Künstliche Intelligenz ist nicht nur aus Gründen der Automatisierung eine besonders wirksame Technologie. Nimmt man verschiedene Faktoren von Objektivität hinzu, werden in Unternehmen außerdem Hinweise auf suboptimale Prozessstrukturen erkennbar – eine Perspektive mit großem Potenzial.
Bei jeder Art von Vorgang kann es zu Fehlern kommen – maschinell wie personell. Besonders in letzterem Fall wird allerdings kaum dokumentiert und analysiert, was passiert ist. Das betrifft sogar zwei Drittel der Führungskräfte, wie eine EY-Studie im vergangenen Jahr aufgedeckt hat. So wirkt sich diese vorgelebte Fehlerkultur nicht selten bis auf die Sachebene aus, wo eigentlich wertvolle Informationen hinter diversen Abweichungen versteckt sein können.
Warum beispielsweise zwei Sachbearbeiter innerhalb eines Fachverfahrens unterschiedliche Ergebnisse produzieren, kann diverse Gründe haben. Oft sind solche Abweichungen nachträglich nur schwer erklärbar. So bleibt zudem unbekannt, welche strukturellen Schwächen vielleicht auch im eigentlichen Ablauf begründet liegen. Und selbst wenn versucht wird, ein Ergebnis zu reproduzieren, führt personelle Subjektivität oftmals zu erneut abweichenden Resultaten. Der informative Wert eines Fehlers droht vielerorts verloren zu gehen.
Um mehr Transparenz zu schaffen, ist der Einsatz von Unternehmenstechnologie längst zu einem beliebten Konzept geworden. Low-Code– und No-Code-Plattformen unterstützen zum Beispiel Mitarbeiter, ihre Prozesse durch eine grafische Oberfläche anzupassen. Hinzu kommen diverse Monitoring- und Visualisierungstools. Das schafft bedeutend mehr Sichtbarkeit. Was jedoch gleich bleibt, ist die hohe Subjektivität sowie die geringe Reproduzierbarkeit. Das ändert sich nur, wenn Technologie auch die eigentliche Entscheidungsfindung beeinflusst – eine Eigenschaft, die ebenso typisch wie einzigartig für Künstliche Intelligenz ist. Diese nicht nur technisch, sondern auch prozessual zu begreifen, eröffnet vielerorts die Möglichkeit, Licht ins Dunkel zu bringen – obwohl heute schon fast jedes führende Unternehmen KI nutzt.
Explainable AI: Wenn Fehler erklärbar werden
Auch bei KI-Prozessen sind Abweichungen möglich. Allerdings lassen sich dabei die Ursachen im Vergleich zu manuellen Fehlern sehr präzise messen und analysieren. Erklärbarkeit lautet das wichtigste Schlagwort in diesem Kontext. Sie sagt zwar nicht direkt etwas über die eigentliche Qualität einer Prognose aus, aber diese wird für menschliche Mitarbeiter dadurch nachvollziehbar. So ist ChatGPT zwar ein enorm nützliches Tool für erste Denkanstöße, die Entscheidungsgrundlagen der KI bleiben aber komplett unbekannt. Wegen der geringen Erklärbarkeit ist daher die unhinterfragte Weiterverbreitung der Textpassagen mit entsprechendem Risiko behaftet.
Beim Einsatz von KI in Unternehmen kommt es in der Regel auf eine engmaschigere Kontrolle an, sodass auch verschiedene Einzelschritte in Prozessen sichtbar werden.
Ein typisches Konzept zur Umsetzung sind zum Beispiel zwischengeschaltete Kontrollstationen, die entweder regelmäßig oder bei Abweichungen mit einer bestimmten Signifikanz angesteuert werden können. So entstehen Einblicke in die konkreten Fortschritte. Werden die Zwischenergebnisse auf diese Weise besser nachvollziehbar, steigt auch das Vertrauen in Prozesse von Mitarbeitern, wenn sie eigene Entscheidungen auf Basis von KI-Prognosen treffen. Wiederholte Widersprüche, die dabei trotz hoher Erklärbarkeit auftauchen, werden zu Indizien auf Schwächen des eigentlichen Ablaufs.
