Ein Schatz unerkannten Wissens lagert in den Belegarchiven deutscher Unternehmen. Wer clever ist, nutzt ihn als Information Hub.
Einmal abgeheftet und auf Nimmerwiedersehen? Bislang wird den Informationen, die in archivierten Dokumenten stecken, nur wenig Beachtung geschenkt. Doch lassen sich aus ihnen wertvolle Erkenntnisse ziehen, die sich auch im aktuellen Betrieb als höchst nützlich erweisen können. Höchste Zeit, diesen Schatz zu heben und das bisherige Stiefkind Archivierung ans Tageslicht zu befördern. Damit aus der Datensenke ein Information Hub wird.
Dokumente werden im Geschäftsalltag neu angelegt, (von mehreren Personen) überarbeitet, wieder gespeichert etc., bis sie schließlich das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben. Dann werden sie „wegarchiviert“, wie man früher gern sagte. Ihre Bearbeitung ist abgeschlossen und sie können final im Archiv abgelegt werden, weil man sie eben irgendwo aufbewahren muss. Diese Tätigkeit ist oft unbeliebt.
HGB, Abgabenordnung und andere Gesetze schreiben dabei unterschiedlich lange Aufbewahrungszeiten vor: Bestimmte Geschäftspost ist für sechs Jahre aufzuheben, Rechnungen für zehn und wieder andere Dokumente, wie etwa manche technische Spezifikationen, gar für 30 Jahre. So sammeln sich in den Kellerräumen meterlange Regale voller Aktenordner mit eingestaubten Papierdokumenten an, die man nur seltensten Falls noch einmal einsieht – in der Regel dann, wenn der Wirtschafts- und Steuerprüfer an die Tür klopft.
Dieses Szenario gehört allerdings mittlerweile mehr und mehr der Vergangenheit an, denn heute gibt es elektronische Archive. Sie sparen viel Platz und durch die Verschlagwortung und das Anbringen von Metadaten lassen sich alte Dokumente am Bildschirm per Mausklick aufrufen – durch eine Verbindung des elektronischen Archivs mit der jeweils führenden Anwendung, sei es SAP, Salesforce oder ein Portal. An der Sache als solcher hat sich jedoch damit noch nichts geändert. Nach wie vor geht es um das Ablegen aus Pflichterfüllung und die Einhaltung von Compliance-Richtlinien, beim digitalen Archiv ebenso wie bei seinem Papier-Pendant. In diesem Kontext entstand auch der Begriff des „ersetzenden Scannens“. Das digitale Dokument ist demnach nur Ersatz für das Papierdokument und wird ansonsten exakt genauso behandelt.
Was digital ist, ist auch auswertbar
Wer so handelt, verschenkt sehr viel von dem, was noch in den „alten“ Dokumenten steckt. Im Grunde genommen liegt das meiste Wissen einer Firma in exakt den Schriftstücken verborgen, die man nur aufgrund gesetzlicher Vorschriften archiviert. Und genau um diese Informationen macht man nun einen Bogen und fasst sie nur noch an, wenn es wirklich notwendig ist. Ziel sollte es aber vielmehr sein, dieses wertvolle Unternehmenswissen zu nutzen. Genau dafür haben sich mit der digitalen Archivierung völlig neue Möglichkeiten eröffnet.
Was digital ist, ist auch auswertbar. Hier setzt das Archiv an, wenn man es als Information Hub versteht. Einer seiner größten Vorteile gegenüber Papierarchiven sind der vollständige Überblick und die Suchfunktionen. Auch im Papierarchiv sind Aktenordner beschriftet und es gibt einen Index zum Nachschlagen. Ein digitales Archiv aber lässt sich viel einfacher durchsuchen. In einer Bildschirmmaske gibt man den Suchbegriff ein und prompt wird alles angezeigt, was zu dem Begriff im Archiv existiert. Man muss also nicht mehr ganz genau wissen, wo man etwas sucht, sondern nur was man sucht. Auf diese Weise werden gleichzeitig auch Informationen und Dokumente angezeigt, von deren Existenz man gar nichts wusste. Ein gutes Archiv geht in seinen Möglichkeiten noch darüber hinaus: Wie schon bei Google erhält man mit der Funktion „Meinten Sie…“ ähnliche Treffer angezeigt – die so genannte unscharfe Suche. Sie ist hilfreich bei Tippfehlern oder wenn man nicht weiß, ob das Dokument mit Firmierung (wie „GmbH“) abgelegt wurde oder ohne.
