Neues Rechenzentrum am Rhein nutzt Abwärme für Fernwärmenetz

Rechenzentrum, Rechenzentren, RZ

Auf der Baustelle am Mainzer Rheinufer sind riesige Bohrmaschinen im Einsatz, um rund 450 Betonpfähle in den Boden zu bringen. Sie bilden das Fundament für die drei Gebäude des geplanten neuen Rechenzentrums auf dem Gelände der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG (KMW).

Der Komplex soll nicht nur den wachsenden Bedarf an digitalen Speicherkapazitäten decken, sondern nach Aussagen der Betreiber auch ein Vorzeigeprojekt für Nachhaltigkeit werden. Die KMW holte sich dafür das norwegische Unternehmen Green Mountain an die Seite, das Rechenzentren in Norwegen und England betreibt.

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Kein monatlicher Probelauf von Dieselaggregaten nötig

«Die Stromversorgung des neuen Rechenzentrums wird mit Ökostrom aus eigenen Windkraftanlagen gedeckt», erklären Markus Blüm und Tobias Junglas, Geschäftsführer der Green Mountain KMW Data Center GmbH. Zudem könne wegen der unmittelbaren Nähe zu den KMW-Gaskraftwerken auf Dieselaggregate zur Notstromversorgung verzichtet werden – damit falle die Umweltbelastung durch monatliche Probeläufe weg.

Die Abwärme des Rechenzentrums soll in das Mainzer Fernwärmenetz eingespeist werden, erläutert Blüm. Die Kraftwerke rechnen mit einer Größenordnung von 20 000 Haushalten, die dadurch zusätzlich versorgt werden können. In Mainz sind unter anderem die Uniklinik, der Dom und private Wohnungen ans Fernwärmenetz angeschlossen.

«Das ist das Smarte an dem Konzept – wir bauen dort, wo es die Infrastruktur bereits gibt», ergänzt Blüm. Für die Kühlung des riesigen Datenspeichers wird Rheinwasser genutzt, dies ist bis zu einer Wassertemperatur von 28 Grad genehmigt. Die Gebäude bieten auf 18 000 Quadratmetern Platz für Datenspeicher. Die IT-Leistung beziffern die Experten mit insgesamt 54 Megawatt.

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KI sorgt für großen Bedarf an Speicherkapazitäten

«Die Nachfrage nach Datenspeicherkapazitäten ist hoch», sagt der Vertriebsleiter von Green Mountain für Europa, Andreas Herden. Dafür sorge unter anderem der rasante Ausbau bei Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz. Zu den möglichen künftigen Kunden zählten quasi alle großen Unternehmen, darunter Banken und Industrie. Dazu sei die Nähe zum weltweit bedeutsamen Internetknoten DE-Cix in Frankfurt ein großer Standortvorteil.

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Dichte an Rechenzentren im Rhein-Main-Gebiet nimmt zu

An dem Internetknoten treffen viele nationale und internationale Datenströme aufeinander, was Frankfurt zu einem zentralen Umschlagplatz für Datenverkehr in Europa macht. Mit dem Anschluss wird gewährleistet, dass neben hohen Bandbreiten auch extrem kurze Laufzeiten für die Daten erreicht werden.

In Frankfurt und Umgebung gibt es rund 70 größere Rechenzentren. Nirgendwo sonst in Deutschland ist deren Dichte so hoch. Zahlreiche weitere sind in Planung – etwa in Hanau. Dort hatte der Internet-Riese Google erst im vergangenen Oktober ein Cloud-Rechenzentrum eröffnet. Geplant sind zwei weitere große Rechenzentren. Ein Zentrum von Data4
soll eine IT-Kapazität von 180 Megawatt haben, eine weitere Anlage des Betreibers CyrusOne soll 54 Megawatt leisten.

Auch Vorhaben, die Abwärme zu nutzen, gibt es im Rhein-Main-Gebiet, etwa im Frankfurter Stadtteil Gallus, wo ein Rechenzentrum Wohnungen in einem Neubaugebiet in der Nachbarschaft heizen soll. In einem weiteren Projekt könnte Abwärme aus dem Stadtteil Sossenheim in die Nachbarstadt Eschborn fließen.

Umweltschützer mahnen: Auf den Standort kommt es an

Der Landesverband Hessen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen) plädiert dafür, die Standorte großer Rechenzentren in der Regionalplanung gesondert festzulegen. Derzeit dürften diese riesigen Hallen in jedem Gewerbegebiet gebaut werden, kritisiert der Verband. Mit diesen Clustern könnten sich erhebliche Probleme aufgrund des hohen Strombedarfs ergeben. Der BUND-Energieexperte Werner Neumann erklärt: «Gegen das in Mainz geplante Rechenzentrum spricht grundsätzlich nichts.» Der Standort sei «sehr vorteilhaft».

Es gebe allerdings nur wenige Rechenzentren, die diese guten Standortbedingungen hätten, gibt Neumann zu bedenken. «Rechenzentren könnten deutlich nachhaltiger betrieben werden. Die derzeitige Abwärmenutzung kann auf das Tausendfache gesteigert werden. Dies setzt aber voraus, dass die Rechenzentren an der richtigen Stelle stehen», erklärt der Experte.

Mainzer Neubau liegt im Zeitplan

Die Pfähle für das Fundament des neuen Rechenzentrums in Mainz sollen bis Ende März im Boden sein. Dann beginnt der Hochbau, der im Sommer nächsten Jahres fertig sein soll. «Das Projekt liegt erfreulicherweise sowohl im Zeit- als auch im Budgetplan», sagt Junglas. Aus Wettbewerbs- und Vertraulichkeitsgründen könne zu den Kosten momentan keine Auskunft gegeben werden.

Auch der KMW-Aufsichtsratsvorsitzende, der Wiesbadener Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD), erklärt: «Das Projekt Rechenzentrum auf der Ingelheimer Aue kommt gut voran.» Die KMW leiste damit einen energieeffizienten und ressourcenschonenden Beitrag zur Digitalisierung der Region.

Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) hatte in einer Mitteilung diese Woche große Investitionen in die digitale Infrastruktur gefordert. Hessen habe es sich zum Ziel gesetzt, Rechenzentren nachhaltiger aufzustellen und die Nutzung von Abwärme weiter auszubauen.

dpa

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