“Brexit” – die Konsequenzen für den Online Handel

BrexitIm Frühjahr 2017 will die neue Regierung von Theresa May die Verhandlungen über den britischen EU-Austritt starten. Jedoch überwiegt momentan das Gefühl, dass ihre Regierung alles andere als eine klare Richtung verfolgt und stattdessen mit Hilfe von rustikalen Drohgebärden versucht, ihre Ausgangsposition zu stärken. Hauptziel von Mays Forderungen wird der Erhalt des Rechts des Zugangs britischer Unternehmen zum EU-Binnenmarkt sein.

Ein bevorstehender „Brexit“ würde nicht nur für Großbritannien herbe wirtschaftliche Einschnitte bedeuten, sondern auch die große Mehrheit der übrigen in der EU angesiedelten Unternehmen schwächen. Ein näherer Blick auf das Handelsvolumen der Briten lässt erste Schlüsse auf die wirtschaftlichen Konsequenzen erahnen, insbesondere für den E-Commerce. 2014 betrugen die Ausfuhren aus dem Vereinigten Königreich 639 Mrd. Euro , wobei 44% in die EU-Staaten und davon 8% nach Deutschland gingen. Die Einfuhren lagen bei 682 Mrd. Euro, wobei 53% aus der EU und 13% aus Deutschland kamen.

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Herbe Verluste für E-Commerce-Riesen sind zu erwarten

Der wichtigste wirtschaftliche Faktor war und ist für Großbritannien der uneingeschränkte Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Ein Wegfall dieses Privilegs und der damit verbundene Anstieg von tarifären und nichttarifären Hemmnissen im Außenhandel würde zudem den Marktzugang für Unternehmen in beide Richtungen stark erschweren. Insbesondere in Großbritannien beheimatete E-Commerce-Riesen wie Tesco, Next, Argos, Amazon oder Topshop dürften schwere Verluste verbuchen, da sie durchschnittlich 50% ihrer Waren auf dem europäischen Binnenmarkt absetzen. Bei den britischen E-Commerce-Exporten ist Frankreich mit einem Anteil von 24% der der größte Exportnehmer. Erst auf dem zweiten Platz folgt Deutschland mit einem Importanteil von 14%. 

Signifikanter Kostenanstieg im Onlinehandel

Die Visual Meta GmbH, ein Berliner E-Commerce-Unternehmen, das weltweit in 19 Ländern aktiv ist und Online-Shoppingportale wie LadenZeile, ShopAlike, Shoppala und UmSóLugar betreibt, geht in ihrer „Brexit-Analyse“ von einem signifikanten Kostenanstieg im Onlinehandel aus. Kunden außerhalb Großbritanniens müssten, je nach Produkt, mit Preissteigerungen von 2% – 15% rechnen. Preistreiber wären für in Großbritannien niedergelassene E-Commerce-Unternehmen unter anderem die unterschiedlichen Steuer- und Zollsysteme sowie höhere Lieferkosten. Momentan liegt der Zollfreibetrag für die Einfuhr von Waren aus dem Nicht-EU-Ausland bei 300€. Laut Visual Meta wirkt eine solche Obergrenze für deutsche Online Shopper grundsätzlich stark abschreckend. Britische E-Commerce-Unternehmen würden bei Warenwerten ab 300€ so gut wie keine Berücksichtigung mehr finden.

Rückläufige Investitionen

Online-Modehändler, die gewohntermaßen mit geringen Margen und dem Preisdruck durch hohe Retourkosten zu kämpfen haben, wären am härtesten betroffen. Hier geht Visual Meta von einem Umsatzrückgang von 2% – 4% aus. Auch die Investitionen innerhalb Großbritanniens, insbesondere im E-Commerce Bereich, der mit einer besonders hohen Cash-Burn-Rate aufwartet, würden sich merklich verringern. Investoren wären von den Kapitalflussrichtlinien bei Geldtransfers in die EU abgeschreckt und würden ihre potenziellen Investitionen mit geringeren Renditen bewerten, zunächst zurückstellen oder direkt im EU-Binnenmarkt investieren.

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Um der EU das Privileg des Zugangs zum EU-Binnenmarkt zu entlocken und das Abwandern britischer Banken und E-Commerce Unternehmen zu verhindern steht eine neuerliche Drohung der britischen Regierung um Theresa May zur Senkung der Körperschaftssteuer, für in der UK angesiedelte Unternehmen, von 20% auf 10% im Raum. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die durchschnittliche Unternehmenssteuer bei 30,2%, im Niedrigsteuerland Irland bei gerade noch 12,5%. Da eine Senkung der Steuer auf 10% jedoch gleichermaßen Steuerausfälle von bis zu 22 Mrd. Euro bedeuten würde, ist stark zu bezweifeln, dass die britische Regierung diese Drohung letztendlich wahr werden lässt.

Sollte es zu keiner Übereinkunft im Streit um den Zugang zum EU-Binnenmarkt kommen, werden zwangsläufig Ungleichheiten in der Steuerstruktur und höhere Zölle das britische Wirtschaftswachstum signifikant verringern. Insbesondere die in Großbritannien niedergelassenen E-Commerce-Unternehmen werden sich mit steigenden Kosten und rückläufigen Investitionen konfrontiert sehen.

 

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