Die Welt spricht über ChatGPT, mehr als ein Drittel der Deutschen hat den Chatbot sogar schon ausprobiert. Was als Hilfe für Hausaufgaben und Texterstellung begann, soll in Zukunft unseren Weg, wie wir an Informationen gelangen, revolutionieren. Denn ChatGPT fasst in Sekundenschnelle zusammen, was man selbst in einer Google-Recherche mühsam zusammensuchen müsste. Microsoft war diese Idee immerhin zehn Milliarden Dollar wert. Auch in Finanzfragen könnte die Technik hilfreich sein.
Wie sinnvoll das ist, darüber berichten Alexander Reschke, KI-Experte von Data Virtuality, und Dirk Ehrlich, Betreiber des Finanzportals mutual.de. Die beiden arbeiten seit 2004 immer wieder zusammen.
Sie haben sich beide sehr intensiv mit dem Thema befasst. Wie sind Ihre Erfahrungen mit ChatGPT?
Dirk Ehrlich: Bisher ziemlich durchwachsen. Die Antworten klingen präzise, sind aber immer nur so gut wie die gestellten Fragen. Da braucht es schon ein wenig Einarbeitungszeit. Es ist zwar eine spannende Technik, und es ist interessant zu sehen, welche Ergebnisse die KI liefert. Aber wenn ich wirklich auf der Suche nach umfassenden Informationen bin, sind diese meist unvollständig, häufig sogar falsch.
Alexander Reschke: Das sehe ich auch so. Die Technologie steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Ich verfolge die Pläne der Entwickler schon länger und bin gespannt, was sie in welchem Zeitraum umsetzen können. Sie haben auf jeden Fall hohe Ambitionen, aber gleichzeitig ist das Thema hochkomplex. Daher denke ich, dass es noch einige Jahre dauert, bis ChatGPT ein verlässlicheres Tool wird – jedenfalls in manchen Gebieten.
Was stört Sie konkret?
Dirk Ehrlich: Für mich ist das größte Problem, dass ChatGPT zwar eine Frage beantworten kann, aber keine logischen Folgefragen anbietet. Oder anders ausgedrückt: Die KI kann ein Thema nicht weiterdenken und sich auch keine eigene Meinung dazu bilden. Sie greift unvoreingenommen auf vorhandene Daten zurück, bietet aber keine unterschiedlichen Perspektiven an oder denkt ein Thema weiter.
Alexander Reschke: Eine KI ist nur so gut, wie die Daten, auf denen sie basiert und mit denen sie trainiert wurde. Mit ChatGPT-4 greift sie auf deutlich mehr Daten zurück und WebChatGPT auf aktuellere, aber trotzdem sind viele Antworten, die seit Jahren faktisch falsch im Netz stehen, immer noch nicht korrigiert. Die KI kann sich derzeit nicht selbst überprüfen oder revidieren. Das kann nur menschliche Intelligenz, an die eine künstliche Intelligenz derzeit nicht heranreichen kann.
Ganz ohne natürliche Intelligenz geht es also nicht?
Alexander Reschke: Der Deutsche Ethikrat hat kürzlich verlautbart, dass KI den Menschen nicht ersetzen sollte. Das war zwar auf medizinische Diagnosen gemünzt, doch ich würde diese Aussage auch auf andere Bereiche erweitern. Sobald wir beispielsweise gesundheitliche, juristische oder finanzielle Entscheidungen einer einzigen, in ihren Quellen nicht überprüfbaren Instanz überlassen, bewegen wir uns auf äußerst gefährlichem Terrain.
Dirk Ehrlich: Das sehe ich ähnlich. Wir haben uns natürlich auch mit ChatGPT befasst, um zu schauen, ob die KI nicht womöglich doch in manchen Bereichen hilfreich sein kann. Das Ergebnis war allerdings ernüchternd. Unser Ziel ist es, Finanzfragen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, kritische Stimmen einzubauen und ein allumfassendes Fazit zu liefern. Dazu ist ChatGPT nicht fähig.
Finanzfragen sind also nichts für Recherche auf eigene Faust oder Fragen an ChatGPT?
Dirk Ehrlich: Auf keinen Fall. Manchmal liefert die Software veraltete Zinsangaben, Alternativen werden nicht angeboten und einige Fragen sind für die KI schlicht zu komplex. Ein sehr einfaches Beispiel dafür sind Kontoführungsgebühren bei Girokonten. Wenn ein Anbieter behauptet, ein Konto sei ohne Gebühren zu haben, werden dabei oft Kontext und Kundenbedürfnisse ausgelassen. Heute gibt es bei vielen Banken etwa eine Girocard nur noch auf Anfrage. Und die kostet dann Gebühren von bis zu 5 Euro im Monat. Wenn also ein Kunde eine Girocard braucht, wäre ein Konto mit Kontoführungsgebühren unter 5 Euro, bei dem aber die Girocard inklusive ist, günstiger.
Wird ChatGPT in Zukunft so weit verbessert, dass wir der KI vielleicht doch bei wichtigen Themen vertrauen können?
Alexander Reschke: Die KI liefert am Ende eine weitere Meinung, und keinen Fakt, der sich in einer ‚Black Box‘ formt. Es ist daher wichtig, dass man sich der Beschränkungen bewusst ist und die Meinung der KI, genau wie die Meinung eines Menschen, hinterfragt und sich noch andere Meinungen einholt. Die Entwickler arbeiten ja ständig weiter an der KI und wollen sie verbessern, präziser und weniger fehleranfällig machen. Dafür müsste die KI lernen, sich selbst zu überprüfen, zu revidieren und verlässlich Quellen angeben, was derzeit nicht in Aussicht ist. So gibt es immer wieder und immer weiter falsche Informationen.
Dirk Ehrlich: Das ist für mich das eigentliche Problem, dass wir mit ChatGPT vermutlich nie lösen können: Die KI hat – im Gegensatz zu den meisten Menschen – auch keine moralischen Grundsätze. Sie gibt Informationen ungefiltert weiter, von Spam bis hin zu Hassreden. Ich selbst werde die Software jedenfalls auch in Zukunft mit einer kritischen Distanz beobachten und nutzen. Den menschlichen Austausch wird sie für mich aber nie ersetzen. Nach Google, Wikipedia oder Uniturm ist es eine neue spannende Webhilfe, um Wissen leichter zu finden, das Menschen niedergeschrieben haben. Wie man sucht, entscheidet aber sowohl bei Google als auch bei ChatGPT über das Ergebnis. Ein Fazit kann nur ein Mensch, oder besser mehrere Menschen, ziehen.
www.mutual.de