Die Digitalisierung hat die Art, wie wir leben und arbeiten, grundlegend verändert: Längst müssen wir Fahrkarten oder Konzerttickets nicht mehr ausdrucken, wir können sie direkt auf dem Smartphone vorzeigen. Videokonferenzen sind in vielen Berufsfeldern zur Normalität geworden, Maschinen kommunizieren miteinander und mit dem Werkleiter. Dies wird möglich, weil neue Technologien aus Bereichen wie der Sensorik oder der Visualisierung, verbunden mit Mobile und Cloud Computing, Big Data und Künstlicher Intelligenz, die Digitalisierung und Vernetzung aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens vorantreiben.
Für Unternehmen bietet diese Welle der digitalen Transformation viele Chancen: Es entstehen neue Märkte, Geschäftsmodelle und Services, Kosten werden reduziert und Abläufe beschleunigt. Hier ein paar Beispiele für erfolgreiche Geschäftsmodelle und -prozesse, die erst durch die Nutzung digitaler Technologien möglich geworden sind.
Mitfahrer per App
Das Geschäftsmodell des Uber-Fahrdienstes beispielsweise beruht darauf, dass Menschen, die mit dem Auto unterwegs sind, und solche, die eine Mitfahrgelegenheit suchen, zueinander finden. Dies funktioniert ganz einfach über eine App, die über den Standort des Suchenden die passende Mitfahrgelegenheit in der Nähe findet. Das konsumorientierte, hochskalierende Geschäftsmodell „Uber“ funktioniert im Kern überwiegend digital und wäre ohne den technologischen Fortschritt nicht denkbar. Auch die zunehmende Anreicherung physischer Produkte durch digitale Services und Möglichkeiten, wie wir sie z. B. im Bereich des Autos sehen (Einparkhilfe, unterstütztes Fahren), ist ohne moderne Technologien kaum vorstellbar.
Express-Lieferung per Vorahnung
Ein weiteres Beispiel für die Potenziale digitaler Technologien stammt aus dem Bereich der Automatisierung der Disposition: „Anticipatory Shipping“ meint die Anlieferung von Gütern in ein bestimmtes Gebiet oder zu einer bestimmten Adresse, bereits bevor der Kunde die Bestellung ausgelöst hat. Die „Vorahnung“, dass der Kunde dieses Produkt bestellen möchte, basiert auf Suchhistorien, Merkzetteln, Warenkörben etc. – also auf der Analyse von Big Data. Anticipatory Shipping erlaubt Unternehmen, eine Prognose zu treffen, wann welche Waren in welcher Region nachgefragt werden, diese bereits dort bereitzustellen und somit Lieferzeiten zu verkürzen und sich einen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb zu verschaffen.
Aus der Ferne vor Ort
Eine Technologie, die dagegen vor allem in der Industrie gut angenommen wird, ist „Augmented Reality“: Diese Technologie macht man sich gezielt in der Reparatur oder Instandhaltung zu Nutzen. In der Regel gibt es einen Spezialisten, der den Techniker via Augmented Reality in Service und Instandhaltung unterstützt. Zum Einsatz kommen dabei Tablets, Smartphones oder Datenbrillen. So können gerade Techniker mit weniger Erfahrung durch den Einsatz von Augmented Reality bei der Wartung oder Reparatur unterstützt und gleichzeitig geschult werden.
Datendrehscheibe ERP
Diese Beispiele zeigen, mit welchen technologischen Möglichkeiten die Digitalisierung der Geschäftsprozesse vorangetrieben werden kann. Dabei müssen Unternehmen im Blick behalten, dass sich das volle Potenzial der Digitalisierung erst dann entfalten kann, wenn die Prozesse entsprechend umgestellt sind und die digitale Technologie gut in die eingesetzte Software-Landschaft eingebunden ist. Insbesondere muss das ERP-System so aufgestellt sein, dass es sämtliche Prozesse und Anwendungen steuern und diese in den betriebswirtschaftlichen Kontext des Unternehmens integrieren kann.
Denn ERP-Lösungen sind typischerweise die führende Instanz oder auch die „Single Source of Truth“ im Hinblick auf die wichtigsten Stamm- und Bewegungsdaten eines Unternehmens. Dort werden alle relevanten logistischen, betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Informationen zusammengeführt. Durch die Vernetzung von Produkten und Maschinen entstehen viele neue Daten, die nach einer Verdichtung, z. B. durch Big-Data-Algorithmen in der Cloud, in das ERP-System zurückgeführt werden. Zusätzlich liefern ERP-Lösungen Kontextinformationen für andere Systeme, mit denen sich die Daten interpretieren lassen. Damit fungiert ERP als Datendrehschreibe zwischen den Systemen.
Betrachtet man die Veränderung des Aufgabenspektrums, für das ERP-Software in den letzten acht Jahren eingesetzt wurde, dann nimmt die Durchdringung betrieblicher Aufgaben mit ERP-Software in vielen Bereichen zu. Das gilt z. B. in Bereichen der Datenerfassung
(z. B. Betriebs-, Personal- und Maschinendaten), im Projektmanagement, in der Instandhaltung und für die Aufgaben des Kundenbeziehungsmanagements (CRM), des After-Sales-Services und des Dokumentenmanagements. Der ERP-Einsatz steigt also vor allem in Bereichen, die eng mit der Kundenauftragsabwicklung verbunden sind.
„Künstliche Intelligenz“
Immer häufiger werden dabei Ansätze und Methoden der „Künstlichen Intelligenz (KI)“ eingesetzt. Gerade im CRM-Bereich ist die KI wohl auch für Laien am ehesten sichtbar – so bekommt man auf Webseiten Hilfe durch Chatbots angeboten, die dem Nutzer Fragen beantworten, ihn durch ein Antragsformular leiten oder bei Registrierungsprozessen unterstützen.
