Die Anforderungen an E-Commerce-Plattformen steigen stetig. Kunden erwarten eine personalisierte, nahtlose und sichere Customer Experience, während Unternehmen immer häufiger vor der Herausforderung stehen, ihre Systeme schnell an neue Marktbedingungen anzupassen.
Composable Commerce bietet für diese Herausforderungen eine modulare Architektur, die genau diese Anforderungen erfüllt und gleichzeitig eine höhere Flexibilität und Widerstandsfähigkeit ermöglicht.
Die Idee hinter Composable Commerce und warum es Resilienz fördert
Composable Commerce und MACH-Architektur (Microservices, API-first, Cloud-native, und Headless) beschreiben den Aufbau von E-Commerce-Systemen aus unabhängigen, modularen Komponenten oder Microservices. Diese ermöglichen es, spezifische Funktionen wie Zahlungsabwicklung, Produktinformationsmanagement oder Kundenservice zu trennen und je nach Bedarf zu kombinieren oder auszutauschen. Dies sorgt für eine erhöhte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in einer zunehmend dynamischen und unsicheren Geschäftswelt.
Durch die Entkopplung einzelner Funktionen wird ein System robuster und widerstandsfähiger gegenüber unvorhersehbaren Veränderungen. Diese Flexibilität ist besonders in Krisenzeiten entscheidend, da es dann nötig wird, dass sich Unternehmen schnell anpassen können, ohne das gesamte System überarbeiten zu müssen.
Die Möglichkeit, einzelne Komponenten unabhängig voneinander auszutauschen, erhöht zudem die Reaktionsfähigkeit auf neue Marktanforderungen. In einem zunehmend volatilen Umfeld, in dem technologische Entwicklungen und Kundenanforderungen schnell wechseln, stellt dies einen wesentlichen Vorteil dar. Unternehmen können nicht nur schneller reagieren, sondern auch gezielt Innovationen in die Plattform integrieren, ohne größere Risiken einzugehen.
Der modulare Ansatz von Composable Commerce: Maßnahmen für die Umsetzung
Um Composable Commerce erfolgreich zu implementieren, ist es erforderlich, von einem monolithischen Systemansatz zu einer modularen Architektur zu wechseln. Dies lässt sich mit einer MACH-Architektur umsetzen, bei der sich flexibel kombinierbare Bausteine individuell zusammenstellen und schnell anpassen lassen. Als praktische Beispiele für den modularen Ansatz lassen sich Algolia und Contentstack nennen. Mit Algolia werden KI-gestützte Suchfunktionen für schnelle und intelligente Produktsuchen in E-Commerce-Plattformen integriert; Contentstack bietet als Headless CMS die Möglichkeit, Content zentral zu erstellen und flexibel über APIs an verschiedene Kanäle auszuspielen. Beide Systeme lassen sich in eine modulare Architektur einbinden, wodurch eine anpassbare Infrastruktur entsteht, die sich dynamisch an geschäftliche Anforderungen anpasst.
Der Übergang zu einer solchen Architektur bietet die Chance, einzelne Komponenten gezielt zu optimieren und flexibler zu gestalten. Dafür sollten zunächst bestehende Systeme bewertet und analysiert werden, um zu ermitteln, welche Komponenten unabhängig voneinander funktionieren und modularisiert werden können.
Durch Composable Commerce können Unternehmen schließlich den sogenannten Best-of-Breed-Ansatz umsetzen. Unternehmen können von den besten Anbietern die besten verfügbaren Lösungen für bestimmte Funktionen ihrer E-Commerce-Plattform auswählen und miteinander kombinieren. Dadurch wird vermieden, sich nur auf einen einzigen Anbieter zu verlassen bzw. sich nur von einem einzigen Provider und dessen monolithischer Lösung abhängig zu machen. Dies erhöht den Grad an Unabhängigkeit und senkt das Risiko von technologischen Engpässen.
API-First-Architektur: Der Schlüssel zur Flexibilität
Eine zentrale Säule von Composable Commerce und MACH-Architekturen, neben Microservices, Cloud und Headless, ist die API-First-Architektur. Standardisierten APIs kommt daher eine Schlüsselrolle in der Umsetzung von Composable Commerce zu: APIs (Application Programming Interfaces) ermöglichen es, verschiedene Microservices und neue Funktionen in bestehende Systeme reibungslos zu integrieren sowie einzelne Module einer E-Commerce-Plattform unabhängig voneinander zu entwickeln und zu verwalten. Das eröffnet die Möglichkeit, eine bestehende Plattform ohne umfassende Systemanpassungen schnell zu erweitern und ohne das System neu aufsetzen zu müssen. Dies bietet Unternehmen die Möglichkeit, flexibel und anpassungsfähig zu bleiben und neue Dienste oder Funktionalitäten zu integrieren, sobald diese benötigt werden.
Durch die Verwendung von APIs wird zudem eine zukunftssichere Basis geschaffen, die es ermöglicht, auf zukünftige technologische Entwicklungen zu reagieren. Diese Architektur fördert eine höhere Agilität und ermöglicht es, jederzeit neue Funktionen hinzuzufügen oder bestehende durch effizientere Lösungen zu ersetzen.
Die Flexibilität dieser Architektur zeigt sich besonders in der Skalierbarkeit. Unternehmen können gezielt nur die Module erweitern, die die für das Unternehmenswachstum nötig sind, ohne das Gesamtsystem zu beeinträchtigen. Das schont nicht nur Kosten und Ressourcen, sondern sorgt auch dafür, dass das System agiler und robuster bleibt.
