Brexit: Riesige Herausforderung für das Vertragsmanagement

Obgleich das Thema im Zuge der derzeit grassierenden Pandemie in den letzten Monaten etwas dem Blick der Öffentlichkeit entschwunden zu sein scheint, so ist es für eine Vielzahl von Unternehmen hierzulande dennoch von erheblicher Bedeutung: Die Rede ist natürlich vom bevorstehenden und möglicherweise harten Brexit.

Zwar ist noch nicht abschließend geklärt, unter welchen Vorzeichen das am Ende des Jahres bevorstehende Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus der EU vonstattengehen wird – die Verhandlungen über die Modalitäten sind bislang noch zu keinem Abschluss gekommen. Doch bereits jetzt zeichnet sich eines ganz deutlich ab: Eine Vielzahl von Verträgen, auf die Unternehmen hierzulande und im Rest der EU weiterhin bauen, werden unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen durch den Brexit berührt. Laut einer Studie des Vertragsmanagement-Experten Icertis sind rund 10 Prozent aller Verträge der Global-2000-Unternehmen, die in der Europäischen Union geschäftlich tätig sind, vom Brexit betroffen.

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Angesichts der Tatsache, dass jedes der 2000 weltweit größten Unternehmen durchschnittlich Zehntausende von laufenden Verträgen hat, lassen die Ergebnisse der Studie darauf schließen, dass tausende aktive Kontrakte in jedem Unternehmen davon betroffen sein dürften – nicht zuletzt aufgrund der unzähligen Folgeerscheinungen des Austritts Großbritanniens aus der Zollunion und der fortan eingeschränkten Freizügigkeit.

Die Ergebnisse lassen nur einen Schluss zu: Ein umfassendes Vertragsmanagement mittels einer entsprechenden Plattform ist für eine Vielzahl von Unternehmen heutzutage nahezu unumgänglich geworden – ein Verzicht wäre mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Dabei geht es keineswegs nur um ein Dokumentenmanagement, sondern darum, Vertragsinhalte in Geschäftsprozesse zu integrieren, automatisiert Handlungsanweisungen an am jeweiligen Prozess Beteiligte zu geben, um so den vertraglichen und rechtlichen Bedingungen zu entsprechen oder Vertragsinhalte und damit auch Geschäftsprozesse anzupassen.

Entsprechend muss eine Vertragsmanagement-Plattform leistungsfähig genug sein, um allen regulatorischen Änderungen Rechnung zu tragen, die sich auf die Vertragsinhalte auswirken. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Verantwortlichen im Unternehmen einen Überblick darüber behalten, welche Verträge beispielsweise von grundlegenden Veränderungen wie dem Brexit betroffen sind – und sei es nur am Rande –, um die Folgen für die Organisation abschätzen zu können und darauf zu reagieren.

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Die Unternehmen, die ihre Verträge bereits digitalisiert haben, sind somit in der Lage, all diejenigen zu identifizieren, die von der schlussendlichen Ausgestaltung des Brexit betroffen sein werden (was zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels noch mit vielen Fragezeichen behaftet ist). Darüber hinaus werden diese Organisationen die Möglichkeit haben, rechtzeitig alternative Formulierungen der Vertragsklauseln zu implementieren und Änderungen an ihrem gesamten Vertragsbestand zeitnah vornehmen zu können.

Gleichzeitig sehen sich Unternehmen, die bislang noch kein unternehmensweites Vertragsmanagementsystem eingeführt haben, mit einem umständlichen, manuellen Prozess zum Auffinden aller vom Brexit betroffenen Verträge konfrontiert – eine zeitaufwändige Mammutaufgabe, die nicht zwangsläufig von Erfolg gekrönt sein wird. Schließlich gilt es ja nicht nur Texte zu ändern, sondern diese Änderungen auch im Geschäftsprozess zu implementieren. Bei Verträgen, die lediglich über Dokumentenmanagement verwaltet werden, eine extrem aufwändige Herausforderung. Intelligentes Vertragsmanagement hingegen überträgt die Anpassungen des Vertrags dann auch direkt in den (oder die) betroffenen Geschäftsprozess(e).

