Die Digitalisierung wird in allen Geschäftsbereichen und in den meisten Branchen massiv vorangetrieben. Dies gilt insbesondere für die Finanzabteilung, in der traditionell viele Prozesse noch manuell bearbeitet werden. Auch im Ausblick „Finance 2025: Digital Transformation in Finance“ prognostiziert Deloitte, dass sich das Finanzwesen stark auf die Automatisierung von Prozessen konzentrieren wird.
Interessanterweise warnt Deloitte gleichzeitig davor, dass trotz dieser Bemühungen der Erfolg nicht automatisch gesichert ist. Ulrich Parthier, Herausgeber von IT-Management, spricht mit Ralph Weiss, Geo VP DACH bei BlackLine, darüber, wie CIOs und CFOs die Chancen für eine erfolgreiche digitale Transformation verbessern können.
Herr Weiss, lassen Sie uns ganz am Anfang beginnen. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptziele der digitalen Transformation im Finanzwesen eines Unternehmens?
Ralph Weiss: Das Hauptziel jeglicher digitalen Transformation ist es, das transaktionale Geschäft zu bündeln und hochgradig zu automatisieren. Es gilt Kapazitäten freizusetzen, um das Thema Analysen und Forecasting noch mehr in den Fokus nehmen zu können. Die Transformation der Finanzorganisation ist besonders dringlich, da es in dieser Abteilung bis heute viel manuelle Arbeit gibt und die Regeln und Gesetze keine Toleranz für fehleranfälliges und langsames Arbeiten zulassen. Dank einer hochgradigen Automatisierung und verbesserten Effizienz können sich die Finanzfachleute auf wichtigere strategische Aufgaben konzentrieren, bessere Entscheidungsvorlagen liefern und neue Chancen ermöglichen – kombiniert mit gleichzeitiger Verbesserung der Governance.
Wer sollte an der Festlegung der Parameter für eine erfolgreiche Transformationsinitiative beteiligt sein und warum?
Ralph Weiss: Wir sehen, dass eine Transformation dann besonders gut funktioniert, wenn IT und Finanzbereich am gleichen Strang ziehen, um gemeinsam das Bestmögliche erreichen. Häufig ist der Anlass der Umstieg auf ein neues ERP-System. Es gibt den Lift und Shift-Ansatz und die Transformation im Zuge eines neuen ERPs. Ersteres wird in der Regel durch die IT getrieben.
Die Transformation benötigt jedoch den Impuls des CFO. CFOs und deren Mitarbeiter sind von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, Prozesse neu zu gestalten, neue Geschäftsfelder oder neuartige Business Modelle zu entwickeln. Dies gelingt allerdings nicht ohne die Unterstützung des Chief Information Officers (CIOs) und dessen Führungskreis, die die Transformation aus IT-Governance-und Architekturgesichtspunkten unter die Lupe nimmt.
Während Finanzleute genau wissen, wie sie ihre Prozesse neugestalten und verschlanken wollen, sind es die CIOs, die die technische Machbarkeit verstehen und genau wissen, wie die Daten in ein neues System transformiert werden müssen. Der CIO ist auch derjenige, der beurteilen kann, welche vorbereitenden und begleitenden Tätigkeiten und Budgets erforderlich sind, um die Transformation zu realisieren.
Diese Kombination bestätigen auch die Marktforscher von Gartner. Laut deren Beobachtungen hängen der Erfolg digitaler Investitionen in Abhängigkeit der angestrebter Geschäftsergebnisse in hohem Maße von einer starken Partnerschaft zwischen CFO und CIO ab. Da es sich um eine gemeinsame Verantwortung handelt, müssen CFOs und CIOs die gleiche Sprache sprechen. Dies schließt produktive Diskussionen darüber ein, wie Investitionen in digitale Technologien in echte digitale Fähigkeiten für das Unternehmen umgewandelt werden.
