Professionelles Projektmanagement wird nicht selten, zumindest teilweise, als unnötige Kosten und zu bürokratisch gesehen. Fehlendes oder zu wenig Projektmanagement kann deutlich teurer werden und das Ergebnis massiv beeinflussen. Wie ist aber das richtige Maß zwischen „zu viel“ und „zu wenig“ und wer kann die Aufgabe übernehmen?
Der „richtige Weg“ ist sicherlich nicht mit einer Schablone, sondern eher individuell nach Projekt und Organisation zu betrachten. Wo aber kann so ein Weg des Projektmanagements anfangen? Man erlebt in der Praxis Situationen, wie „dafür haben wir eine Checkliste“ oder „wir erstellen eine To-do-Liste“. Ein Schritt weiter wäre schon die Erstellung eines Gantt-Diagramms mit einschlägiger Software, da hier gegebenenfalls schon die Beziehungen und Abfolgen der Arbeitspakete abgebildet werden. Ist das aber schon Projektmanagement und ist es ausreichend? Kann man Projektmanagement „nebenbei“ machen oder sollte es jemand professionell betreiben?
Projekte sind in Ihrer Definition einmalig und neuartig. Dies widerspricht der reinen Steuerung mit Checklisten. Natürlich gibt es auch in der Praxis, dass was man mit „Routineprojekten“ beschreibt, also Projekte, die sich inhaltlich ähnlich sind. Sind aber auch die Interessen und Ziele der Stakeholder gleich? Ist das restliche Umfeld, wie technische Voraussetzungen, Schnittstellen zu anderen Bereichen, Projekten und andere Rahmenbedingungen immer identisch und zu vernachlässigen? Bei neuartigen und größeren Projekten ist eigentlich im Vorfeld klar, dass eine oberflächliche Form des Projektmanagements zu Problemen führen kann, vielleicht sogar muss. Je nach Projekt kann dies schon fahrlässig sein.
Erfolg oder Misserfolg
Zum Start eines Projektes sind viele Weichen zu stellen. Der Einfluss auf die Richtung und die Kosten ist sehr hoch. Daher wird zu diesem Zeitpunkt auch der Grundstein für den Erfolg oder Misserfolg gelegt. Gerade wenn man im Projekt wenig Zeit hat, ist eine sorgfältige Vorbereitung wichtig, um keine Ressourcen für viele Änderungen im Projektverlauf zu verlieren. Ein am Anfang des Projektes passiertes Versäumnis potenziert sich im Laufe des Projekts und führt daher oft zu einem Mehraufwand in der Gesamtbetrachtung. Eine fehlende Umfeldanalyse kann zu ungewollten Wechselwirkungen oder nicht betrachteten Einflüssen führen. Eine unvollständige Stakeholderanalyse kann zu einer fehlerhaften Definition der Kommunikationsstrategie führen. Eine mangelnde Anforderung kann zur falschen Auswahl von Lösungsvarianten führen.
Die Ziele bestimmen die Aktivitäten. Daher ist die möglichst genaue Bestimmung der Ziele, unter Betrachtung möglicher Zielkonflikte, zum Start eines Projekts elementar wichtig. Kostensenkung und gleichzeitig eine Steigerung von Qualität könnten sich so zum Beispiel als Projektziele konträr gegenüberstehen. Beide Begriffe alleine sind in der Regel auch nicht ausreichend. Was heißt denn Kostensenkung und Qualitätssteigerung genau? Hier sollte eine weitere Operationalisierung stattfinden. Nicht nur am Anfang eines Projekts, auch fortlaufend sollten die Ziele aktiv betrachtet und gegebenenfalls aktualisiert werden. In diesem Zusammenhang sollte auch ein stetiger Abgleich mit dem Business Case erfolgen, um rechtzeitig gegenzusteuern oder das Projekt nicht unnötig zu verlängern, wenn es keinen Sinn mehr macht. Um den Erwartungsdruck auf einem Projekt in realistischen Bahnen laufen zu lassen, sollten Ziele realistisch gewählt, Zielhierarchien bestimmt und Ziele in die Kategorien unterschieden werden, was erreicht werden muss und was gegebenenfalls nur optionale Ziele sind. Eine „wir fangen mal an und dann schauen wir mal“ Strategie könnte gefährlich werden.
