Industrie 4.0 ist ein im Jahr 2012 ins Leben gerufenes Zukunftsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel dieses Projektes ist das Vorantreiben der Vernetzung von Maschinen und Produktionsstätten mit Informationstechnologien in der Industrie.
Diese Serie vermittelt Grundlagenwissen und informiert über das Potenzial und die Grenzen des Projekts Industrie 4.0. Sie basiert auf einer Studie von flyacts.
Der zweite Teil der Studie widmet sich der qualitativen Befragung des Mittelstandes.
Teil 1 | Begriffsbestimmung, Möglichkeiten, Chancen & Potenziale, Beispielprojekte |
Teil 2 | Experteninterviews: qualitative Befragung des Mittelstandes |
Teil 3 | Zukunftsszenario 2025 und Fazit |
Der Befragungsrahmen
“Grundsätzlich gilt „Industrie 4.0“ als eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sich weltweit sowohl als Anbieter als auch als Anwender internetbasierter Technologien für die industrielle Fertigung, etwa für Cyber-Physische Produktionssysteme, als Leitmarkt zu positionieren. Die Voraussetzungen sind in der Tat günstig. Denn gerade Deutschland verbindet eine starke Anbieterseite – die Automatisierungs- und Softwarebranche – mit einer nach wie vor starken industriellen Wertschöpfung, speziell im Automobil- und Maschinenbau – dem Kundenbereich. Nicht zuletzt deshalb ist Deutschland einer der führenden Fabrikausrüster der Welt – und soll es auch bleiben.” (GTAI, 2012)
Die Frage, welche sich nun ergibt, lautet: Wie stehen Unternehmen, insbesondere die des verarbeiteten Gewerbes, zu Industrie 4.0? Sind die zu erwartenden Chancen und Potenziale bereits für die Praxis relevant? Welche Barrieren könnten Unternehmen von Aktivitäten hinsichtlich Industrie 4.0 abhalten?
Um diese Fragen zu beantworten, hat die FLYACTS GmbH 28 Experteninterviews mit Betrieben geführt, die der Industrie-Branche angehörig sind. Hierfür wurden überwiegend Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern befragt, da ca. 99 Prozent aller deutschen Betriebe dem Mittelstand zuzuordnen sind.
Der Befragungsrahmen gestaltet sich hinsichtlich der Struktur, des konkreten Unternehmensgegenstands und der verfolgten Internationalisierungsstrategien sehr heterogen, sodass ein von diesen Faktoren geprägtes Antwortmuster vermieden wird.
Ergebnisse
Der Fragebogen beinhaltete zwei Fragestellungen. Bei der ersten Frage sollten die Unternehmen angeben, ob Sie den Begriff “Industrie 4.0” kennen (ja/nein). Daraufhin gab ihnen der Interviewführer eine kurze Erklärung sowie Beispiele zu “Industrie 4.0”. Bei der zweiten Frage wurden die Befragten gebeten, Ihre Meinung über IT-Anwendungen speziell im Kontext zu Industrie 4.0 wiederzugeben. Die Antworten wurden nach der zusammenfassenden Inhaltsanalyse ausgewertet. Das bedeutet, dass die Mitschriften des Experteninterviews paraphrasiert und anschließend themengemäß zusammengefasst wurden.
Bekanntheitsgrad “Industrie 4.0” in der Praxis
Der Begriff “Industrie 4.0” ist noch kein allgegenwärtig bekannter Begriff. Circa zwei Drittel der Unternehmen kenne ihn nicht, wie aus der nächsten Abbildung hervor geht.
Auch wenn der Begriff “Industrie 4.0” nur von einem Drittel als “bekannt” angegeben wurde, so stellten die Interviewführer fest, dass sich alle Befragten nach der Erklärung des Begriffes mit der zweiten Fragestellung auseinandersetzen konnten, da ihnen die Thematik an sich geläufig ist.
Grundstimmung gegenüber Industrie 4.0
Die von den Interviewern erlebte Stimmung gegenüber Inhalten des Zukunftsprojektes seitens der Experten wurde in über der Hälfte als negativ empfunden. Knapp ein Fünftel gab sich neutral. Rund sieben Prozent meinten, dass diese ganzen Themen nicht neu seien, da sie bereits seit Jahren an solchen Projekten arbeiteten. 18 Prozent stehen den Inhalten von Industrie 4.0 positiv gegenüber.
(Geplanter) Einsatz von IT-Anwendungen/ Apps
In den einzelnen Gesprächen wurde ersichtlich, wie weit die Unternehmen der befragten Experten bereits in Projekte in Richtung Industrie 4.0 involviert sind. Keins der befragten Unternehmen besitzt nach eigenen Aussagen eine eigene Maschinen-/ Wertschöpfungsketten-App oder plant die Entwicklung. Rund 82 Prozent sieht den generellen Einsatz von Apps demnächst auch nicht vor. Dem entgegen nutzen bereits 11 Prozent Apps externer Hersteller für Maschinen, die sie für ihre Produktion einsetzen (zur Fernwartung/ Steuerung) und 7 Prozent statteten ihre Außendienstmitarbeiter mit einer Vertriebs-App aus.
Barrieren für Industrie 4.0
Die Begründung, warum eher eine negative Einstellung gegenüber einer weiteren IT-Vernetzung besteht und vorerst keine App geplant ist, wurde durch die Befragten wie folgt aufgeführt: Die Nutzung von Apps zu Produktionszwecken würde nicht funktionieren, da die einzelnen Produkte oder Projekte zu individuell sind und nicht durch standardisierte Prozesse abgebildet werden könnten. Darüberhinaus sehen vier Befragte eine zentrale Rolle ihrer Tätigkeit im persönlichen Kontakt mit den Kunden. Ebenso häufig wurden Sicherheitsbedenken für das Ablehnen einer stärkeren IT-Vernetzung angegeben. Auch sehen einige Befragte keinen wirklichen Nutzen bzw. Sinn einer App in ihrem Unternehmen. Zwei Experten betonten die Altersstruktur des Unternehmens, welches eine Öffnung gegenüber neuen Medien und Nutzungsmöglichkeiten von Informationstechnologien erschwerte. Desweiteren wurden auch die anfallenden Kosten als Barrieren angegeben. Ein Experte stellte auch den häufig als Vorteil angepriesene Faktor der Kunden- und Auslastungstransparenz in Frage. Dadurch könnte der Konkurrenz ein unerwünschter Einblick gewährt und der Verhandlungsspielraum bei Kundengesprächen eingeengt werden.
Antriebsfaktoren für Industrie 4.0
Auch wenn die Bedenken der Unternehmen vielfältig sind, so sehen vier Befragte ein stetiges Wachstum der Bedeutung von IT-Themen in der Industrie. Die Bedürfnisse der Kunden und eigenen Mitarbeiter nach Apps sowie ein besseres Handling von Daten, wie Kundenanfragen, werden nach Aussagen der Experten den Prozess zukünftig vorantreiben.
Lesen Sie hier den dritten und letzten Teil der Serie: „Zukunftsszenario 2025 und Fazit“ .
Hier gehts zum ersten Teil: „Grundlagenwissen, Experteninterviews und Pioniere“