Immer mehr Menschen verkaufen ihre Bildrechte – teils aus finanziellen Gründen – an Unternehmen, die mit generativer künstlicher Intelligenz (genKI) arbeiten. Was auf den ersten Blick wie eine einfache Möglichkeit aussieht, Geld zu verdienen, entpuppt sich mitunter als gefährliche Entscheidung mit unerwarteten Folgen.
Vom Vertrag zur virtuellen Realität
Medienunternehmen nutzen die gekauften Bilder nicht nur für klassische Werbekampagnen, sondern lassen daraus mithilfe von KI ganze virtuelle Charaktere entstehen. Diese Avatare tauchen dann in unterschiedlichsten Kontexten auf – häufig ohne Wissen oder Zustimmung der betroffenen Personen.
Der südkoreanische Schauspieler Simon Lee wurde ungewollt zum Gesicht dubioser Gesundheitsversprechen. In sozialen Netzwerken wie TikTok oder Instagram sah er sich selbst plötzlich in der Rolle eines Gynäkologen oder Chirurgen. Sein digitaler Doppelgänger sprach dort von „Zitronenmelissentee zum Abnehmen“ und „Eisbädern gegen Akne“. Lee kommentierte dies gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: „Wenn es nette Werbung wäre, hätte ich nichts dagegen. Aber es ist offensichtlich ein Betrug.“ Rechtlich dagegen vorzugehen ist schwierig – laut Vertrag kann er die Videos nicht entfernen lassen.
Eine neue Art der Ausbeutung
Die zugrunde liegende Technologie bietet Unternehmen erhebliche Vorteile: Im Vergleich zu realen Dreharbeiten ist der Einsatz von KI-gestützten Avataren deutlich günstiger. Gleichzeitig wirken die Ergebnisse durch die Einbindung echter menschlicher Gesichtszüge überzeugender als vollständig KI-generierte Modelle.
Menschen, die ihre Bildrechte verkaufen, liefern dabei weitaus mehr als nur ein Foto. Für mehrere tausend Euro sollen sie Emotionen wie Wut, Freude oder Trauer vorspielen. Diese Aufnahmen werden anschließend von der KI genutzt, um daraus realitätsnahe Videos zu erstellen – in denen das ursprüngliche Modell oft nicht mehr wiederzuerkennen ist.
Zwischen Realität und Fiktion
Alexandru Voica, verantwortlich für Unternehmensangelegenheiten bei der KI-Videofirma Synthesia, betont die Vorteile menschlicher Ausdruckskraft: „Die Ausdruckskraft eines echten Menschen – Stimme, Mimik, Körpersprache – ist weitaus besser als alles, was KI derzeit leisten kann.“ Genau das macht diese Videos so wirkungsvoll – und gleichzeitig problematisch, wenn sie ohne Kontrolle der abgebildeten Personen verwendet werden.
Die Plattformen, die solche Videos ermöglichen, funktionieren denkbar einfach: Gesicht, Sprache, Tonfall – etwa „ernst“ oder „verspielt“ – können ausgewählt werden. Dann braucht es nur noch ein Textskript, und die Software generiert daraus das gewünschte Video.
Ein ethisches Dilemma
Der Missbrauch von Bildrechten wirft dringende Fragen auf: Wie kann man Menschen vor der unkontrollierten Weiterverwendung ihrer digitalen Abbilder schützen? Und welche Verantwortung tragen die Unternehmen, die diese Technologien entwickeln und vermarkten?
Solange keine klaren rechtlichen Rahmenbedingungen existieren, bleibt den Betroffenen oft nur der öffentliche Protest – und die Hoffnung, dass ihr Gesicht nicht zum Sprachrohr fremder Interessen wird.