Manch einer mag nun denken, dass diese Informationen vor zwei Jahren hilfreich gewesen wären, um noch rechtzeitig entsprechende Schritte einleiten zu können, und nicht erst rund einen Monat vor Ablauf der Brexit-Frist. Jedoch wird es noch viele weitere „Brexits“ geben. Damit sind natürlich ähnlich gelagerte regulatorische oder politische Veränderungen gemeint, die in ihrer Folge zu massiven Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen und die sie regelnden Verträge führen. Da die weltweiten Geschäftsbeziehungen immer stärker vernetzt sind und der Handel sich zunehmend global gestaltet, ziehen viele Veränderungen und Störungen zwangsläufig grenzüberschreitende Folgen nach sich.

Ein gutes Beispiel dafür ist die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO): Es noch nicht allzu lange her, da sahen sich zahllose Organisationen mit der Frage konfrontiert, wie sie den Vorgaben der DSGVO am besten Rechnung tragen könnten, ohne Gefahr zu laufen, im Falle einer Nichteinhaltung bestraft zu werden.

Viele Unternehmen beschlossen damals, dass die Umsetzung eines umfassenden Digitalisierungsprogramms für ihre Verträge zu zeitaufwändig wäre, um lediglich der DSGVO zu entsprechen. Sie entschieden sich daher abzuwarten bzw. die Arbeit auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und hofften, dass sie in der Zwischenzeit auf andere Weise Konformität erzielen könnten. Eine ganze Reihe anderer Unternehmen nahmen die DSGVO jedoch zum Anlass, um ihre Verträge zu digitalisieren. Um auf diese Weise sowohl kurzfristig als auch für die Zukunft bestmöglich gewappnet zu sein. Letztere sind nun – kurz vor dem endgültigen Brexit – in der prädestinierten Lage, auch dieser Herausforderung mit Zuversicht zu begegnen.

Zwar entfalten nicht alle regulatorischen Neuerungen oder politischen Entscheidung eine derartige Tragweite wie die DSGVO oder der bevorstehende Brexit, nichtsdestoweniger wird es nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sich veränderte Rahmenbedingungen in erheblichem Umfang auf den Vertragsbestand von Unternehmen auswirken. Und schon kleinere Änderungen können im Zweifelsfall eine große Herausforderung darstellen. Die Liste solcher Änderungen lässt sich zudem endlos fortsetzen. So erfasste Thomson Reuters Regulatory Intelligence allein im Jahr 2018 mehr als 57.000 regulatorische Änderungen und Aktualisierungen von über 900 Aufsichtsbehörden weltweit – durchschnittlich also 220 pro Tag.

Zwar steht der finale Brexit unmittelbar vor der Tür, doch sollten sich Unternehmen und Organisationen unabhängig davon dringend darüber Gedanken machen, wie sie diese massiven regulatorischen Änderungen in den Verträgen und selbstverständlich auch an den Geschäftsprozessen abbilden wollen. Die Firmen, die eine Lösung für das intelligente Vertragsmanagement implementiert haben, erzielen deutliche Wettbewerbsvorteile gegenüber denen, die zwar über Dokumentenmanagement Texte ändern können, Geschäftsprozesse hingegen mühselig Stück für Stück daran anpassen müssen. In einem ersten Schritt profitieren insbesondere der Einkauf und die Rechtsabteilungen der Unternehmen von der Einführung eines intelligenten Vertragsmanagementssystems. Da jedoch Verträge – zumindest über den Arbeitsvertrag und Datenschutz – jedoch jeden Mitarbeiter betreffen, profitiert die gesamte Organisation sehr schnell von der neuen Lösung.
 

Martin

Mohr

Vice President Business Development & Alliances EMEA

Icertis

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