Im Gespräch mit Kai Stübane wird deutlich, dass Deutschland zwar bei der digitalen Infrastruktur Fortschritte macht, es aber vor allem in der Umsetzung digitaler Prozesse und beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz – etwa im Vertragsmanagement – noch viel Nachholbedarf gibt.
Herr Stübane, man sagt dem Standort Deutschland Zögerlichkeit bei der Digitalisierung nach. Nun haben wir inzwischen fast flächendeckend 5G. Wie sehen Sie den Stand der Digitalisierung?
Kai Stübane: Das stimmt, wir sehen aktuell Fortschritte bei der digitalen Infrastruktur – 98 Prozent 5G-Abdeckung sind ein Meilenstein. Aber Digitalisierung ist mehr als nur Kabel und Netze. Die eigentliche Transformation beginnt, wenn Unternehmen ihre Geschäftsprozesse neu denken und digital abbilden. Wenn es um das Vertragsmanagement geht, muss man leider sagen, dass viele deutsche Unternehmen Ihre Verträge noch wie vor 20 Jahren verwalten. Daten bleiben ungenutzt, was Potenzial verschenkt. Dafür würden wir gerne mehr Bewusstsein schaffen. Grundsätzlich denke ich aber, dass deutsche Unternehmen gerade jetzt die Notwendigkeit einer raschen Digitalisierung erkennen. Man will investieren. Das bestätigt auch Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst in einer im März veröffentlichten Bitkom-Studie. Und es deckt sich mit den Ergebnissen unseres Digital Maturity Reports (DMR) aus dem vergangenen Jahr: 74% der Unternehmen gaben dort an, stark in Digitales investieren zu wollen. Die Pläne der Bundesregierung zum Finanzpaket regen dazu weiter an und das ist gut so.
Ein weiterer großer Diskussionspunkt zum Thema Digitalisierung sind Investitionen in KI. Was sagen Sie dazu?
Kai Stübane: Was KI angeht, sind deutsche Unternehmen deutlich zögerlicher, laut unserem Digital Maturity Report planen hier nur 32 Prozent konkrete Investitionen. Ich verstehe die Zurückhaltung zum Teil, es ist nicht immer leicht zu bewerten, wo welche KI-Anwendung tatsächlich Vorteile bringt. Aber insgesamt geht es längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wo und das Wie schnell.Die Technologie ist da, sie funktioniert – und sie wird erfolgreich genutzt. Wir erleben hier gerade den nächsten großen Umbruch. Vor 18 Jahren, als ich noch bei PwC gearbeitet habe, hätte sich niemand vorstellen können, dass zukünftig Verträge vornehmlich digital abgewickelt werden. Die Entscheider müssen sich jetzt damit auseinandersetzen und im Zuge der Digitalisierung den Einsatz von KI unbedingt mitdenken.
Auf der Bitkom TRANSFORM in Berlin haben Sie vor Kurzem über den Einsatz von KI im Vertragsmanagement gesprochen. Was kann KI dort konkret leisten?
Kai Stübane: Bei digitalen Vertragsabschlüssen denken die meisten erst einmal nur an e-Signaturen. Die Unterschrift ist aber nur der sichtbare Schlusspunkt eines Vertrags – die echte Arbeit liegt davor und danach. Genau dort entfaltet KI ihr volles Potenzial: beim Sichten, Verhandeln, Anpassen, Überwachen. KI hilft dabei, Risiken frühzeitig zu erkennen, Inhalte zu analysieren und Prozesse zu beschleunigen. So wird ein administrativer Vorgang zum wertvollen Asset für das Geschäft. Wir sehen zum Beispiel, dass Unternehmen mit KI-gestütztem Vertragsmanagement über unsere Intelligent Agreement Management (IAM)-Plattform schneller reagieren, agiler entscheiden und letztlich auch erfolgreicher sind. Das deutsche KI-Modell haben wir vor wenigen Monaten gelauncht, davor wurde es in den USA ausgerollt. Konkret können Verträge damit zum Beispiel automatisch an die Gesetzeslage und sich ändernde Regularien angepasst werden. Alte Verträge werden nicht ad acta gelegt und vergessen, sondern ständig auf potentielle (auch neu entstehende) Geschäftsrisiken geprüft. Überhaupt werden Informationen und Daten aus alten Verträgen damit erst richtig nutzbar. Abgesehen davon hilft KI natürlich auch bei der automatischen Erstellung von Verträgen nach wiederkehrenden Mustern.
Q: Das klang jetzt alles recht positiv. Wo sehen Sie Gefahren oder Probleme?
Kai Stübane: Wie gesagt, die Unternehmen sind noch viel zu zurückhaltend. Das liegt zu großen Teilen an mangelndem Vertrauen. Laut einer Bitkom-Umfrage von 2024 sorgen sich in Deutschland 67 Prozent um Cybersicherheit, nur 43 Prozent vertrauen digitalen Diensten im Umgang mit ihren Daten. Gerade im Vertragswesen ist das essentiell: Kunden müssen sicher sein, dass ihre Daten geschützt sind und Prozesse transparent ablaufen. Das ist uns ein großes Anliegen, wir setzen da auf höchste Sicherheitsstandards, transparente Prozesse und Compliance-Mechanismen, um auch das Vertrauen in digitale Verträge richtig stark zu machen. Ich denke KI hat aber auch das Potential, die Sicherheit zu verbessern und damit Vertrauen schaffen: eben zum Beispiel durch bessere regulatorische Compliance, Betrugsprävention durch Überwachung von unbefugten Änderungen und proaktives Risikomanagement.
Vielen Dank für das Gespräch!