Um ein Projekt erfolgreich aufzusetzen müssen einige elementare Punkte klar sein. Die Auswirkungen von Versäumnissen bei Umfeldbetrachtungen und Stakeholderanalysen könnten enorm sein. Um Lieferelemente zu bestimmen und Risikoanalysen zu betreiben, ist die Grundlage, dass das Umfeld und damit Einflussfaktoren auf das Projekt transparent sind. Das Wissen über Stakeholder ermöglichst nicht nur eine bessere Grundlage zur Zieldefinition, es ermöglicht auch diese gezielter mit Informationen zu versorgen und wenn notwendig, in das Projekt einzubinden. An dieser Stelle können so vielleicht negative Einflussfaktoren in Promotoren des Projekts umgewandelt werden.
Saubere Definitionen
Die Anforderungen sollten sauber definiert und den Beteiligten verständlich sein. Das gemeinsame Verständnis der Anforderungen kann entscheidend dabei helfen das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Nicht selten wird aber das detaillierte Beschreiben und Abstimmen der Anforderungen etwas stiefmütterlich behandelt. Im Ergebnis steht dann schon mal der Frust, dass die eine Partei etwas anderes vermutet hat, als die andere tatsächlich erwartet. Im negativen Fall wird diese Herausforderung umgangssprachlich auch gerne mit „Shit in, Shit out“ beschrieben. Dafür gibt es ganz einfache Auslöser. Mangelndes Wissen oder mangelnde Dokumentation „die Prozesse haben wir im Kopf“ oder „das ist doch eh klar“, sind Beispiele. Bei letzterem stellt sich allerdings schon die Frage, ob das Wissen wenigstens zunächst erstmal intern synchron ist. Ist es dann auch extern, bei den Partnern, transparent und verbindlich? Natürlich gibt es noch diverse weitere Ursachen für Defizite in der gemeinsamen Anforderungsdefinition. Würde es nicht am Anfang eines Projekts Sinn machen, hier etwas Zeit für ein gemeinsames Verständnis zu investieren? Würde dies nicht in einer ganzheitlichen Betrachtung viel Stress und Change Request Wünsche ersparen?
Im Extremfall kann eine mangelnde Beschreibung der Anforderungen und Lieferelemente ein Projekt zum Scheitern bringen und viele Ressourcen vernichten oder gar noch größeren Schaden anrichten, wenn zum Beispiel das erbrachte Projektergebnis in der Anwendung nicht das gewünschte Ergebnis bringt.
Vertrags-/ und Claim Management
Nur wenn transparent ist, welche Partei wann, was und wie zu tun hat, kann auch das Vertrags-/ und Claim Management effizient und effektiv arbeiten. Gibt es keine klare Vereinbarung über die Punkte Zeit, Kosten und Leistung, wird es schwer über Ansprüche, was der Auftraggeber genau zu erwarten hat und was der Auftragnehmer gegebenenfalls als Zusatzaufwendungen zu fordern hat, zu entscheiden. Das bedeutet in der Regel zumindest auf einer Seite die Entstehung von Unzufriedenheit.
Das Projekthandbuch
Der Aufwand für die Erstellung eines Projekthandbuchs kann im Projektverlauf eine hohe Rendite bringen. Die Bündelung von Wissen an einer Stelle kann den Projektteilnehmern viel Aufwand in der täglichen Arbeit ersparen und das Projekt effizienter gestalten. Das Projekthandbuch kann als eine Art Gebrauchsanweisung für das Projekt dienen, aus dem zum Beispiel die Ziele hervorgehen, die Organisationsstruktur des Projektes dargestellt wird, die Prozesse transparent werden und die relevanten Dokumente genannt werden. Nach außen gesehen, kann das Projekthandbuch dazu dienen, Stakeholdern den Eindruck zu vermitteln, dass im Projekt strukturiert und gemäß etwaigen Unternehmensvorgaben gearbeitet wird. Auch für eventuelle Audits, Lessons Learned Maßnahmen oder sonstige Prüfungen kann es als Grundlage dienen.
Bild: Die Ziele bestimmen die Aktivitäten
Die Auswahl des Projektmanagers
Das Profil eines Projektmanagers setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die sich ergänzen. Im Grundsatz wird Methodenkompetenz, Erfahrung und Persönlichkeit benötigt. Natürlich ist auch der Begriff Sozialkompetenz zu nennen. Welcher Projektmamanager sich für welches Projekt eignet ist im Einzelfall zu betrachten. Hierfür ist die jeweilige Situation entscheidend, denn ein richtig guter Projektmanager muss nicht zwangsläufig der richtige für eine individuelle politische Situation sein. Die Auswahl eines internen Projektmanagers verkürzt den Eingewöhnungsprozess in das Projekt und die Umgebung. Eventuell liegen auch schon Kenntnisse zur fachlichen Grundlage des Projekts vor. Eine zu sehr vom Unternehmen geprägte Brille muss aber nicht in allen Fällen vorteilhaft sein. Nicht selten geht es in Projekten hektisch zur Sache. Dies kann viele Ursachen haben. Beispiele wären Zeit und Erwartungsdruck, oder weil schlichtweg nicht alle Projekte nur Gewinner haben. Damit ist der Projektmanager nicht immer der beliebteste Kollege. Er muss aber nach dem Projekt eventuell wieder mit den identischen Kollegen, in anderen Aufgaben gemeinsam produktiv sein. Eine häufig genutzte Lösung ist hier die Besetzung mit einem externen Projektmanager.
