Wie kann Business Process Management (BPM) dazu beitragen oder es auch überhaupt erst ermöglichen, dass Unternehmen klassische Organisationsweisen mit ihren Kompetenzsilos abstreifen?
Klassische Aufbauorganisationen stecken oft in Abteilungssilos fest – ihre Struktur orientiert sich an Funktionen und der Bündelung von Expertise zu diesen Funktionen. Das erschwert die Zusammenarbeit über Bereichsgrenzen hinweg. Es kommt zu Ressourcenverschwendung, da es am übergreifenden Prozessverständnis fehlt und weil die Wertschöpfung nicht im Fokus steht. Die Werkzeuge von Business Process Management können helfen, konkrete Hürden aufzudecken, Prozesse enger an den Geschäftszielen auszurichten und eine reibungslose Organisation zu schaffen.
In der klassischen Aufbauorganisation vieler Unternehmen werden die Mitglieder nach Funktionen gruppiert, ihre Steuerung erfolgt von oben nach unten. Fachliche Expertise wird organisatorisch gebündelt und hierarchisch sowie thematisch gegliedert: vom CEO, über Abteilungs- und Gruppenleiter zu Gruppenmitgliedern bzw. nach Abteilungen wie HR, IT oder Einkauf. In der IT spiegelt sich diese Aufteilung in der Regel zwischen Entwicklung und Betrieb wider, wobei der Betrieb nach Clients, Servern, Datenbanken und Anwendungen unterteilt ist.
Diese organisatorisch gesetzten Entscheidungsstrukturen bestimmen wesentlich die Qualität und Geschwindigkeit der Zusammenarbeit. Das Problem: Es wird zwar sichergestellt, dass die fachliche Expertise in einer Hand liegt; der Zusammenarbeit über Abteilungen hinweg wird aber nicht Rechnung getragen. Die Wertschöpfung wird durch die organisatorische Abgrenzung und durch interne Weisungsstrukturen gestört, weil der Fokus zu sehr auf der Funktion liegt, ohne das große Ganze zu berücksichtigen. Auch ein Betriebsmodell („Target Operating Model“), das über die Organisation gelegt wird, löst das Problem nicht.
Probleme der organisatorischen Silos
So werden durch den Aufbau einheitliche Prozessverständnisse blockiert: Mitarbeitende richten sich auf die Referenzen ihrer Abteilung aus – auf sich selbst, die eigene Funktion und auf die nächsten Schnittstellen im Sinne des Inputs und Outputs. Ihr Blickradius und Einfluss ist darauf beschränkt. Das bedeutet, dass sie nur ihre eigenen Teilprozesse kennen bzw. in ihnen wirken; für die Prozesse anderer Abteilungen sind sie nicht zuständig, Einblicke werden sogar verhindert.
Die Folge sind organisatorische Silos, deren Auswirkungen dann zu Tage treten, wenn Mitarbeitende eine Dienstleistung in Anspruch nehmen: Beim Onboarding benötigen die Neuen zum Beispiel einen Arbeitsplatz mit Schreibtisch, Computer und Zugang zu Programmen sowie Informationen über Abläufe und Zuständigkeiten. Das fordert abteilungsübergreifend HR, Serverbetrieb, Client- und Applikationsbetrieb und Beschaffung. Nimmt ein neuer Vorstand seine Arbeit auf, werden Absprachen außerhalb der formalen Strukturen ein reibungsloses Onboarding ermöglichen. Ein Sachbearbeiter dagegen muss womöglich schon mehrere Wochen warten, bis er einen voll funktionsfähigen Arbeitsplatz hat. Auch bei Störungen im IT-Betrieb werden die Nachteile der klassischen Organisation offensichtlich: Eröffnet ein User ein Ticket, weil sein Rechner zu langsam läuft, durchläuft die Support-Anfrage die gesamte IT, ohne dass es im Sinne der Wertschöpfung zu einer Lösung kommt: Jedes Silo ist davon überzeugt, dass die Zuständigkeit für die Problemlösung woanders liegen muss und reicht deshalb das Ticket weiter.
Diese Teilleistungsstärken der Silos können der Komplexität einer vernetzten Architektur nicht mehr gerecht werden. Die Aufteilung der Silos mit ihren separierten Zielvorgaben, Prioritäten, Regeln und Abläufen sorgt dann für Liegezeiten und Störungen im Bereitstellungsfluss.
Mit Business Process Management Prozessverständnis schaffen
Business Process Management (BPM) bietet im Gegensatz dazu den nötigen Rahmen einer strukturierten Herangehensweise, der die notwendigen prozessualen Abläufe funktionsübergreifend identifiziert und optimiert. Einheitliche Prozessverständnisse ergeben sich durch das Zusammenholen der tatsächlich am Prozess Beteiligten und die gemeinsame Bestimmung der notwendigen Wertschöpfung für den Markt.
Am Beginn steht z. B. ein Workshop zu den Gesamtprozessen, in dem die Beteiligten in manchen Fällen sogar zum ersten Mal überhaupt zusammenkommen. Dort werden methodisch Verschwendungen aufgedeckt – Wartezeiten, lange Transportzeiten, Rückfragen, häufige Iterationen, Fehler oder die Überlastung einzelner Bereiche. Werden diese Informationen gepflegt, wird für alle ersichtlich, wie sich der Prozess über die Zeit entwickelt. Mit der neuen Perspektive kann den Beteiligten deutlich gemacht werden, wo Beginn und Ende des Prozesses liegen und was ihr jeweiliger Beitrag zum Gesamtergebnis ist.