Revolution am Rand des Netzwerks

Edge Computing als Wegbereiter neuer Geschäftsmodelle

Edge Computing wird laut einer internationalen Studie von Accenture wesentlich zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle beitragen. Unternehmen, die integrierte Ansätze unter Verwendung von Cloud-Technologien, Datenanalytik und Künstlicher Intelligenz (KI) verfolgen, werden davon als erste profitieren.

Für 83 Prozent der befragten Führungskräfte aus 16 Ländern wird Edge Computing entscheidend für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sein. Doch welche neuen Geschäftsmodelle sind das konkret?

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Edge Computing bezeichnet die Verlagerung von Rechenkapazitäten direkt an den Ursprung der Datenerzeugung, also an den „Rand“ (engl. Edge) des Netzwerks. In den letzten Jahren haben sich neben den Hyperscalern auch einige kleinere, aber leistungsstarke Cloud-Spezialanbieter etabliert. Einige Self-Service-Clouds sind teilweise in wenigen Minuten einsatzbereit. Datenschutz inklusive. In jedem Fall sind Cloud-Infrastrukturen die Grundlage – nicht nur für KI-Anwendungen, sondern auch und vor allem für das Edge Computing. Hier erfolgt bekanntermaßen die Verarbeitung von Daten nahe der Quelle, wodurch Latenzzeiten minimiert und Bandbreitenkosten gesenkt werden können. Und das erfordert eben eine leistungsstarke Cloud. Edge Computing ist insbesondere für Anwendungen relevant, die eine hohe Echtzeitfähigkeit erfordern. Und das wird einige Geschäftsmodelle, wie wir sie heute kennen, in den nächsten Jahren verändern.

Autonome Entscheidungsfindung im IoT und IIoT

Das Internet der Dinge (IoT), Industrie 4.0 und damit auch das Industrial Internet of Things (IIoT) sind stark von Edge Computing abhängig. Sensoren und Aktoren in Produktionsanlagen können durch Edge Computing in Echtzeit Daten auswerten und autonom Entscheidungen treffen. Dies eröffnet Möglichkeiten für Geschäftsmodelle, die auf selbststeuernde Prozessoptimierung, Predictive Maintenance und Smart-Factory-Lösungen setzen. IoT-Geräte produzieren unfassbare viele Daten, die eine rasche Analyse und unmittelbare Entscheidungsfindung erfordern. Erst durch die Symbiose von Cloud- und Edge-Computing – und in Kürze auch in Verbindung mit der 5G-Technologie – erhält die Industrie die Gelegenheit, ihre Wertschöpfungsketten mithilfe dieser reichhaltigen Datenströme zu optimieren. Mehrere mittelständische Branchenführer aus Deutschland nutzen deshalb schon heute Edge Computing in ihrer Produktion.

Intelligente Mobilitäts- und Logistiklösungen

Die “Top 5 der Technologie” – bestehend aus Cloud Computing, IoT, KI, 5G und Edge Computing – wird die Möglichkeiten der Konnektivität in den Bereichen Mobilität und Logistik spürbar ausweiten. In der Mobilitäts- und Logistikbranche kann Edge Computing z. B. zu einer effizienteren Routenplanung und -anpassung in Echtzeit führen. Autonome Fahrzeuge benötigen eine schnelle Datenverarbeitung, um auf ihre Umwelt reagieren zu können. Durch Edge Computing können Daten direkt im Fahrzeug verarbeitet werden, was die Zuverlässigkeit und Sicherheit erhöht und neue Services wie autonome Taxidienste oder intelligente Lieferketten ermöglicht.

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Edge-Computing-Funktionen wie Spurassistenten und automatisches Einparken sind bereits weit verbreitet. Und je mehr Fahrzeuge mit der Umgebung interagieren, desto größer wird der Bedarf an einem reaktionsschnellen Netz und damit an die Cloud-Infrastruktur (Stichwort: V2X-Kommunikation, engl. Vehicle-to-Anything). Gleiches gilt etwa für fahrerlose Transportsysteme (FTS) auf großen Produktionsstätten, die in der Automobilindustrie längst Standard sind – nun aber auch im Mittelstand immer mehr Verbreitung und Einsatz finden.

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Entlastung von Pflegepersonal im Gesundheitswesen

Das Gesundheitswesen profitiert ebenfalls von Edge Computing. Durch die schnelle Analyse medizinischer Daten direkt am Entstehungsort, etwa durch Wearables oder am Bett von Patienten, können Gesundheitsdienstleister neue, personalisierte und präventive Behandlungsmodelle entwickeln. Das Forschungsprojekt CAREFUL-EDGE-X etwa setzt für Pflegeeinrichtungen einen intelligenten Systemverbund aus dezentraler Erfassung und KI-basierter Verarbeitung von Vitalparametern der Patienten um – auch unter Einsatz von Pflegerobotern – und ermöglicht so die datenschutzkonforme Entlastung des Pflegepersonals von Routinearbeiten.

Optimale Prognosen für Smart Cities

Smart Cities nutzen Edge Computing, um Verkehr, Energieverbrauch und städtische Dienstleistungen zu optimieren. Intelligente Verkehrssysteme, die in Echtzeit auf Veränderungen reagieren, oder dynamische Stromnetze, die Angebot und Nachfrage effizient ausgleichen, sind nur zwei Beispiele für neue Geschäftsmodelle, die durch diese Technologie ermöglicht werden. Das neue EU-Projekt „AI4Cities” erforscht innovative Lösungen in den Bereichen Energie und Mobilität, um die CO₂-Emissionen zu reduzieren.