Künstliche Intelligenz ist in aller Munde und dennoch als Begriff nicht einheitlich definiert und oft ist ihr Einsatz eben nicht so deutlich sichtbar. Da überrascht es nicht, dass der Begriff – abseits von so plakativen Beispielen wie dem Chatbot – für viele abstrakt und der Nutzen des KI-Einsatzes für das eigene Unternehmen schwer greifbar bleibt: Im Rahmen der Studie „ERP in der Praxis“ wurden die ERP-Anwender nach der Relevanz aktueller Themen und Trends im Software-Umfeld befragt. Themen wie Machine-Learning (KI), Augmented Reality oder Robotic Process Automation schnitten dabei eher schlecht ab und rangieren weit abgeschlagen hinter Themen wie Datensicherheit, Compliance oder Usability/ Software-Ergonomie am Ende der Skala. Gut 30 Prozent der Teilnehmer bewerten KI sogar als „gar nicht relevant“ oder können mit dem Thema/Begriff nichts anfangen. Dabei stellte sich heraus, dass die Relevanz für KI-Technologien auf Seiten der ERP-Anwender ein wenig steigt, wenn man die KI „sichtbar“ macht, indem man ihnen konkrete Einsatzszenarien vorgibt. So wird die automatische Korrektur bzw. die Vervollständigung von Kundenstammdaten von rund 43 Prozent der Teilnehmer als äußerst oder sehr relevant eingestuft. Das „Business Process Mining“ sowie die „automatische Anpassung von Dispositionsparametern“ folgen mit rund 34 Prozent auf den Plätzen.
ERP-Systeme werden in ihrer Rolle als zentraler Prozess- und Daten-Hub im Unternehmen deutlich stärker mit KI-Technologien, wie beispielsweise dem Machine Learning oder Predictive Maintenance, angereichert. KI-getriebene Analytik in den Business Anwendungen hilft, die Entscheidungsqualität und Geschwindigkeit in Unternehmen zu erhöhen. Die KI-Systeme innerhalb der Business Applikationen sind ständig aktiv, erkennen laufend Anomalien und auffällige Entwicklungen und schaffen somit aktiv Transparenz. So werden mit Hilfe von KI-Technologien beispielsweise die Geschäftsregeln in der Business-Software flexibilisiert. KI- Technologien bieten rollen- und kontextbezogene Hilfestellung durch Guides oder Service Bots. Auch die Echtzeitübersetzung von Stamm- und Bewegungsdaten wird mit Hilfe von leistungsfähiger Übersetzungstechnologie möglich.
Perspektive
Beginnen wir mit einem Rückblick: Als vor beinahe einem halben Jahrhundert die ersten Softwarehäuser mit der Idee für die Entwicklung von standardisierten Unternehmenslösungen entstanden, da war die Vorstellung revolutionär, Geschäftsprozesse in ihren Basisfunktionen so zu verallgemeinern, dass sie für viele Unternehmen nützlich sein konnten. Das gelang vor allem in der Buchhaltung und der Produktionsplanung. Um die Software gruppierten sich nach und nach standardisierte Lösungen für Einkauf, Verkauf und Logistik, so dass praktisch die gesamten Unternehmensressourcen Gegenstand einer integrierten Komplettlösung wurden. Diese Lösungen für das Enterprise Resource Planning haben nach und nach jede Abteilung im Unternehmen in einen Gesamtzusammenhang gebracht. Sie haben nur einen Nachteil: Sie sind vollkommen monolithisch.
Die Entscheidung für ein ERP-System ist in der Regel für den Anwender quasi eine Entscheidung auf Lebenszeit. Wer sich für ein ERP-System entscheidet, entscheidet sich auch für den Entwicklungspfad des Anbieters. Es ist immer komplex, Funktionen von anderen Anbietern einzubinden.
Enterprise Application Integration (EAI) ist in diesem Zusammenhang das Zauberwort der Zukunft. Denn mithilfe solcher Software-Lösungen ist es möglich, Best-Practise-Funktionen von unterschiedlichen Anbietern zu einem integrierten System zusammenzufassen. Das heißt, wir werden uns wahrscheinlich von der ERP-zentristischen Architektur verabschieden. In Zukunft existieren verschiedene Software-Lösungen nebeneinander und werden über einen Integrations-Hub, der eine EAI-Lösung sein kann, miteinander verbunden. Diese Entwicklung erfährt jetzt durch das Cloud Computing eine ungeahnte Dynamik: In dem Maße nämlich, in dem Funktionen als Services oder Apps über die Cloud angeboten werden, erhalten Anwender die Freiheit, sich zusätzliche Fach- oder Branchenfunktionen über APIs zur bestehenden Unternehmenslösung zu ergänzen. Die so entstehenden digitalen Plattformen sind demnach das exakte Gegenmodell zu monolithischen Systemen. Sie sind offen für Entwicklungen Dritter und offen für die Integration bei Dritten. Sie lassen sich frei kombinieren und frei einbetten. Das eröffnet neue Freiheitsgrade für Anwender, die sich nach optimalen Lösungsansätzen umschauen können und nicht auf das Angebot ihres ERP-Anbieters angewiesen sind. Es bedeutet aber auch, dass sich Entwickler frei zwischen den unterschiedlichen ERP-Welten bewegen können, um spezialisierte Lösungen als App zu vermarkten. Das wird die Welt der Anwender ebenso wie die der Anbieter revolutionieren.
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