Ein externer Projektmanager bringt nicht nur Impulse, er kann auch die internen Ressourcen bei Bedarf temporär entlasten. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Vorteil ist auch, dass der externe Projektmanager nach einem Projekt nicht unbedingt weiter, zum Beispiel in Linienaufgaben, in dem entsprechenden Unternehmen und damit Abhängigkeiten arbeiten muss. Er kann sich ohne Nachteile zu befürchten, auch auf unangenehme Aufgaben konzentrieren und damit auch die Verantwortlichen des Unternehmens dadurch entlasten.
Projektmanagement mit Methodenkompetenz
Langjährige Erfahrungen im Projektgeschäft, Persönlichkeit und gute Soft Skills tragen wesentlich zum Profil eines Projektmanagers bei. Wie ist es da mit der Methodenkompetenz? Ist sie notwendig, ist es den Aufwand wert? Welche Variante ist die für mich richtige? Projektmanagementansätze, wie Prince2, IPMA und PMI unterstützen, beziehungsweise legen die Grundlage für eine erfolgreiche Projektarbeit. Welche Variante die eigene Entwicklung am besten unterstützt, hängt von verschiedenen Faktoren, wie dem eigenen Wissenstand ab. Prince2 gibt einen umfassenden Prozessansatz um Projekte erfolgreich durchzuführen. IPMA stellt ein Gesamtwerk zum Thema Projektmanagement zur Verfügung, welches auch persönliche Qualifikationen wie Führung umfasst. Ob hier die Entscheidung fällt, sich auf den Prozess zu konzentrieren, weil man diverse Elemente von IPMA schon aus der Praxis und vielleicht dem Betriebswirtschaftsstudium kennt oder sich mit dem Thema übergreifend und je nach IPMA Level einem deutlich höheren Aufwand widmen möchte, ist die eigene Entscheidung. Eine weit verbreitete Variante ist auch das Projektmanagement nach PMI mit amerikanischen Ursprüngen. Zuzüglich zu den Standardzertifizierungen werden in den letzten Jahren auch Agile Projektmethodiken in Kombination zu den klassischen Varianten angeboten.
Alle Ansätze können sich sowohl in der Projektarbeit, wie auch der persönlichen Karriereentwicklung bezahlt machen. Da Projektmanager kein geschützter Berufstitel ist, ist ein entsprechendes Zertifikat auf jeden Fall schon ein Qualitätsmerkmal, welches zum einen Methodenwissen dokumentiert und zum anderen, bei einigen der höherwertigen Zertifikate, auch eine Praxiserfahrung attestiert, die vor der Zulassung zur Prüfung geprüft wird.
Bild: Auswahl eines Projektmanagers
Fazit
Das richtige Maß an Vorbereitung, Definition und Planung zum Start eines Projekts kann helfen Projekte insgesamt erfolgreicher zu gestalten. Gerade wenn wenige Ressourcen für ein Projekt zur Verfügung stehen, sollten diese Phasen entsprechende Beachtung finden, um nicht im Verlauf stetig korrigieren zu müssen. Mangelnde Definition und Planung erschwert die realistische Einschätzung des Aufwands und der benötigten Zeit. Wenn am Anfang die Ziele nicht möglichst genau definiert werden, erhöht sich das Risiko, dass die notwendigen Aktivitäten nicht entsprechend geplant werden und am Ende des Projekts nicht alle Stakeholder zufrieden gestellt sind. Eine methodische Grundlage, in der Form der Projektmanager- ausbildungen und Zertifizierungen kann die Grundlage für eine erfolgreiche Projektmanagementtätigkeit sein. Die Auswahlmöglichkeiten eines Projektmanagers für ein Projekt können durch externe Optionen erweitert werden. Es könnte sinnvoll sein, eine Lösung auf Interim Basis auszuwählen, da damit persönliche Abhängigkeiten zum Unternehmen, wie in die Linienorganisation vermieden werden. Weiterhin eröffnet diese Variante die Abdeckung von temporären Spitzen und bringt externe Blickweisen in ein Projekt ein.
Autor: Martin Besemann, freiberuflicher Projektmanager, IPMA Level B, Prince2 Practitioner