Insbesondere im Zusammenhang mit der DSGVO ist es wichtig, Informationen vollständig aufzufinden, ohne von deren Existenz oder gar Aufbewahrungsort zu wissen. Wer einer Person Auskunft darüber geben muss, welche personenbezogenen Daten man über sie gespeichert hat, hat bei reinen Papierarchiven ein Problem. Es gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen: Millionen von Papierdokumenten durchlesen, nur um auszuschließen, dass die Person irgendwo vorkommt.
Von der reinen Datensenke zum Information Hub
Wer elektronisch archiviert, kann auch logische Zusammenhänge zwischen einzelnen Dokumenten herstellen. Bei einer Bestellung, Bestellbestätigung, Rechnung und dem dazugehörigen Lieferschein dürfte es die Bestellnummer sein, die alle Dokumente verbindet. Man springt dann einfach von einem zum nächsten Treffer. Wer hingegen sein Papierarchiv nach Rechnungen durchsucht, weiß noch lange nicht, ob es eine zur Rechnung gehörende Bestellung, einen Lieferschein oder einen Vertrag gibt, geschweige denn wo diese liegen.
Ein digitales Archiv bringt an dieser Stelle auch Mehrwerte, selbst wenn man bereits digital arbeitet und die Dokumente somit schon elektronisch vorliegen. Werden die Dokumente in den jeweiligen führenden Anwendungen verwaltet, kann ein zentrales Archiv eine Verknüpfung erstellen, sodass auch Daten und Dokumente aus verschiedenen Quellen angezeigt werden. So kann man zentral suchen und erhält dadurch das wirklich vollständige Bild. Das Archiv wird damit veredelt, von der reinen Datensenke hin zum Information Hub.
Prognosen anstellen und Dokumente auswerten
Ganz anders als bei der Papierablage gibt es im E-Archiv vielfältige Möglichkeiten, Dokumente auszuwerten. Sehr einfach lässt sich z.B. feststellen, wie viele Dokumente von welchem Typ wann abgelegt wurden, wie viele anschließend noch einmal verändert wurden und wenn ja, wie häufig. Daraus kann man im Anschluss auf den jeweils dahintersteckenden Arbeitsaufwand zurückschließen. Zusätzlichen Nutzen bringt der Einsatz Künstlicher Intelligenz. Sie erlaubt Vorhersagen etwa darüber, wie hoch das Dokumentenaufkommen (also der Arbeitsaufwand) voraussichtlich in Monat x oder Quartal y sein wird. Solche Prognosen lassen sich konkret nutzen, um Ressourcen, Personal oder Urlaube besser zu planen.
Die Auswertungsmöglichkeiten gehen indes über die Dokumentebene hinaus. Gerade auf der inhaltlichen Ebene von Dokumenten sind die Grenzen des Einsatzes von KI noch längst nicht ausgelotet. Aus archivierten Rechnungsdaten können Unternehmen z.B. den besten Zeitpunkt zum Anbieten einer bestimmten Ware oder Dienstleistung vorhersagen, den besten Preis oder Lieferanten u.v.m.
So birgt ein digitales Archiv weitaus größeren Nutzen als gemeinhin bekannt und praktiziert. Die Zukunft gehört vor allem detaillierten Auswertungen unter Einsatz von KI. Ein Archiv ist und kann viel mehr, als bloßes Datengrab zu sein, in dem Dokumente zwar abgelegt, aber anschließend nicht mehr genutzt werden. Wer es zum „Information Hub“ macht, stößt auf eine wahre Goldgrube an Wissen, das auch für das Tagesgeschäft höchst relevant ist.