eIDAS 2.0 beschleunigt Digitalisierung

Digitale Identitäts-Wallets: Deutschland im Vergleich

Seit mehreren Jahren schon arbeiten Staaten weltweit an der Möglichkeit, die physischen Identitätsausweise ihrer Bürger zu digitalisieren und mit ihren digitalen Verwaltungsangeboten zu verknüpfen.

Ihr Ziel: eine effektivere und effizientere Verwaltung – sowie zufriedenere Bürger. In Europa wurde in diesem Zusammenhang zu Beginn des Jahres 2024 die Regulierung eIDAS 2.0 verabschiedet. Sie sieht vor, dass alle europäischen Staaten bis 2026 ihren Bürgern ein europaweit gültiges Wallet-basiertes System zur Identifizierung und Authentifizierung ihrer digitalen Identitäten zur Verfügung stellen. In Deutschland hinkt man diesem Ziel – zumindest derzeit – noch weit hinterher. In anderen Staaten ist man schon wesentlich weiter – mancherorts nicht zuletzt, da man dort die Hilfe erfahrener externer Anbieter in Anspruch genommen hat.

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Staatliche Verwaltungsprozesse können unter Zuhilfenahme Wallet-basierter Identitätsausweise deutlich effektiver und effizienter als unter Zuhilfenahme eines physischen Identitätsausweises gestaltet werden. Im Frühjahr 2024 hat das Europäische Parlament die Regulierung Electronic Identification, Authentication and Trust 2.0 (eIDAS 2.0) verabschiedet. Sie gibt den EU-Mitgliedsstaaten bis 2026 Zeit, ihren Bürgern ein Wallet-basiertes System zur Identifizierung und Authentifizierung ihrer digitalen Identitäten als EU-Bürger bereit zu stellen.

Eine zentrale Forderung: die jeweiligen nationalen Lösungen sollen mit einer noch zu schaffenden europäischen digitalen Identitäts-Wallet (EUDIW) kompatibel sein. Identitäts- und Authentifizierungsdokumente sollen auf ihr sicher gespeichert und verwaltet und dann in allen europäischen Mitgliedsstaaten bequem und nahtlos genutzt werden können. Auch Deutschland unterstützt diese Bemühungen, ist in mehrere Pilotprojekte der Wallet-Initiative stark eingebunden. Allerdings: viele EU-Mitgliedsstaaten sind mittlerweile schon einen Schritt weiter als Deutschland. Bereits heute bieten sie ihren Bürgern EUDIW-kompatible Wallets an und demonstrieren, welches Anwendungspotential in verifizierbaren digitalen Identitätsausweisen steckt.

EU-Staaten zeigen, wie es geht

Viele europäische Staaten haben schon vor geraumer Zeit mit der Entwicklung nationaler EUDIW-kompatibler Apps begonnen. In Frankreich beispielsweise, ließ die französische Regierung über das Programm France Identité Numérique (FIN) die France Identité App erstellen. Bei Google Play verzeichnet sie bereits über eine Million Downloads. Über 1.400 Online-Dienste der französischen Verwaltung können ihre Nutzer, dank Wallet-basiertem Identitätsausweis, digital in Anspruch nehmen. Bürger Griechenlands können seit Juli 2022 auf die Gov.gr Wallet zugreifen. Auch hier sind bereits über eine Million Downloads zu verzeichnen. Mehr als 1.765 Online-Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung stehen ihren Anwendern zur Verfügung. In Belgien wurde vor Kurzem die App mygov.be freigegeben. Bereits nach einem Monat war sie mehrere 10.000 mal gedownloadet worden.

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Bei einer umfassenden Identity Wallet-Nutzung der Bevölkerung ist ein wirtschaftlicher Mehrwert von rund 3 Prozent des BIP zu erwarten.

Detlev Riecke, Ping Identity

Auf den ersten Blick werden die Apps also gut frequentiert. Doch haben viele – wenn nicht die meisten von ihnen – ein großes Manko: ihre Bewertungen im Netz fallen – zumindest bislang – eher dürftig aus. So kommt die France Identité App im Apple App Store zwar auf 4,0 von 5 Sternen, bei Google Play aber nur auf 2,2 von 5 Sternen. Die Gov.gr-Wallet schaffte im Apple App Store sogar nur 2,6 von 5 Sternen und bei Google Play lediglich 3 von 5 Sternen. Wie das Urteil über die noch junge belgische Wallet-App ausfallen wird, bleibt abzuwarten.