Die Transformation der Finanzorganisation ist besonders dringlich, da es in dieser Abteilung bis heute viel manuelle Arbeit gibt und die Regeln und Gesetze keine Toleranz für fehleranfälliges und langsames Arbeiten zulassen.
Ralph Weiss, BlackLine
Wie legt man Messgrößen fest, an denen sich die Initiative orientieren soll?
Ralph Weiss: Der erste Schritt besteht darin, klar und übereinstimmend festzulegen, was das Unternehmen mit der Umgestaltung des Finanzbereichs in welcher Zeit, mit welchen Personalressourcen, Budget und vielleicht sogar externen Transformationsexperten erreichen will. Ob das Unternehmen die Genauigkeit seiner Finanzberichterstattung verbessern, die Effizienz seiner Finanzabschlussprozesse steigern oder in erster Linie die Kosten der Finanzprozesse senken möchte, sind Beispiele für entscheidende Fragen der Finanzex perten, die es zu klären gilt, bevor die Umgestaltung begonnen wird. Diese Messgrößen müssen mit denen der IT in Einklang gebracht werden. Denn nur so lässt sich ein Projekt, wie beispielsweise die Migration auf SAP S/4 HANA inklusive der Automatisierungslösung von BlackLine, planen und erfolgreich durchführen.
Um die Messgrößen aufzustellen sind Vergleiche mit anderen Unternehmen ähnlicher Größenordnung, die bereits einen Prozess zur Umgestaltung des Finanzwesens durchlaufen haben, ein gutes Vorgehen. Derartige Beobachtungen eignen sich als Benchmark für das eigene Projekt. Beispielsweise sind der Personalaufwand der manuellen Finanzprozesse, die Genauigkeit der Finanzberichterstattung und der -prognosen, der Zeitaufwand für den Monatsabschluss usw. klare Messgrößen. Zudem können interne oder externe Prüfer dem Unternehmen ein höheres Level an Compliance attestieren, die es zuvor nicht erreicht hätte – gerade bei Unternehmen, die am Aktienmarkt gelistet sind, ist diese ein enorm wichtiger Aspekt.
Gibt es bewährte Verfahren, wenn beispielsweise Kurskorrekturen erforderlich sind?
Ralph Weiss: Bei allen größeren Projekten kann es zu unerwarteten Hindernissen oder Herausforderungen kommen, die Korrekturen erfordern, um die Initiative auf Kurs zu halten. Das muss nicht zwingend interne Gründe haben. Gesetzesänderungen können sich auf die Prozesse einer Finanzabteilung auswirken. Oder die kurzfristige, ungeplante Übernahme eines anderen Unternehmens kann erfordern, zwei Finanzorganisationen während der Transformationen sowohl organisatorisch als auch technisch zusammenzuführen. Für diese Frage gibt es aufgrund der mannigfaltigen Gründe für Korrekturen eine simple Antwort – der CFO und der CIO müssen von Anfang an einen detaillierten Plan mit weitreichender Flexibilität in alle Richtungen erarbeiten.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Best Practices?
Ralph Weiss: Aus der praktischen Erfahrung sind es drei wesentliche Aspekte. Erstens, die Fortschritte überwachen. Es müssen von Anfang an klare Ziele und Kennzahlen festgelegt sein, um allen Beteiligten jederzeit einen Überblick zu verschaffen. Auf diese Weise kann das C-Team schnell feststellen, in welchen Bereichen die Umsetzung technisch oder finanzorganisatorisch zu wünschen übrigl.sst und frühzeitig die notwendigen Schritte einleiten.
Zweitens gilt es die Kommunikation und Zusammenarbeit zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Die Organisation sollte einen Kommunikationsplan erstellen, damit alle Beteiligten verstehen, wie sich die Zuständigkeiten und die Verfahren ändern und vor allem, warum. Es ist wichtig, einen regelmäßigen Kommunikationsrhythmus einzuhalten, um über die neuesten Änderungen, Ergebnisse und Erfolge zu informieren. Drittens ist ein effektives Changemanagement eine der wichtigsten Best Practices.