Sechs Städte und Regionen beteiligen sich an der Initiative, darunter Amsterdam (Niederlande), Kopenhagen (Dänemark), Helsinki (Finnland), Île-de-France nahe Paris (Frankreich), Stavanger (Norwegen) und Tallinn (Estland). Hierbei kommt neben KI, Big Data, 5G und IoT auch Edge Computing zum Einsatz. In Deutschland realisiert das Karlsruher Startup SMIGHT Smart-City-Lösungen für 300 kommunale Kunden in den Bereichen Public WiFi, Verkehrsmanagement und Smart-Grid-Anwendungen. Hierfür kommt neben einer Public Cloud mit Managed Kubernetes auch Edge-Komponenten zum Einsatz.

Edge Computing im Einzelhandel

Anwendungen im Einzelhandel generieren mittlerweile ebenfalls enorme Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen wie Kassensystemen, Warenbeständen, Sicherheitsvideos und anderen geschäftlichen Aktivitäten. In diesem Kontext kann Edge Computing einen entscheidenden Beitrag leisten. Es ermöglicht die Analyse dieser vielfältigen Daten in Echtzeit und hilft dabei, sowohl akute Probleme zu erkennen, die sofortiges Handeln erfordern, als auch langfristige Verkaufstrends und Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren. Zum Beispiel können durch Edge Computing die effektivsten Werbeaktionen in den Filialen ermittelt werden oder die optimale Produktkonfiguration für bestimmte Standorte festgelegt werden. Große Retailer wie H&M oder Zara experimentieren bereits mit Echtzeit-Analysen des Kundenverhaltens und der Lieferkette.

Ein weiterer bedeutender Vorteil von Edge Computing liegt darin, Kundendaten lokal zu verarbeiten, ohne dass diese die geografische Region, in der der Kunde lebt, verlassen. Dies ist z. B. relevant in Anbetracht von Datenschutzbestimmungen wie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO, engl. GDPR). Die Einhaltung solcher Vorschriften wird immer wichtiger, und Edge Computing ermöglicht es den Einzelhändlern, die persönlichen Informationen ihrer Kunden in Übereinstimmung mit den Datenschutzbestimmungen zu verarbeiten. Dies trägt dazu bei, das Vertrauen der Kunden zu stärken und rechtliche Risiken zu minimieren.

Chancen von Edge Computing nutzen

Mit der Verlagerung der Datenverarbeitung an den Rand des Netzwerks steigen auch die Sicherheitsanforderungen. Edge Computing erfordert daher angepasste bzw. neue Sicherheitskonzepte, die eine dezentrale Verteidigung gegenüber Angriffen ermöglichen. Die Integration von Edge Computing in bestehende Systeme stellt Unternehmen vor Herausforderungen. Geschäftsmodelle müssen flexibel gestaltet sein, um sich an die stetige Weiterentwicklung der Technologie anzupassen. Zudem ist die Standardisierung von Schnittstellen und Protokollen für eine nahtlose Kommunikation zwischen Edge Devices und dem Core Network entscheidend.

Die Investition in Edge Computing-Technologien erfordert zwar anfangs signifikante Kapitalaufwendungen, diese können jedoch durch gesteigerte operative Effizienz und neue Einnahmequellen ausgeglichen werden. Effizienzgewinne resultieren aus geringeren Latenzzeiten und der beschleunigten Datenverarbeitung nahe der Datenquelle, was insbesondere in Zeiten von Big Data und IoT einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellt.

Um die Kosten-Nutzen-Balance zu optimieren, sollten Unternehmen eine skalierbare und flexible Edge-Strategie verfolgen, die mit dem Geschäftswachstum Schritt hält und es erlaubt, Investitionen schrittweise zu tätigen. Automatisierung und KI-gestützte Analysen direkt an der Edge senken zudem die Betriebskosten und verbessern die Servicequalität. Partnerschaften können für den Zugang zu Technologien und Fachwissen sorgen und somit die Investitionsrisiken mindern und Kosten, Zeit und Nerven sparen.

Fazit: Edge Computing revolutioniert die Cloud

Edge Computing ist nicht nur ein weiterer technologischer Trend, sondern ein fundamentaler Treiber für wirtschaftliche Innovation. Unternehmen, die die Potenziale dieser Technologie frühzeitig erkennen und in ihre Geschäftsmodelle integrieren, werden im Markt der Zukunft führende Positionen einnehmen. Die nächsten Jahre werden eine Vielzahl von Entwicklungen bringen, und es wird spannend zu beobachten sein, welche neuen Modelle sich durchsetzen und wie sie unsere Wirtschaft und Gesellschaft prägen werden. Edge Computing ist gekommen, um zu bleiben. Laut Accenture planen vier von fünf C-Level-Entscheidern, Edge in den nächsten drei Jahren vollständig in die Cloud zu integrieren.

Henrik

Hasenkamp

CEO

gridscale GmbH

Als CEO von gridscale verantwortet Henrik Hasenkamp die Strategie und Ausrichtung des europäischen Infrastructure- und Platform-as-a-Service-Anbieters gridscale. Davor sammelte  er Erfahrung bei der PlusServer AG, beim IaaS-Provider ProfitBricks, der Vodafone-Geschäftssparte „Cloud & Hosting Germany“ und der Host Europe Group.
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