Repetitive Unternehmensprozesse als Informationsträger
Die Reproduzierbarkeit von Vorgängen spielt aus verschiedenen Gründen eine wichtige Rolle: Zum einen ermöglicht sie überhaupt erst vergleichbare Ergebnisse, die für eine Steigerung der Erklärbarkeit herangezogen werden. Zum anderen erreicht diese aber niemals 100 Prozent. Es bleibt immer eine “Rest-Unbekannte”. Demnach werden schließlich die laufenden Unternehmensprozesse selbst zu wichtigen Informationsträgern. Und die Hinweise, die hinter wiederkehrenden Fehlern versteckt sind, werden erst dann entschlüsselbar, wenn jedes Mal alles genau gleich abläuft oder zumindest wiederholbar ist. Was sich bei rein personellen Prozessen als quasi unmöglich gestaltet, ist auch bei KI-Projekten eine durchaus mehrfaktorielle Angelegenheit.
Da wären die Algorithmen mit all ihren Parametern, der verwendete Trainingsdatensatz sowie die verwendete Software-Umgebung. Vor allem letztere unterliegt in vielen Fällen besonderer Einflussnahme des Unternehmens. Änderungen der Bedingungen sollten genau dokumentiert werden, um keine Verkettung unerklärbarer Einflüsse zu verursachen. Datenvisualisierungstools helfen beispielsweise, den inhaltlichen Überblick zu behalten. Je nach Software ist oftmals auch ein Versionierung, also die Wiederherstellung vergangener Zustände darstellbar. Wird auf diese Weise die Reproduzierbarkeit hoch gehalten, wirkt sich das wiederum positiv auf die Erklärbarkeit aus. Zusammengenommen erhalten Mitarbeiter maximale Klarheit über ihre Prozessstrukturen. Was daran dann letztlich angepasst wird, bleibt eine rein menschliche Entscheidung.
Objektiveres Qualitätsmanagement und Controlling
Im Gesamtzusammenhang von KI in Unternehmen ist die Unterscheidung zwischen Produkten und Dienstleistungen maßgeblich. Bei der Herstellung einer Schraube dürften die qualitätskritischen Merkmale klar sein. Deren Verletzung wird durch die objektive Prozessanalyse zu einer bedeutend selteneren Angelegenheit. Dadurch sind auch Methoden wie zum Beispiel Six Sigma, die eine Präzision von 99.9997% vorgibt, besser umsetzbar. Bei personellen Prozessen und Service sorgt bereits die gerichtete Handlungstendenz für ein stabiles Umfeld. Hier führt KI hingegen die Sichtbarkeit bislang unbekannter Qualitätsmerkmale herbei, sodass diese selektiv beeinflusst werden können. Gemäß Six Sigma erfordert das die Inbezugnahme möglichst aller Akteure. In dieser Hinsicht ist KI neben den Mitarbeitern zu einer weiteren Instanz des Entscheidungsorgans Unternehmen geworden.
Wie genau dabei die Aufgabenverteilung aussieht, ist oftmals Sache des Controllings. Auch hier liefern objektive Ansätze wertvolle Informationen. Auf jeden Fall ist in den allermeisten Bereichen keine alleinige Entscheidungshoheit von KI denkbar. Oft sind erfolgreiche KI-Systeme sehr aufgabenspezifisch ausgelegt und beherrschen keinen Rundumblick. Sie überwinden in ihren jeweiligen Anwendungsfällen die Subjektivität des Menschen oder bieten ihm eine Basis zur eigenen Entscheidungsfindung. Durch die generierten Einblicke und menschliche Korrekturen entstehen zudem wertvolle Daten, die darauf folgende Prognosen verbessern. Führungskräfte, die hierbei in eine vertrauensvolle Kooperation von Mitarbeitern und KI in Unternehmen investieren, werden mit geringeren Abweichungen und einer stärkeren Automatisierung von Prozessen belohnt.