das CO2-Einsparpotenzial der hier betrachteten digitalen Technologien rund fünf Mal höher als ihr eigener Ausstoß. Berg: „Klar ist: Die Digitalisierung selbst verbraucht Energie und Ressourcen. Aber sie kann klimafreundlich gestaltet werden: Kohle und Gas sorgen für einen deutlich höheren CO2-Ausstoß als Sonne und Wind – die Digitalisierung wird umso nachhaltiger und umweltschonender, je mehr sie über grünen Strom versorgt wird. Wenn die Energiewende entschieden vorangetrieben wird, sinkt automatisch der CO2-Ausstoß digitaler Technologien. Das Ziel muss lauten, die Netto-Einsparungen möglichst nah an das Niveau der Brutto-Einsparungen heranzuführen.“

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Fast 8 von 10 Unternehmen sparen durch Technologie CO2 ein

Die deutsche Wirtschaft hat den Effekt digitaler Technologien auf die Umwelt in der Praxis bereits festgestellt: So sagen insgesamt 77 Prozent der Unternehmen in Deutschland, ihr CO2-Ausstoß sei durch Digitalisierungsmaßnahmen insgesamt gesunken. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung unter mehr als 750 Unternehmen ab 20 Mitarbeitern, die im September und Oktober 2020 im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt wurde. Demnach haben bereits 44 Prozent der Unternehmen eine intelligente Beleuchtung im Einsatz sowie 23 Prozent eine intelligente Heizung oder Kühlung. 7 von 10 Unternehmen (70 Prozent) haben Dienstreisen durch Webkonferenzen ersetzt. Im Bereich der Fertigung setzt jedes vierte Unternehmen (24 Prozent) eine intelligente Steuerung von Anlagen ein. Insgesamt sieht die deutsche Wirtschaft im Einsatz digitaler Technologien großes Potenzial für den Klimaschutz: So betonen 78 Prozent der Unternehmen, die Digitalisierung sei eine Chance fürs Klima – lediglich jedes fünfte (20 Prozent) sieht in ihr ein Risiko.

Fast zwei Drittel der Unternehmen (63 Prozent) können dank digitaler Technologien energieeffizienter wirtschaften. 83 Prozent sind der Ansicht, dass es langfristig von Vorteil ist, hier zu investieren. „Digitale Technologien sorgen nicht nur für mehr Nachhaltigkeit – sie sorgen auch dafür, dass Unternehmen langfristig stark und wettbewerbsfähig bleiben“, betont Berg. „Die Corona-Pandemie hat zudem gezeigt, dass wir mehr tun müssen, um unsere Krisenresilienz zu steigern. Mit Blick auf den Klimawandel gilt das umso mehr.“ Von der Politik fordern die Unternehmen an erster Stelle (87 Prozent) einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien. Fast jedes zweite Unternehmen (46 Prozent) fordert wirtschaftliche Anreize, um in Klima- und Umweltschutz zu investieren. „Die deutsche Wirtschaft hat den Nutzen der Digitalisierung bereits zu großen Teilen erkannt“, so Bitkom-Präsident Berg. „Jetzt braucht sie eine gezielte und mutige Flankierung durch die Politik, um klimaschonende und emissionseinsparende Technologien zügig und auf breiter Ebene einzusetzen.“

Hinweis zur Methodik

Grundlage der Angaben ist: 1. eine Studie, die im Auftrag des Digitalverbands Bitkom von Accenture durchführt wurde und deren erste Ergebnisse anlässlich des Digitalgipfels der Bundesregierung vorgestellt werden. 2. eine repräsentative Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder oder Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsbeauftragte von 753 Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten in Deutschland von Mitte September bis Ende Oktober 2020 telefonisch befragt.

www.bitkom.org

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