Deutschlands Behörden hinken hinterher

Es ist zu hoffen, dass sich die deutschen App-Entwickler die Erfahrungen ihrer europäischen Kollegen – und diese Kritik ihrer Nutzer – zu Herzen nehmen werden. Zeit genug sollten sie eigentlich haben. Denn in Deutschland hat die Entwicklung des Wallet-basierten Identitätsausweises eben erst begonnen. Vor wenigen Monaten hat das BMI die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) einen Innovationswettbewerb zur Entwicklung deutscher EUDIW-kompatibler App-Prototypen eröffnen lassen. Zwei Jahre verbleiben der Bundesrepublik nun noch, eine sichere und nutzerfreundliche deutsche App-Variante zu entwickeln und öffentlich zugänglich zu machen.

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Expertise steigert den Erfolg

Dass man bei der App-Entwicklung größere Erfolge einfahren kann, wenn man bereit ist, Expertise und Erfahrungen von außen mit einzubeziehen, dass man dabei auch nicht auf Open Source verzichten muss, das haben der US-Bundesstaat Colorado und das DMV des Bundesstaats Kalifornien in den vergangenen Jahren anschaulich demonstriert. Beide haben – um ihr Sicherheitsbedürfnis und die Anforderungen ihrer Anwender an die Nutzerfreundlichkeit ihrer Wallet-basierten Identitätsnachweise in Einklang zu bringen – auf externe Anbieter gesetzt; mit Erfolg.

Die myColorado-App hatte 2023 1,15 Millionen registrierte Nutzer – bei 5,88 Millionen Einwohnern. Knapp jeder fünfte Einwohner Colorados besitzt die App also bereits – bei einem jährlichen Nutzeranstieg von 25 Prozent. Mit der App lassen sich zahlreiche staatliche Verwaltungsleistungen – auch Sozialleistungen – in Anspruch nehmen. Außerdem kann sie genutzt werden, um Identität, Alter und Wohnsitz zu bestätigen.

Die California DMV Wallet steckt zwar schon seit geraumer Zeit in der Pilot-Phase fest, doch auch ihr Ergebnis kann sich sehen lassen: über eine Million hochzufriedene Pilotphasen-Nutzer. Die Wallet lässt sich als mobiler Führerschein einsetzen.

In Punkto Kundenzufriedenheit können diese Wallets – nicht zuletzt da hier die Expertise externer Anbieter mit eingeflossen ist – mehr überzeugen als ihre europäischen Pendants. In Apples App Store erreicht die MyColorado-App 4,8 von 5 Sternen, bei Google Play 4 von 5 Sternen. Die DMV-Wallet kommt in Apples App Store sogar auf 4,6 von 5 Sternen und bei Google Play auf 4,8 von 5 Sternen.

Fazit

Auf den zweiten Blick ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass sich die Bundesrepublik mit der Entwicklung ihrer Identity Wallet-App Zeit gelassen hat. So haben ihre Entwickler nun zahlreiche Vorlagen, können analysieren, was bei ihren europäischen (und außereuropäischen) Kollegen funktioniert hat – und was nicht. Ein Blick über den deutschen Tellerrand hinaus zeigt: eine Identity Wallet-App ‚from the scratch‘ zu entwickeln ist kein leichtes Unterfangen.

Wie überall im Bereich der App-Entwicklung geht es auch hier darum, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit in Einklang zu bringen. Doch der Einsatz lohnt sich. Bereits 2019 hielt eine Studie des McKinsey Global Institute fest, dass selbst für eine gut entwickelte Volkswirtschaft – bei einer umfassenden Identity Wallet-Nutzung der Bevölkerung – ein wirtschaftlicher Mehrwert von rund 3 Prozent des BIP zu erwarten ist.

Detlev Riecke Ping Identity

Detlev

Riecke

Regional Vice President, Central Europe

Ping Identity

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