Kommentar

EU reguliert KI – und erhöht damit den Druck auf USA und China

künstliche Intelligenz, KI-Regulierung, AI Act

Europa besinnt sich einmal mehr auf seine moralische Vorreiterrolle in der Welt. Während in den beiden globalen Technologiesupermächten USA und China ein kaum kontrollierter Wildwuchs in Sachen Künstlicher Intelligenz stattfindet, hat die EU sich nicht nur dem technischen Fortschritt, sondern dem großen Ganzen gewidmet.

Mit dem nun beschlossenen KI-Gesetz gibt es zum ersten Mal eine umfassende Regulierung in diesem Bereich. Zeit wurde es.​

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Am Ende dauerte es ziemlich genau 38 Stunden, bis sich die Europäische Kommission, das Europaparlament und die Mitgliedstaaten der EU im Trilog auf das finale Regelwerk des EU AI Act einigten. Dem ging seit 21. April 2021 eine knapp 1.000 Tage dauernde Phase voraus, in der etliche Diskussionen geführt, Stellungnahmen abgegeben und unzählige Änderungsvorschläge eingebracht wurden. Die finalen Verhandlungen vom 6. bis 8. Dezember wirkten aus Sicht von Svenja Hahn, die seit 2019 für die FDP im Europäischen Parlament sitzt, beinahe schon gehetzt: Von selbst auferlegtem Zeitdruck war ihrerseits die Rede und einmal mehr von zahlreichen Widrigkeiten. Auch an den Marathonsitzungen lässt sich der unbedingte Wunsch der Mitgliedstaaten ablesen, Historisches zu schaffen: Einmal 22 und einmal 16 Stunden am Stück tagten die Vertreter der EU-Gremien und Mitgliedstaaten.

Doch was lange währt, wird am Ende bekanntlich gut – und wenn der EU AI Act eines ist, dann eine sehr gute Sache. Mit dem ersten umfassenden Gesetz übernimmt Europa zwar nicht die Führung in Sachen KI, wohl aber in Bezug auf die Formulierung gesetzlicher Rahmenbedingen für deren Entwicklung und Einsatzzwecke. Die EU erreicht somit einen Meilenstein, der auch erheblichen Einfluss auf die USA und China haben wird – und Druck aufbaut, endlich nachzuziehen. Zwar gibt es in beiden Ländern bereits vereinzelte Initiativen zur Regulierung von KI, doch über punktuelle Einzelfallregelungen und Entwürfe ist man weder im „Land of the Free“ noch im „Reich der Mitte“ bisher hinausgekommen. 

Dennoch scheint der weltumspannende gemeinsame Nenner zu sein, dass eine Regulierung der KI keine Frage des „ob“, sondern nur des „wie“ ist. Chinas Regierung geht beispielsweise bereits seit Mitte April 2023 gegen sogenannte Deepfakes vor und hat neue Gesetze dafür erlassen. Allerdings ist davon auszugehen, dass in China insbesondere Unternehmen und Privatpersonen von Einschränkungen betroffen sein werden, während die Regierung sich selbst von entsprechenden Regelungen bis auf Weiteres ausnimmt. 

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In den USA ist man deutlich weiter. Dort hat das Office of Science and Technology Policy (OSTP) Ende 2022 einen Entwurf für eine „AI Bill of Rights“ vorgestellt, der dem EU AI Act in weiten Teilen ähnelt. Das ist kaum verwunderlich, wie der auf KI spezialisierte Anwalt Shabbi S. Khan erklärt: Ihm zufolge wird die USA keine eigene KI-Regulierung erlassen können, die sich zu weit vom EU AI Act entfernt. Moralische Gründe hat das freilich nicht, sondern wirtschaftliche – Tech-Konzerne wie Google, Microsoft oder Amazon sind global tätig. Sich an zwei grundlegend verschiedene Gesetzgebungen und Regulierungen bei der Entwicklung und Bereitstellung ihrer KI-gestützten Produkte halten zu müssen, wäre ein gigantischer Verwaltungsaufwand. Die europäischen Gesetze einfach zu ignorieren, steht ebenfalls nicht zur Debatte: Die EU hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie durchaus in der Lage ist, schmerzhafte Bußgelder zu verhängen oder Unternehmen gleich ganz vom lukrativen Markt zu verbannen, wie die Causa Huawei zeigte.

Das bringt uns auch zurück zur durch den EU AI Act massiv gestärkten Rolle Europas in der Tech-Welt. Auch wenn wir Europäer noch ein Stück weit davon entfernt sind, technologisch zu den USA und China aufzuschließen, haben wir mit unserer Gesetzgebung in Verbindung mit unserer wirtschaftlichen Bedeutung für beide Technologiesupermächte die Spielregeln vorgegeben, an denen sie sich – wohl oder übel – zukünftig orientieren müssen. Und damit auch, so schwer es ihnen fallen wird, an unseren moralischen und ethischen Werten, die die Grundlage für dieses Gesetz bilden. Chapeau, Europa.

Dominik Mohilo, Redakteur und IT-Experte bei der Münchner Kommunikations-Beratungsgesellschaft PR-COM

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