Kundenzentrierung und schnelle Innovationszyklen
Einer der größten Vorteile von Composable Commerce ergibt sich aus der verbesserten Kundenzentrierung. Durch die modulare Struktur können Unternehmen maßgeschneiderte Lösungen für ihre Kunden entwickeln und spezifische Bedürfnisse gezielt adressieren. Die Flexibilität des modularen Ansatzes erlaubt es daher, die Customer Experience besser zu personalisieren und auf die individuellen Anforderungen der Kunden einzugehen.
Darüber hinaus ermöglicht die modulare Architektur von Composable Commerce kürzere Innovationszyklen. Neue Funktionen und Services lassen sich schneller integrieren, was die Time-to-Market reduziert und die Wettbewerbsfähigkeit steigert. Die Möglichkeit, Innovationen schnell zu testen und anzupassen, ohne dabei die Stabilität des Systems zu gefährden, sorgt für eine langfristige Kundenbindung und erhöht den Geschäftserfolg.
Mit Composable Commerce können Unternehmen also ihre Innovationskraft steigern und dabei flexibel und agil bleiben, um neue Marktchancen schneller zu nutzen. Dies trägt auch dazu bei, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, indem auf Kundenwünsche schneller eingegangen wird und die Plattform kontinuierlich optimiert werden kann.
Checkliste: Kriterien für die Composable-Readiness
Vor dem Wechsel zu einer modularen Composable Commerce-Architektur sollten Unternehmen jedoch unbedingt wichtige Fragen klären, um sicherzustellen, dass ihre Systeme und Prozesse für eine solche Struktur geeignet sind. Eine klare Strategie und die Bewertung der vorhandenen IT-Infrastruktur sind entscheidend, um den Übergang zu meistern. Eine Checkliste zur Evaluierung der Composable-Readiness muss daher folgende Punkte umfassen:
- Langfristige Strategie: Unterstützt der Composable Commerce-Ansatz die langfristigen Geschäftsziele und das zukünftige Wachstum des Unternehmens?
- Best-of-Breed-Strategie: Wird bereits eine Strategie verfolgt, die es erlaubt, für jede E-Commerce-Funktion die beste Lösung auszuwählen?
- ROI-Bewertung: Wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, um die Investitionen in Composable Commerce zu rechtfertigen?
- IT-Infrastruktur: Ist die bestehende Infrastruktur kompatibel mit einer API-First-Architektur? Lassen sich neue Module reibungslos integrieren?
- Skalierbarkeit: Ist das System in der Lage, nur die Komponenten zu skalieren, die für das Wachstum erforderlich sind?
- Datenarchitektur: Wie gut ist die bestehende Datenarchitektur organisiert, um verschiedene Datenquellen nahtlos zu integrieren?
- Sicherheitsanforderungen: Sind die Sicherheits- und Datenschutzanforderungen in die neue Architektur integriert?
- Flexibilität: Wie schnell können bestehende Systeme angepasst werden, ohne die Stabilität zu gefährden?
- Ressourcen und Expertise: Verfügt das Team über die notwendigen Fähigkeiten, um eine modulare Architektur zu implementieren und zu verwalten? Besteht Bedarf an externen Partnern?
- Change-Management: Ist eine klare Change-Management-Strategie vorhanden, um den Übergang zu einer neuen Systemarchitektur zu unterstützen?
Ein solcher Readiness-Check kann allerdings seinerseits zur organisatorischen Hürde und Herausforderung für ein Unternehmen werden. Nicht selten fehlt im Unternehmen auch das erforderliche Knowhow für eine gelungene Durchführung. In solchen Fällen ist die Unterstützung durch externe Partner ratsam und sinnvoll, da sie Erfahrungswissen aus einer Vielzahl an Best Practices ähnlicher Umsetzungsfälle mitbringen und auf das Unternehmen anwenden können. Nicht zuletzt sinkt dadurch auch der Eigenaufwand im Unternehmen und die Erfolgsaussicht auf einen gelungenen Systemumstieg erhöht sich.
Fazit
Composable Commerce bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre E-Commerce-Plattform flexibel, skalierbar und widerstandsfähig zu gestalten. Die modulare Architektur ermöglicht es, neue Innovationen schnell in das System zu integrieren, die Kundenerfahrung zu personalisieren und auf Marktveränderungen zu reagieren, ohne das gesamte System anpassen zu müssen. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass Unternehmen, die jetzt in Composable Commerce investieren, die Grundlage für langfristige Innovationsfähigkeit und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit schaffen.
Dieser Ansatz unterstützt nicht nur die aktuelle Geschäftsstrategie, sondern bildet auch die Basis für ein zukunftssicheres Wachstum. Composable Commerce wird damit zur Schlüsseltechnologie, um im dynamischen E-Commerce-Markt langfristig erfolgreich zu bleiben.
Für Readiness-Check und Systemumstieg sollten Unternehmen jedoch auf Expertise und Best Practices externer Partner zurückgreifen, um einerseits den eigenen Projektaufwand zu reduzieren und andererseits von Erfahrungswissen vorheriger Umsetzungen zu profitieren. Im Tandem mit der externen Unterstützung können E-Commerce-Unternehmen schließlich sicher und erfolgreich den Weg zu einer zukunftssicheren Composable-Commerce-Infrastruktur beschreiten.
Autor: Tim Schüning, Strategy & Business Consultant bei SQLI