Lässt sich die aktive Beteiligung des Finanz- und IT-Teams fördern?
Ralph Weiss: Unternehmen sind oft erpicht darauf, jede Form von Transformationsinitiativen sowohl intern als auch extern zu kommunizieren. Sie wollen zeigen, dass sie Fortschritte machen. Allerdings ist es dabei wichtig, dass die Einbindung der Mitarbeiter in die Kommunikation ein separater und priorisierter Prozess ist, der nicht von alleine oder automatisch entsteht. Nur wenn die Mitarbeiter sehen, dass sie aktiv einbezogen werden, und ihre Mitarbeit an der Umstrukturierung erwünscht ist, werden sie sich aktiv an derartigen Initiativen beteiligen.
Haben Sie einen besonders wichtigen Rat, den Sie CFOs und CIOs für ihre Transformation mit auf den Weg geben wollen?
Ralph Weiss: Der digitale Transformationsprozess ist bei jedem Unternehmen anders, da er von vielen individuellen Gegebenheiten im Unternehmen abhängt.
Ein gemeinsamer Faktor aller Unternehmen, die erfolgreich digitale Transformationsinitiativen umgesetzt haben, ist ein klares Verständnis darüber, was sie mit der digitalen Transformation in der Fachabteilung unter Einsatz neuester Technologie erreichen wollen. CFOs und CIOs sollten daher klare und vor allem realistische umsetzbare Ziele definieren, die beide Parteien eng in das Programm zur Umgestaltung der Finanzabteilung einbeziehen.
Herr Weiss, vielen Dank für das Gespräch.
Transformationsleitfaden für Finanzorganisationen Aufklärung und Konsens: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Transformationsinitiativen von Anfang an auf breite Zustimmung stoßen. Anstatt sich sofort in die Methodik und Umsetzung zu stürzen, sollten CFOs und Führungskräfte die Ziele einer Initiative mit Bedacht definieren und alle aus dem Finanzteam mit auf die Reise nehmen, denn jeder einzelne verfügt über unterschiedliche Kenntnisse im der digitalen Finanzorganisation. Es ist notwendig, in ein gemeinsames, referenzierbares Verständnis der Komponenten des digitalen Finanzwesens zu investieren, damit die Betroffenen besser verstehen, warum eine solche Veränderung stattfindet. Es bietet sich an, einen Raum für die Überprüfung der Transformation zu schaffen, denn es ist davon auszugehen, dass die Transformationsinitiative von dem ein oder anderen Teammitglied kritisch betrachtet wird und Vorbehalte abgebaut werden müssen. Ein geschütztes Umfeld, in dem die Teammitglieder ihr Unbehagen äußern können, ermöglicht es, kritische Fragen zu klären, bevor konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Schnelles Handeln nach Aufklärung und Konsens: Es ist wichtig, nach der Aufklärung unverzüglich zum Handeln überzugehen, indem man die Taktiken oder Maßnahmen zur Umgestaltung der Finanzen darlegt. Dazu könnten Technologiestrategie-Workshops gehören, in denen Best-Practice-Anwendungsfälle diskutiert werden, um mögliche Ergebnisse zu präsentieren. Kontinuierliche Optimierung der Transformation: Mit dem Start der Transformationsinitiative ist es nicht getan. Unternehmen sollten einen Rahmen entwickeln, in dem es ein ständiges Feedback oder Diskussionen darüber gibt, wie bestimmte Prozesse verbessert werden können. Schlussendlich geht es darum, den Finanzteams zu helfen, ihre Aufgaben besser zu bewältigen und mit den laufenden technologischen Veränderungen Schritt zu halten. Eine digitale Transformation ist ein kontinuierlicher und flexibler Prozess und keine starre Abfolge von Aufgaben. |